„Ich warte nur darauf, dass demnächst auch die Finger des Torschützen, die zum Himmel zeigen, mit Gelb bestraft werden“

Buchcover "Mit Gott auf Schalke"

(svs) Egal ob Olympia, EM oder WM – die Missionare gehören heutzutage zum Bild. Im deutschen Fußball tut sich besonders David Kadel hervor. Er ist Autor des Buches „Mit Gott auf Schalke“ und hat nun auch eine „Schalke­Bibel“ herausgebracht. SCHALKE UNSER wollte genauer wissen, mit wem wir es hier zu tun haben, und bat David Kadel zum Interview.

SCHALKE UNSER:
Herr Kadel, Sie sind Autor des Buches „Mit Gott auf Schalke“, betreiben Internetsites wie www.fussball-gott.com, schreiben „Fußball-Bibeln“ und haben prominente Unterstützer wie Zé Roberto, Cacau, Lucio, Marcelo Bordon, Dr. Markus Merk oder Jürgen Klopp für ihre christliche Sache gewonnen. Was sind Ihre Visionen, die Sie mit einer christlichen Bewegung speziell auf Schalke verbinden?

DAVID KADEL:
Als Hardcore­Fußballfan, der vor einigen Jahren entdeckt hat, dass der Glaube an Gott noch erlösender sein kann als der EM-Sieg meiner Lieblingsmannschaft, der Dänen 1992, wünsche ich mir, dass auf Schalke, gerade durch die ehrlichen Glaubens-Bekenntnisse von Bordon, Andy Müller und Kuranyi, sich auch einige Schalke­Fans „auf den Weg zu Gott machen“, der ja laut Vorsänger Xavier bekanntlich kein leichter ist – aber ein guter, der beste, den ich kenne!

SCHALKE UNSER:
In einer Mannschaft – natürlich auch auf Schalke – kommen immer unterschiedliche Religionen und Weltanschauungen zusammen. Können Sie ausschließen, dass das sehr direkt nach außen vorgelebte Beispiel einer christlichen Religiosität nicht zu Spannungen führen kann, unter denen auch das Schalker Spiel leiden kann – Stichwort „Grüppchenbildung“?

DAVID KADEL:
So nach dem Motto: „Dir spiel ich nicht ab, weil du Moslem bist?“ Nein, ganz im Ernst, so wie ich Asamoah, Bordon, Kuranyi und auch Jones kenne, sind die allesamt dermaßen heiß aufs Gewinnen, dass man im Spiel etwaige Grüppchen völlig außen vor lässt – ich kenne kaum andere Spieler, die so ehrgeizig sind. Gerade Marcelo Bordon und Gerald Asamoah haben doch oft zwei Gesichter, auf dem Platz Hyde mit Schaum vor dem Mund und außerhalb Jekyll, was für lammfromm steht. Da ist kein Platz für Religionsunterschiede.

SCHALKE UNSER:
Marcelo Bordon hat ja in „Mit Gott auf Schalke“ erklärt, dass er das Kapitänsamt auf Schalke nur unter der Bedingung übernommen hätte, dass die Schalker Fans dann auch endlich Gott kennenlernen müssten. Wäre das Kapitänsamt an Halil Altintop herangetragen worden und er hätte es mit einem ähnlichen missionarischen Anspruch für seinen muslimischen Glauben verbunden: Hätte das Altintop in seiner Rolle als Kapitän bei christlichen Spielern wie Rafinha, Asamoah oder Bordon gestärkt oder geschwächt?

DAVID KADEL:
Interessante Frage! Ich glaube, es hätte ihn gestärkt, da die genannten Spieler allesamt gerade den respektieren, der sich für andere einsetzt und der den Fans mehr als nur ein Autogramm geben möchte, nämlich eine positive Message für ihr Leben. Und mit Sicherheit hätte es innerhalb der Mannschaft eine sehr lebhafte Diskussion ausgelöst darüber, ob es nur einen Gott gibt, und ob man sich als ernsthafter Moslem und als bekennender Christ vielleicht nicht sogar viel näher steht als man dachte. Zumindest näher als dem abgezockten Ego-Profi, der sich an seinem Kontostand aufgeilt und sich zu schade ist, nach einer Niederlage in die Fankurve zu gehen.

SCHALKE UNSER:
Was dächten Sie über einen Schalker Kapitän, der seine Rolle auch darin sähe, statt für Jesus Christus für einen nichtchristlichen Glauben oder gar für eine atheistische Anschauung zu werben?

