Weisse noch?! “Es hat sich ausgezahlt, dass ich die Geduld bewahrt habe” – Interview mit Benedikt Höwedes

Vor mehr als zehn Jahren haben wir ein Interview mit Benedikt Höwedes geführt. Jetzt hat er einen Schlussstrich gezogen und seine Karriere als Profifußballer beendet. Hier noch einmal das ganze Interview, erschienen in SCHALKE UNSER Nummer 63 aus Oktober 2009.

(rk/ru) Er gehört zu den Shootingstars der letzten Jahre: Benedikt Höwedes. Nicht nur, dass der gebürtige Halterner sich auf Schalke einen Stammplatz erkämpfte und zum Publikumsliebling avancierte, im Sommer dieses Jahres war er eine der Säulen des U21-Teams, das in Schweden Europameister wurde. Im Gespräch mit dem SCHALKE UNSER erzählte er uns vor dem Spiel gegen den SC Freiburg von seinem Werdegang, seiner neuen Rolle auf Schalke und den Turnübungen unter Felix Magath.

SCHALKE UNSER:
Felix Magath hat seit Sommer das Traineramt übernommen. Man liest sehr viel von Medizinbällen. Woran würdest du ganz konkret die größten Unterschiede zu anderen Trainern festmachen?

BENEDIKT HÖWEDES:
Er legt sehr viel Wert auf Disziplin und harte Arbeit. Das mit den Medizinbällen hat sich bewahrheitet, wir haben sehr hart gearbeitet in der Vorbereitung. Aber das ist notwendig, um Erfolg zu haben und damit wir neunzig Minuten Vollgas geben können. Das ist wichtig für unser Spiel, also sehe ich es positiv, auch wenn es im Training manchmal schmerzhaft ist.

Benedikt Höwedes im Interview

SCHALKE UNSER:
Stimmt die Geschichte mit den Turnübungen?

BENEDIKT HÖWEDES:
Ja, wir waren während der Vorbereitung vor dem Frühstück morgens um sieben Uhr in der Turnhalle und haben Bodenturnen gemacht, waren am Barren und an den Seilen. Das haben wir für die Körperhaltung und die Rumpfstabilität gemacht.

SCHALKE UNSER:
Der Trainer kam nach den ersten Spielen ziemlich grantig rüber. Wie ist der alltägliche Umgang?

BENEDIKT HÖWEDES:
Felix Magath nimmt sehr viel selbst in die Hand. Wenn etwas nicht läuft, kritisiert er uns natürlich, aber das ist schließlich seine Pflicht. Er spricht die Mängel klar an und wir versuchen, seine Anweisungen umzusetzen und uns zu verbessern.

SCHALKE UNSER:
In der letzten Saison gab es sehr viel Unruhe um Schalke. Wie hat die Mannschaft das Ganze denn aufgenommen?

BENEDIKT HÖWEDES:
Es war schwierig. Das waren Umstände, die nicht förderlich waren, um die Leistung zu steigern. Bei uns war ein ständiges Hin und Her, da gab es das eine oder andere, was unnötig öffentlich gemacht wurde. Es war auch für uns Spieler nicht ganz einfach, sich auf den Fußball zu konzentrieren. Jetzt haben wir eine klare Struktur und jeder weiß, woran er ist.

SCHALKE UNSER:
Du spielst derzeit auf der linken Seite. Hast du Angst, dass dir das gleiche Schicksal blüht wie Heiko und du überall spielen musst, nur nicht auf deiner Stammposition?

BENEDIKT HÖWEDES:
Es ist für mich kein Problem, auf der linken Seite zu spielen. Ich stelle mich in den Dienst der Mannschaft. Dass es nicht meine Lieblingsposition ist, weiß der Trainer auch. Aber letztendlich fühl ich mich auch auf links wohl, weil man da auch Offensivgeist entwickeln kann. Deswegen nehme ich die Rolle an, auch wenn ich ein Rechtsfuß bin.

