„Alles krieg‘ ich auch nicht sauber“

(bob/rk) Er ist nunmehr seit über sechzehn Jahren bei Schalke, viel länger als jeder Spieler: Er hat alles mitgemacht, drei Abstiege, drei Aufstiege und den UEFA-Cup-Erfolg. Er ist wahrlich jemand, der aus dem Nähkästchen plaudern kann. SCHALKE UNSER hatte also allen Grund, Zeugwart Flori Simon im Waschsalon des Parkstadions zu besuchen und mit ihm über die Fußballschuhe von Jiri Nemec, verlorene Wetten und Persil Megaperls zu sprechen.

Cover SCHALKE UNSER 16
SCHALKE UNSER 16

SCHALKE UNSER:

Flori, du bist nun schon seit ewigen Zeiten bei Schalke. Wie bist du zu dem Job gekommen?

FLORI SIMON:

1973 hatte ich Charly Neumann kennengelernt, als ich für ihn auf dem Bau gearbeitet habe. Da hab ich immer mal so kleinere Sachen für den Charly erledigt, hab seinen Garten gemacht und sowas. Dann hab` ich die Fundamente für die Waschmaschinen im Parkstadion gemacht und mitgeholfen, daß hier alles aufgebaut wird. In der Saison 80/81 klappte es dann nicht so ganz mit dem damaligen Zeugwart, und der Charly fragte mich „Flori, willst Du nicht bei Schalke anfangen?“ Und so bin ich seit 1.7.1981 Zeugwart bei Schalke.

SCHALKE UNSER:

Woher kommt denn eigentlich dein Spitzname „Flori“?

FLORI SIMON:

Der kam auch vom Charly. Damals lief im Fernsehen eine Serie „Florian, der Blumenfreund“. Und da ich für den Charly auch den Garten gemacht habe, war ich dann der „Flori“. Den Spitznamen hatte ich dann weg, und das schafft auch keiner mehr, mir einen anderen Namen zu geben. Aber selbst viele Spieler dachten, ich würde Florian heißen.

SCHALKE UNSER:

Auf deinem Anrufbeantworter meldest du dich mit „Hier ist Flori, der weiße Blitz“.

FLORI SIMON:

Das hat noch damit zu tun, daß wir vor drei Jahren mit dem Verein Werbung für Persil Megaperls gemacht haben. Der Spot wäre auch noch länger gelaufen, aber das war in der Zeit, als Helmut Kremers Präsident wurde, der ganze Verein hing in der Luft, und so wurde der Spot relativ schnell wieder abgesetzt. Aber als Werbeträger war ich in richtig guter Gesellschaft; da war die Weitspringerin Heike Drechsler und auch Manfred Krug, der unter seinem Auto lag.

SCHALKE UNSER:

Hast du denn mal irgendwelche Reaktionen auf diesen Werbespot bekommen?

FLORI SIMON:

Ich hab erst letzte Woche einen Brief bekommen, den ich noch beantworten werde. Und zwar schrieb mir da jemand aus Hagen: „An die zwei Jahre ist es nun her, daß ich Sie im Werbespot für Persil Megaperls gesehen habe. Ihre Frau hatte Ihnen das Waschmittel empfohlen. Ich hab‘ damals zu meiner Frau gesagt ,Sandra, was für Schalke gut ist, ist auch für uns gut.‘ Aber so langsam sind meine Frau und ich demotiviert. In den zwei Jahren haben wir unsere gesamte Oberbekleidung mindestens acht- bis neunmal gewaschen, sogar mein gutes Hemd für sonntags. Bei Ihnen ist es so, Sie machen die Schalke-Waschmaschine auf, und heraus kommen supersaubere Schalke-Trikots. Gut, unsere Wäsche ist auch supersauber seit Persil Megaperls, aber Schalke-Trikots ist noch kein einziges aus unserer Maschine gekommen. Lieber Flori Simon, ich würde Sie bitten, mal Butter bei die Fische zu tun und mir mitzuteilen, womit Sie Ihre Wäsche in der Werbung wirklich gewaschen haben, ansonsten laufe ich Gefahr, den Glauben in die Werbung zu verlieren.“

Da kamen auch öfter Briefe von Müttern, deren kleine Jungs auf Asche spielen, und die die weißen Stutzen auch mit Persil Megaperls nicht mehr sauber bekommen. Das kommt bei mir auch vor, alles krieg‘ ich auch nicht sauber. Gerade Asche ist schon ziemlich aggressiv. Ich empfehle dann immer, eine Nacht in Schmierseife einzuweichen und dann zu waschen.

SCHALKE UNSER:

Wäschst du denn heute immer noch mit Persil Megaperls?

FLORI SIMON:

Ja, zum Gewinn des UEFA-Cups haben die uns erstmal eine Palette geschenkt, da komm ich vorerst mit aus. Aber auch sonst, Persil ist zwar ein bißchen aggressiv, aber länger als ein Jahr müssen die Trikots ja sowieso nicht bei mir halten.