DAVID KADEL:
Nun, ich denke, jeder, der etwas erlebt hat, das sein Leben rigoros veränderte, legt eine Art missionarisches Verhalten an den Tag. Ist doch klar, wer etwas entdeckt, der möchte es gerne mit anderen teilen. In der Bibel heißt es: „Wem das Herz voll ist, dem geht der Mund über.“ Ribéry steht als bekennender Moslem demonstrativ mit betenden Händen auf dem Spielfeld, finde ich gut und echt. Aber ein Atheist, der für seine Weltanschauung wirbt, das vorzustellen, fällt mir wirklich schwer – die meisten Atheisten sind da eher passiv.

SCHALKE UNSER:
Nicht zuletzt, weil religiöse Überzeugungen immer wieder Anlass zu Spannungen unter Fans geführt haben, hat die FIFA vor einiger Zeit die Zurschaustellung von religiösen Bekenntnissen im Stadion untersagt. Unter anderem ist es jetzt verboten, dass Spieler ihre Trikots lüften, um Sprüche in der Art von „Jesus liebt dich“ zu präsentieren. Halten Sie die Bedenken der FIFA für grundlos oder erkennen Sie durchaus Probleme, die mit verstärkter Zurschaustellung von Religiosität im Fußball einhergehen können?

DAVID KADEL:
Die „Probleme“, die die FIFA da mal wieder ausmacht, halte ich für dermaßen an den Haaren herbei gezogen. Aber das kennt man ja von den hohen Herren, die haben wohl zu viel Tagesfreizeit, um sich immer wieder mal solchen Käse auszudenken. Ich warte nur darauf, dass demnächst auch die Finger des Torschützen, die zum Himmel zeigen, mit Gelb bestraft werden, weil sie angeblich die religiösen Gefühle von Atheisten verletzen! Amen!

SCHALKE UNSER:
Marcelo Bordon hat dieses Verbot ja kreativ umgegangen, indem er sich einen Jesus-Spruch direkt auf die Schulter hat tätowieren lassen. Wie finden Sie das persönlich?

DAVID KADEL:
Überragend! Vor allem, weil er es auch noch auf deutsch gemacht hat. Komplett verrückt dieser Typ – und dafür liebe ich ihn.

SCHALKE UNSER:
Wie könnte man Ihrer Vorstellung nach sicherstellen, dass eine explizit christliche Bewegung in deutschen Fußballstadien keine negativen Folgen nach sich zieht, etwa auf das einmalige Zusammengehörigkeitsgefühl der Schalker Fans untereinander – gleich ob christlich, jüdisch, muslimisch oder atheistisch – und zu ihrer Mannschaft?

DAVID KADEL:
Ich denke das kann man nur dann sicherstellen, wenn es sich bei diesen „Christen“ um Menschen handelt, die einen Andersgläubigen schätzen und respektieren und ihn in erster Linie „als Mensch“ sehen, dann als Schalke-Fan und erst zuletzt als religiösen Menschen. Jesus hat das in seiner Lehre immer wieder betont, von ihm stammt ja schließlich die Aufforderung „den Nächsten zu lieben wie sich selbst“ – egal welche Religion oder Hautfarbe er hat. Das sehen die Jungs vom Projekt „Mit Gott auf Schalke“ genauso, Respekt ist alles! Gerade deswegen bekommen die ja das beste Feedback nicht von Gläubigen, sondern von Fans, die mit Glauben noch nie etwas am Hut hatten.

Cover SCHALKE UNSER 59
SCHALKE UNSER 59

SCHALKE UNSER:
Ein in letzter Zeit im Fußball sehr diskutiertes Thema sind die Probleme homosexueller Spieler, die sich durch oft im Umfeld anzutreffende Schwulenfeindlichkeit und Diskriminierung genötigt fühlen, ihre sexuelle Identität geheimzuhalten und sich manchmal sogar heterosexuelle Scheinidentitäten zulegen. Denken Sie, dass offensiv ausgelebte Religiosität von Fußballspielern auch dazu beitragen könnte, ihre schwulen Mitspieler an einem Coming-Out zu hindern, insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach einigen evangelikalen Anschauungen Homosexualität als Todsünde aufgefasst wird?