SCHALKE UNSER:
Meinst du nicht, dass dadurch deine Chancen auf eine WM-Teilnahme im nächsten Jahr sinken?

BENEDIKT HÖWEDES:
Meine Konzentration liegt auf Schalke. Was sich dann ergibt, wird sich zeigen. Man muss da nichts überstürzen, ich habe ja gerade erst den Europameistertitel der U21 geholt.

SCHALKE UNSER:
Jogi Löw sagte aber, du seist im Blickfeld.

BENEDIKT HÖWEDES:
Das freut mich. Das habe ich mir soweit erarbeitet durch das letzte Jahr. Eine solche Aussage motiviert einen natürlich.

SCHALKE UNSER:
Bei Bayern gab es die Diskussion darum, ob in der Innenverteidigung ein Links- und ein Rechtsfuß spielen müssen. Spielt es eine Rolle, neben wem man spielt?

BENEDIKT HÖWEDES:
Es ist schon wichtig, einen Links- und Rechtsfuß da zu haben. Aber wenn die Qualität zweier Rechtsfüße höher ist, sollte das entscheidend sein. Ich kann es bei Bayern nicht beurteilen, aber im Prinzip ist der Ansatz nachvollziehbar.

SCHALKE UNSER:
Das Spiel der Innenverteidiger hat sich gewandelt – vom Wadenbeißer zum Spieleröffner. Wurdest du auch so geschult?

BENEDIKT HÖWEDES:
Ich denke, das fängt bei uns in der Jugend schon an. U19-Trainer Norbert Elgert leistet da sehr gute Arbeit. Wir haben viele gute Leute aus der Jugend, da zeigt sich, dass die Arbeit Früchte trägt. Manchmal muss man taktische Maßnahmen ergreifen, die nicht so sehr dem modernen Fußball entsprechen wie mit der Manndeckung für Eduardo in Hoffenheim, aber das gehört auch dazu.

SCHALKE UNSER:
Als du in den Profibereich aufgestiegen bist, waren Marcelo Bordon und Mladen Krstajic hinten gesetzt. In der letzten Saison warst du dabei, die beiden zu verdrängen. Eine komische Situation?

BENEDIKT HÖWEDES:
Ja, schon. Aber ich habe beiden sehr viel zu verdanken. Ich habe viel von ihnen gelernt, sie haben mir im Training geholfen. Ich habe das auch immer wieder betont, wie dankbar ich auch Mladen bin. Er hat sehr gute Arbeit in den ganzen Jahren geleistet, so wie Marcelo das immer noch macht. Ich kann von ihm immer noch viel lernen. Es gibt einen gewissen Wandel bei uns, weil sich bei uns auch viele junge Spieler aufdrängen. Das macht natürlich auch Spaß, jetzt mit Gleichaltrigen zu spielen und eine gewisse Frische reinzubringen.

SCHALKE UNSER:
Ihr seid jetzt mit vielen jungen Leuten im Kader. Als ihr 2006 A-Jugend-Meister geworden seid, gab es auch viele junge Talente, die aber nicht so die Chance bekommen haben. Siehst du das auch so?

BENEDIKT HÖWEDES:
Das würde ich nicht so sagen. Mesut hat auch viele Chancen hier bekommen, er war dann ein bisschen ungeduldig, weil er nicht jedes Mal in der Startelf gestanden hat. Es ist schade, dass er gegangen ist, da er ein Riesenkicker ist. Es gibt da ja genug Namen, sei es Sebastian Boenisch oder Tim Hoogland – das sind alles Fälle, in denen Spieler den Verein verlassen haben, weil sie vielleicht nicht ein halbes Jahr gewartet haben.

SCHALKE UNSER:
Also lag es an der Geduld?