SCHALKE UNSER:

Stimmt die Geschichte, wie sie Charly Neumann immer erzählt, daß Schalke vor der Zeit von Günter Eichberg noch nicht einmal mehr Waschpulver hatte, um die Trikots zu waschen?

FLORI SIMON:

Ich hatte wirklich den Auftrag von Dr. Fenne bekommen, daß ich zehn Prozent von meinem Etat einsparen müßte. Da hab ich ihn gefragt „Wie soll ich das machen, soll ich die Wäsche nicht mehr waschen?“. Da hab ich dann billigeres Waschmittel gekauft, wovon ich dann aber wieder mehr reintun mußte, so daß es im Endeffekt aufs gleiche rauskam.

SCHALKE UNSER:

Verändert sich denn die Arbeit eines Zeugwarts mit dem internationalen Erfolg?

FLORI SIMON:

Ja, das auf jeden Fall. Das war letzte Saison schon mehr Arbeit, schon allein, weil wir viel mehr unterwegs waren und es viele englische Wochen gab. Aber wenn man dann sieht, daß so ein Erfolg rausspringt, dann steht alles andere hintenan, dann hat es sich auch gelohnt.

SCHALKE UNSER:

Du bist mehr als nur Zeugwart, bei deiner verlorenen „Glatzenwette“ in Mailand hat man gemerkt, daß du diesen Erfolg auch selbst herbeigesehnt hast?

FLORI SIMON:

Die „Glatzenwette“ ist vor dem Rückspiel gegen Brügge entstanden. Ich bin ganz ehrlich, ich hab nicht dran geglaubt, daß wir bis ins Endspiel kommen. Was waren da noch für ruhmreiche Vereine drin, seien es Monaco oder Inter Mailand? Wer daran wirklich geglaubt hat, der ist ein Phantast gewesen. Unsere Stärke war einfach, daß wir nichts zu verlieren hatten. Aber als wir dann zu Hause 1:0 gegen Mailand gewonnen hatten, da war natürlich alles drin.

SCHALKE UNSER:

Hast du auf dem Weg zum Cupsieg auch schlechte Kabinen erlebt?

FLORI SIMON:

Wir hatten in der Hinsicht Glück, daß wir in Holland, Türkei, Belgien, Spanien und Italien waren. Ich weiß nicht, wie es in Rumänien, Bulgarien oder in den russischen Staaten aussieht. Wo wir waren, die hatten alle den Standard wie in der Bundesliga, vielleicht mit Ausnahme von St. Pauli, die hatten in der letzten Saison mit Abstand die schlechtesten Umkleidekabinen. Ein bißchen enttäuschend war Mailand. Für dieses tolle Stadion, das zweimal umgebaut wurde? An den Kabinen haben sie nicht viel gemacht.

SCHALKE UNSER:

Gibt es einen Erfahrungsaustausch mit anderen Zeugwarten? Wir haben gehört, daß der Platzwart von Mönchengladbach glühender Schalke-Fan ist.

FLORI SIMON:

Man unterhält sich schon mal mit anderen Zeugwarten und holt sich da Tips. Der Gladbacher Platzwart ist wirklich Schalke-Fan, dem hab‘ ich schon mal ein Trikot und einen Schal von uns mitgebracht. Im stillen drückt er uns immer so ein bißchen die Daumen, auch wenn wir da spielen.

SCHALKE UNSER:

Gibt es unter den Spielern auch einen Aberglauben in der Umkleidekabine?

FLORI SIMON:

Aberglaube gibt es in der Hinsicht, daß sich der ein oder andere Spieler in der Auswärtskabine auf einen anderen Platz hinsetzt, weil er vielleicht auf dem ihm zugewiesenen Platz beim letzten Spiel gesessen hat und wir da verloren hatten. Jeder ist ein bißchen abergläubisch, der eine mehr, der andere weniger. Es gibt welche, die ziehen grundsätzlich erst den linken oder rechten Schuh an, viele wollen nicht als erste aus der Kabine, manche drehen so viele Runden, daß sie als letzte die Kabine verlassen. Also, so etwas gibt es schon.

SCHALKE UNSER:

Welcher Spieler saut sich denn am meisten ein?

FLORI SIMON:

Das kommt natürlich auch auf den Spielertypen an. Ein Abwehrspieler sieht meistens drekkiger aus als ein Stürmer. Es kommt auch drauf an, welcher Spieler sehr viel gefoult wird. Jiri Nemec oder Radek Latal z.B. gehen sehr oft zu Boden, die sehen natürlich etwas dreckiger aus. Aber am Ende kommen die Hosen in die Maschine, und wenn sie rauskommen und sind nicht ganz sauber, dann werden sie eben nochmal gewaschen.

SCHALKE UNSER:

Wie ist das denn, wenn die Spieler ihre Trikots ins Publikum werfen, der Verein sieht das nicht so gerne?