DAVID KADEL:
Also das mit der „Todsünde“ hat keinen evangelikalen, sondern einen uralten katholischen Hintergrund. Egal. Ich als Christ würde einen schwulen Fußballer genauso anfeuern und für einen Geistesblitz auf dem Platz bewundern wie einen anderen. „Nächstenliebe“ heißt es in der Bibel, nicht Nächstenhass! Die Frage nach der christlichen Anschauung wird sich keinem schwulen Fußballer stellen, denn wenn der sich outet, hat der ganz andere Probleme. Laut St. Pauli-Boss Corny Littmann wird da die berühmte Sau durchs Dorf gejagt werden. Und das, was dann ein gläubiger Mitspieler über dieses Thema denken könnte, das wäre in diesem Moment für den „Outer“ mit Verlaub „Peanuts“.

SCHALKE UNSER:
Wie empfinden Sie die jüngsten Äußerungen des DFB, homosexuelle Spieler bei Coming-Outs gegen Widerstände zu unterstützen und so Homosexualität als normale sexuelle Ausrichtung anzuerkennen?

DAVID KADEL:
Klasse! Endlich einmal ein menschlicher Zug in dieser oft paragraphösen DFB-Bürokratie. Sorry, aber das Wort habe ich gerade erfunden. Für mich deshalb eine gute Aussage, weil es betont, dass es dem DFB um Fußball geht und nicht um Ethik, Moral und Werte-Diskussionen. Fußball ist Fußball – nicht mehr und nicht weniger.

SCHALKE UNSER:
Die Schalker Fan-Ini hat vor zwei Jahren – mit der Unterstützung vom Verein – eine Kampagne namens „Out auf Schalke – Schwule und Lesben gibt’s in jedem Stadion“ initiiert, die sich gegen die Diskriminierung von Homosexuellen im Stadion richtete. Würden Sie sich persönlich an einer solchen Kampagne beteiligen?

DAVID KADEL:
Da ich einige Fußball-Freunde habe, die schwul sind, und mich im Kicker-Manager-Forum augenzwinkernd als „schwul“ beschimpfen, wenn ich mal wieder ein gutes Näschen hatte, würde ich auf jeden Fall ein „Out of Schalke“-Shirt anziehen, um auf die Diskriminierung aufmerksam zu machen, warum denn nicht?

SCHALKE UNSER:
Nach unseren Informationen wird „Mit Gott auf Schalke“ mitunter auch solchen Menschen ungefragt und kostenlos zugeschickt, die im Online-Shop von Schalke 04 etwas ganz anderes bestellt hatten. Wissen Sie, wer diese Gratis-Exemplare finanziert?

DAVID KADEL:
Das war kurz vor Weihnachten eine Idee von Manager Andreas Müller und Kapitän Marcelo Bordon. Beide meinten, dass man an Weihnachten für eine Liebes-Message von Gott kein Geld nehmen könnte. Fortan wurde das Buch – auch als Weihnachten vorbei war – nur noch verschenkt. In Zeiten des Bundesliga-Kommerz-Wahnsinns eine klasse Geste, wie ich finde. Finanziert hat das der FC Schalke 04.

SCHALKE UNSER:
Die „Schalke-Bibel“ ist jetzt frisch erschienen. Was haben Ihre Leser zu erwarten?

DAVID KADEL:
Marcelo und Kevin haben erzählt, wie sie ständig von den Fans gefragt werden, um was es denn bei dem Bibelkreis mit den Schalker Spielern geht. Worüber sie sich da unterhalten. Welche Bibelstellen man lesen soll, um als Christ zu leben. Welches ihre Lieblingsgeschichten in der Bibel sind. Warum ihnen die Bibel soviel bedeutet. Auf all diese Fragen möchten die Jungs in der Schalke-Bibel endlich Antwort geben. Josef Schnusenberg hat dazu ein Vorwort geschrieben, dann gibt es verschiedene Erzählungen von Marcelo Bordon (auch über sein göttliches Harley-Bike), Andy Müller, Kevin Kuranyi, Gerald Asamoah und eine persönliche Geschichte des neuen U23-Trainers Markus Högner. Aber auch Interviews, Kolumnen über Fußball und Gott, Fotos der Schalker Meistermannschaften und eine längere Erzählung von Fritz Pawelzik, einem glühenden Kuzorra-Fan, der den „Schalker Kreisel“ hautnah miterlebt hat. Natürlich nicht zu vergessen das Alte und Neue Testament und das Buch der Psalmen.

SCHALKE UNSER:
Herzlichen Dank für das Gespräch. Glück auf.