BENEDIKT HÖWEDES:
Es ist auch positionsbedingt. Defensivspieler ohne Erfahrung kann man nicht so einfach reinwerfen wie offensive Akteure. Ich habe auch länger warten müssen bis zu meinem ersten Einsatz und bin nicht ungeduldig geworden. Es hat sich ausgezahlt, dass ich die Geduld bewahrt habe, jetzt bin ich im Team.

SCHALKE UNSER:
Ist dir das durch den Kopf gegangen, als du deinen Vertrag verlängert hast? Geduld zu beweisen, obwohl der Trainer dich kritisiert hatte und andere Vereine wie Hoffenheim und Juve angefragt haben?

BENEDIKT HÖWEDES:
Es gab Angebote von guten Vereinen, bei denen man kurz überlegt hat, aber ich hatte immer das Vertrauen vom Verein. Fred Rutten hat gesagt, ich solle nicht vom Boden abheben, und hat mich deswegen nicht spielen lassen. Aber er hat mir auch gesagt, dass ich sein Mann bin und er auf mich bauen wolle. Ich habe selber gespürt, dass ich immer näher an die erste Elf herankomme und ich die Qualität habe, mich hier durchzusetzen. Ich komme hier aus der Gegend, von daher gab es nicht allzu große Gedankenspiele bezüglich eines Wechsels.

SCHALKE UNSER:
Nach der Vertragsverlängerung gab es beim Spiel in Hoffenheim ein Plakat: „Benny, wegen Spielern wie dir sind wir hier.“ Hast du da gespürt, dass du so etwas wie eine Identifikationsfigur bist?

BENEDIKT HÖWEDES:
Absolut. Das war eine Riesensache. Ich habe mich total gefreut und es hat gezeigt, dass die Fans hinter mir stehen. Ich habe das ja auch mit einer nicht allzu schlechten Leistung in Hoffenheim dann zurückgezahlt. Ich spiele hier seit sechs, sieben Jahren. Da identifiziert man sich natürlich mit dem Verein und lebt das richtig.

SCHALKE UNSER:
Bist du denn in deiner Jugend auch oft zu den Spielen von Schalke gefahren?

BENEDIKT HÖWEDES:
Nicht so oft wie Manu, aber ab und an schon. Ich hab stattdessen meistens selber ein bisschen auf dem Bolzplatz gekickt, da hat es mich mehr hingezogen. Und abends habe ich dann im Fernsehen die Spiele angeschaut.

SCHALKE UNSER:
Christoph Metzelder ist nur 200 Meter entfernt von dir in Haltern aufgewachsen. Habt ihr Kontakt?

BENEDIKT HÖWEDES:
Wir haben zusammen mit seinem Bruder Malte und Sergio Pinto das Projekt, unseren Heimatverein in Haltern aufzupäppeln. Wir telefonieren öfters miteinander. Christoph hat letztens schon zu mir gesagt, dass zumindest ein Halterner bei der WM dabei sein sollte. Warten wir mal ab.

SCHALKE UNSER:
Vor drei Jahren hatten wir ein Interview mit Uwe Scherr und haben ihn gefragt, welcher Spieler aus der Jugend denn als nächster den Durchbruch schaffen kann. Er hat direkt deinen Namen gesagt und meinte, du würdest der kommende Nationalspieler werden. Auch Mladen Krstajic sagte im Interview, du würdest ihn beerben. War für dich der Weg auch schon immer so klar?

BENEDIKT HÖWEDES:
Als ich in der Westfalenauswahl gespielt habe, kamen schon Anfragen von Scouts, auch von Bochum und Dortmund. Damals kam nur Schalke für mich in Frage. Als ich dann nach Schalke kam, wurde ich vom Sturm in die Verteidigung gestellt. Der Trainer hat mich einfach direkt nach hinten gestellt. Bis zum zweiten Jahr der A-Jugend wusste ich dann aber immer noch nicht so ganz, wo ich dran bin. In der A-Jugend ist dann so ein Umschwung passiert, auch weil der Trainer mich enorm gefördert hat. Da habe ich gemerkt: Junge, du kannst es packen! Irgendwann war ich oben, hatte zwar anfangs Probleme, auch weil ich gleichzeitig mein Abitur gemacht habe. Aber ich wusste, was ich kann, und auch, dass der Weg nicht einfach werden würde.