FLORI SIMON:

Einerseits kostet das immer Geld, und ich hab dann die Arbeit. Wenn ich die Waschmaschinen leere, sehe ich ja, was fehlt, und dann muß ich entsprechend die Trikots nachmachen lassen. Beim UEFA-Pokal ist ein ganzer Satz weg gewesenen. Man kann sagen, daß in jeder Runde im UEFA-Pokal 36 Trikots weg sind. Beim Heimspiel versuche ich noch immer einen Satz zu retten, dann nehme ich dem Spieler in der Halbzeit das dreckige weg, dann kann er höchstens eins behalten.

SCHALKE UNSER:

Du arbeitest also mit allen Tricks.

FLORI SIMON:

Ja und wenn ich das nicht finde, dann muß ich auch schon mal im Schrank gucken. Ich nehme an, daß, wenn wir gegen Braga weiterkommen, die Trikots wieder weg sind. Aber das ist ja kein Verhältnis des Preises eines Trikotsatzes zum Weiterkommen. Das bringt Millionen und so ein Trikot-Satz kostet vielleicht 1.500 Mark.

SCHALKE UNSER:

Gab es für dich auch so etwas wie eine Lieblingstruppe auf Schalke, wo es vielleicht sportlich nicht so geklappt hat, aber menschlich gestimmt hat?

FLORI SIMON:

Das war damals eine Supertruppe mit Klaus Täuber, Walter Junghans, Michael Jakobs und Enatz Dietz. Vielleicht zu vergleichen mit der von heute. Die haben zwar nicht den großen Erfolg gehabt, aber die Truppe stimmte menschlich damals wie jetzt.

SCHALKE UNSER:

Bist du eigentlich für die Mini-Trikots, die man ins Auto hängen kann, verantwortlich? Sind dir da ein paar Trikots eingelaufen?

FLORI SIMON:

Nein, nein, ich hab zwar auch mal solche Mini-Trikots bei mir im Auto gehabt, aber die sind mir nicht eingelaufen, die hatte ich aus dem Fan-Shop. Ich hab auch schon mal einen Satz Trikots reklamiert, weil sie eingelaufen waren. Aber da schrieb Adidas, ich hätte sie mit 140 bis 160 Grad getrocknet, obwohl mein Trockner gar nicht so weit geht.

SCHALKE UNSER:

Was passiert eigentlich mit lädierten Fußballstiefeln?

FLORI SIMON:

Die werden zum Schuster gebracht. Gerade erst heute morgen habe ich vier einzelne Schuhe dort hingebracht. Der Olaf hatte die Hacke eingetreten, und bei den anderen war ein weißer Streifen lädiert.

SCHALKE UNSER:

Haben die Spieler manchmal auch Lieblingsschuhe, die sie nicht hergeben möchten, obwohl sie kaputt sind?

FLORI SIMON:

Der Jiri Nemec hat Schuhe, die trägt er, seit er hier auf Schalke ist. Die waren schon `zig mal beim Schuster, sind von innen getapet. Aber der kann die auch länger tragen, weil er überwiegend mit Noppen spielt. Nur bei schlechten Witterungsverhältnissen nimmt er Stollenschuhe. Bei den Spielen hab ich aber natürlich immer Ersatz dabei. In den 16 Jahren ist das erst einmal passiert, daß ein Schuh zu Bruch ging. Damals hat Uwe Wassmer in Freibug einen Preßschlag bekommen, aber auch da brauchte ich keinen Ersatzschuh, weil er da auch den Mittelfuß gebrochen hatte. Dazu kommt noch, was man sonst alles mithaben muß: Schnürbänder, Kaugummi, Spielführerbinde, Unterziehhosen, da kommt einiges zusammen.

SCHALKE UNSER:

Gibt es denn auch Geheimtips? Ernst Kuzorra soll sich ja damals, wenn der Platz mit Schnee bedeckt war, seine Schuhe mit Petroleum eingesprüht haben.

FLORI SIMON:

Eine Petroleumspritze hab ich auch hier. Bei Schnee sprühe ich jeden Schuh kurz vor Anpfiff nochmal ein. Der Schnee bleibt dann eine ganze Zeit nicht unter dem Schuh kleben.

SCHALKE UNSER:

In Köln stand neulich ein Einwechselspieler ohne Trikot da…

FLORI SIMON:

Das ist mir auch schon passiert, Sergei Dikhtiar hatte bei einem Hallenturnier nur ein T-Shirt an, da war das natürlich nicht so gravierend. Aber da geb ich dem Kölner Zeugwart keine Schuld. Wenn man als Zeugwart auch dafür noch verantwortlich wär, dann bräuchte man ja allein drei Mann, die nur darauf aufpassen, wie die Spieler aus der Kabine gehen. Da geht demnächst sicher einer nochmal ohne Hose raus. Da ist der Spieler allein für verantwortlich. Das wird dem Kölner Vertragsamateur sein ganzes Leben nicht mehr passieren.

SCHALKE UNSER:

Vielen Dank für das Gespräch. Glückauf.