“A.C.A.B.” – all Cops are beleidigt – wirklich alle?

Wegen eines A.C.A.B-Plakats sind am Wochende Polizisten mit Schlagstock und Pfefferspray in die Hamburger Fankurve marschiert. Sie fühlten sich beleidigt. Ob das aber juristisch einfach so zutreffend ist, darf bezweifelt werden.

Obwohl angelsächsischer Zunge ist “All Cops are Bastards” sicher nicht die feine englische Art. Aber eine strafbewehrte Beleidigung? Nicht unbedingt – es kommt auf den Einzelfall an. Der Einmarsch zweier Hundertschaften mit zahlreichen Verletzten ist sicherlich, um es vorsichtig zu formulieren, kein “gesellschaftlich erwünschtes Verhalten”. Wer der ziselierten Sprache nicht so mächtig ist, könnte daraus die unstrittig pejorative Formulierung “die haben sich wie Bastarde verhalten” wählen, wenn er seinem Recht auf freie Meinungäußerung lieber in drastischer Form Ausdruck verleihen möchte und sich des schmalen Grats von der Meinungsäußerung zur Beleidigung nicht vollumfänglich bewusst ist.

Nicht jeder müsse ein Volljurist sein, wenn einen gängigen Ausdruck verwendet, hat übrigens das Bundesverfassungsgericht geurteilt: Die Älteren werden sich noch um den Rechtsstreit um das Kurt Tucholsky-Zitat “Soldaten sind Mörder” erinnern. Der landete schlussendlich vor dem Bundesverfassungsgericht.

Und das urteilte: Das könne man nicht per se als Beleidigung ansehen (2 BvR 1423/92): “Richtet sich eine Äußerung allgemein gegen ‘Soldaten’ oder ‘alle Soldaten’, dann ist es begründungsbedürftig, ob die Soldaten aller Armeen der Welt oder nur die Soldaten der Bundeswehr als die angegriffene Personenmehrheit anzusehen sind. Erst aus dem so ermittelten Sinn der Äußerung kann erschlossen werden, ob eine Äußerung eine scharfe Missbilligung des Tötens im Kriege im allgemeinen oder einen Ausdruck der Missachtung gegenüber den Soldaten der Bundeswehr beinhaltet, während andere Soldaten davon ausgenommen werden sollen.”

Dem folgte beispielsweise das Oberlandesgericht Karlsruhe – gleich neben dem Bundesverfassungsgericht angesiedelt – in seinem Urteil just zu den vier Buchstaben (Ss 64/12 – AK 40/12): Zum einen könne die “Polizei als Gesamtkollektiv nicht Adressat einer Beleidigung ” sein. Beleidigt könne höchstens ein einzelner Beamter sich fühlen, und auch hier sei zu prüfen, “dass am Ende mehrere Deutungsmöglichkeiten für die mit dem Transparent erzielte Wirkung stehen könnten. In diesem Fall sei der Angeklagte bereits dann frei zu sprechen, wenn eine dieser Deutungsmöglichkeiten durch das Recht der freien Meinungsäußerung gerechtfertigt sei.”

Am Ende wird ohnehin wieder das Bundesverfassungsgericht stehen. Als ob das nicht wichtigere Dinge zu entscheiden hätte.

Für die Hamburger Verhältnisse könnte es allerdings eine Beleidigung der konkreten Beamten sein, wenn man die Vorgeschichte betrachtet. Das rechtfertigt natürlich immer noch nicht den Einmarsch einer Hundertschaft in einen Fanblock mit hunderten Verletzten: Die Polizei hat – das darf sie mal gerne nachlesen – das “verhältnismäßig mildeste Mittel” anzuwenden, das den Zweck erfüllt. Die Verletzung zahlreicher Personen ist das sicher nicht, zumal in Stadien genügend Videokameras hängen. Der oder die Täter hätten sich leicht nachher ermitteln und anzeigen lassen.

Und das Banner, das hätte da halt das Spiel über gehangen. Da hätte man als Polizei mal souverän sein müssen. Ja, müssen. Da muss man als Polizist drüber stehen können, zumindest so lange, wie man nach Recht und Gesetz handelt und nicht nach persönlichem Beleidigtsein – das darf kein Maßstab polizeilichen Handelns sein. Beleidigungen darf die Polizei nicht mit Schlagstock und Pfefferspray kontern. Weder moralisch noch de jure. “Nichts gelernt?”, ist man geneigt, aus Gelsenkirchen in Richtung Hamburg zu rufen.

Auf Schalke ist übrigens das Tragen von “A.C.A.B.”-Utensilien verboten, wie zu Beginn der Saison noch im “Schalker Kreisel” bekräftigt wurde. Das war vor dem Thessaloniki-Spiel. Unabhängig von der Frage, ob es sich um eine Beleidigung handele oder nicht – “es gibt Spielregeln für ein gewisses Miteinander”, so der Verein auf Anfrage des SCHALKE UNSER.

Tatsächlich gab es sogar schon für ein Pärchen ein Tageshausverbot. “Das ist allerdings etwas unglücklich gelaufen”, räumt der Verein ein, zumal der Träger des eher unauffällligen Shirts schon angeboten hatte, seine Jacke einfach zu schließen. “Das werden wir beim nächsten Mal sicher anders regeln.” Unerwünscht bleibt “A.C.A.B.” auf Schalke.

Sicher ist aber eines: Schlagstock und Pfefferspray bestätigen die Vorurteile nur. Ob das wirklich im Sinne der Verbrechensbekämpfer ist?