SCHALKE UNSER:
Sind denn auch viele während der Jugendjahre auf der Strecke geblieben, weil sie sich den Weg selbst verbaut haben? Beispielsweise durch Dollarzeichen in den Augen.

BENEDIKT HÖWEDES:
Ich kenne da Beispiele, nicht nur aus Schalke. Viele, die Riesenpotenzial hatten, sind abgedreht und haben nur nach dem Geld geschaut. Das ist genau der falsche Weg. Man sollte hart an sich arbeiten und sich nur auf den Fußball konzentrieren. Das ist auch eine Frage des Willens.

SCHALKE UNSER:
Bei der U21-EM warst du Führungsspieler des Teams. Eine Umstellung für dich?

BENEDIKT HÖWEDES:
Wir hatten einen Spielerrat mit Manu, Sami Khedira, Andi Beck, Jerome Boateng und mir. Wir fünf haben das Team durchs Turnier geführt. In den Jugendmannschaften war ich auch immer Kapitän, deswegen war es nicht so ungewohnt. Das ganze Turnier hat riesigen Spaß gemacht, wir hatten ein super Klima in der Truppe. Das war der entscheidende Faktor zum Titel.

SCHALKE UNSER:
Hast du noch so besondere Momente im Kopf?

BENEDIKT HÖWDEDES:
Da gibt es so viele. Aber das Finale gegen England mit 4:0 ragt da natürlich heraus.

SCHALKE UNSER:
Zu der Zeit wurde Manuel Neuer mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht. Habt ihr darüber gesprochen?

BENEDIKT HÖWEDES:
Wir haben darüber geschmunzelt. Es wird viel geschrieben und interpretiert von den Medien, aber das wurde schon überbewertet.

SCHALKE UNSER:
Du hattest nur eine Woche Urlaub. Hast du Angst, irgendwann in der Saison einen Durchhänger zu bekommen?

BENEDIKT HÖWEDES:
Ich hoffe nicht. Ich habe mit dem Trainer abgesprochen, nur eine Woche Urlaub zu nehmen, um den Kopf frei zu kriegen.

SCHALKE UNSER:
Hat sich seit dem Titel das Medieninteresse geändert?

BENEDIKT HÖWEDES:
Wir haben es in der Ferne mitbekommen, dass in Deutschland ein großes Interesse an der EM vorhanden war mit in der Spitze zehn Millionen Zuschauer. Man merkt das auch als Spieler, dass da viel mehr Rummel entsteht.

SCHALKE UNSER:
Hast du da auch schon negative Erfahrungen gemacht? Beispielsweise in einem Artikel des „kicker“, wo von einer Kampfansage die Rede war.

BENEDIKT HÖWEDES:
Als junger Spieler muss man ein paar Sachen lernen, etwa wie man mit den Medien umgeht. Deswegen halte ich mich jetzt auch immer relativ bedeckt. Damals habe ich einfach nur gesagt, dass ich versuche, meine Leistung abzurufen. Nachher stand etwas wie „Kampfansage an Krstajic und Bordon“ in der Zeitung. Das war Schwachsinn.

SCHALKE UNSER:
Du hast jetzt Vertrag bis 2014. Was sind denn da die längerfristigen Ziele?

BENEDIKT HÖWEDES:
Das Ziel ist ganz klar: Deutscher Meister werden. Felix Magath hat ja gesagt, dass es in den nächsten vier Jahren passieren soll. Dem kann ich mich nur anschließen.

SCHALKE UNSER:
Wir uns auch. Vielen Dank für das Gespräch und Glückauf!

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