Ein krummes Ding

„Bei Schalke 04 lief ein krummes Ding“, titelte die Bild-Zeitung Anfang August 1971. Ein neuer Zeuge habe sich der Zeitung gestellt und sei bereit, vor dem Kontrollausschuss des DFB auszusagen. Nach Köln, Bielefeld, Hertha, Stuttgart nun auch Schalke? Die Skandalwelle schwappte nun wieder auch auf Gelsenkirchen zu.

Bei dem Zeugen handelte es sich um den Essener Baukaufmann Erwin Sirrenberg. Er spielte früher zusammen mit dem Bielefelder Spieler Dieter Schulz beim Verbandsligisten VfB Bielefeld. Schulz, Sirrenberg und der Arminen-Spieler Jürgen Neumann trafen sich nach telefonischer Verabredung Ende Mai in der Autobahnraststätte Gütersloh.

In dem Gespräch ging es nach Angaben von Sirrenberg darum, dass er von Schulz gebeten worden sei, gegen Geld etwas für die Arminia zu tun, weil er doch im Ruhrgebiet viele Spieler kenne. Sirrenberg: „Dieter Schulz sagte, wenn du uns hilfst, wird es bestimmt nicht dein Schaden sein. Wir haben schon einiges unter Dach und Fach gebracht. Ich habe da so gewisse Vollmachten. Auch mit Deinem Heimatclub Schalke 04 ist das Ding geschaukelt worden.“

Völlig entrüstet reagierte der Schalker Geschäftsstellenleiter Hans Hörstermann auf die Berichte der Bild-Zeitung: „Ich lese diese Zeitung schon lange nicht mehr. Das ist zwecklos. Ich verweise nur auf die Anschuldigung von Canellas, dass unser Schatzmeister Heinz Aldenhoven das Spiel gegen Offenbach mit einer Niederlage für 100.000 Mark verkaufen wollte. Als Canellas bei einer Gegenüberstellung mit Aldenhoven die Beweise vor dem DFB-Sportgericht auf den Tisch legen sollte, hüllte er sich in Schweigen.“

Bundesligastart planmäßig

Trotz der Schlammschlachten konnte die Bundesligasaison 1971/72 planmäßig starten. Zum Auftakt in Hannover reiste die Schalker Mannschaft am Freitag nach dem Abschlusstraining und gemeinsamen Mittagessen im Hotel „Schlachthof“ in Heßler mit dem Bus ins Trainingslager nach Garbsen.

Der Einstand des neuen Trainers Ivica Horvat konnte besser nicht verlaufen: Im Niedersachsenstadion wurden von der jungen (Altersdurchschnitt 22,7 Jahre) blau-weißen Truppe nach einem zunächst deprimierenden 0:1-Rückstand mit einer glanzvollen zweiten Halbzeit etliche Rekorde gebrochen: Zum ersten Mal ein Auswärtssieg bei einem Auftaktspiel, Klaus Fischer mit vier Toren und einem Hattrick neuer Torjäger und Schalke 04 zum ersten Mal seit Bestehen der Bundesliga zusammen mit dem Hamburger SV Tabellenführer. Die vielen Schalker Schlachtenbummler waren schier aus dem Häuschen und reimten bereits Verse von einer deutschen Meisterschaft.

Zweiter Spieltag, zweiter Sieg: 2:0 gegen den MSV Duisburg, Schalke Tabellenführer. Doch diesmal schoss nicht Fischer die Tore, sondern Stan Libuda, der einen der Tage erwischt hatte, an denen ihn keiner aufhalten konnte. Am Abend stellte sich im Aktuellen Sportstudio zum vierten Mal Dieter Kürten als Moderator vor. Diesmal trug der eingeladene Ivica Horvat („meine Kleinigkeit“), der seine Schalker Jungen beileibe noch nicht als Meister sah („Fußball ist ja Fußball“, „Die müssen treffen, nicht ich“, „Man kann nicht sagen im Fußball: heute so, deshalb morgen so. Ist immer anders“) zu einer gelungenen Sendung bei. Und Schalkes Serie riss auch im nächsten Spiel nicht. Bei der Hamburger Truppe um Uwe Seeler gelang Klaus Scheer der goldene Treffer. Schalke war Spitzenreiter.

Urlaub vom Skandal

Derweil genoss der geläuterte Manfred Manglitz seine neu gewonnene Popularität auf Sylt: „Noch nie haben mich so viele Leute gekannt“, sagte er einem Reporter. Kurz darauf wurde Manglitz wieder auf dem Fußballplatz gesichtet. Allerdings stand er nicht bei einem Profiverein zwischen den Pfosten, sondern beim Spiel Arbeitsamt Köln gegen Arbeitsamt München. Auch die Bundesliga nahm eine kleine Auszeit vom Skandalrummel. Schalkes nächster Gegner in der Glückauf-Kampfbahn hieß 1.FC Köln, und der sollte sein blau-weißes Wunder erleben. 6:2, davon fünf Tore von Klaus Scheer – bis heute einmalig in der Schalker Geschichte. Mit einem Schlag katapultierte sich Scheer an die Spitze der Torschützenliste (direkt vor Klaus Fischer), und Schalke blieb weiterhin unangefochten Tabellenführer.

In Frankfurt jedoch war die Luft raus, 2:0 kämpfte die Eintracht die Schalker nieder. Nigbur sah bei einigen Szenen nicht besonders gut aus, und da passte es ins Bild, dass ihn Bundestrainer Helmut Schön unberücksichtigt ließ. „Wenn Helmut Schön, der kürzlich meine langen Haare mokiert hat, es wünscht, bin ich natürlich bereit, mir eine Glatze schneiden zu lassen“, antwortete der Schalker Tormann. Nigbur tröstete sich mit seinem neuen Hobby, dem Trabrennen. Er folgte damit den Pferdespuren von Klaus Fichtel und Rolf Rüssmann.

In seinem Besitz befanden sich übrigens die Stute Isarino und der Wallach Fueger. In Dinslaken gewann der Lange ein Prominenten-Rennen mit Fidelitas, Rolf Rüssmann erreichte mit Neuenkirchen den fünften Platz. Heide Rosendahl, ebenfalls begeisterte Pferdenärrin, trabte unter ferner liefen. Das 25. „Kohlenpottderby“ nach dem Krieg stand auf dem Programm, doch das Jubiläumsspiel war ein Reinfall. Spielerisch kam es einem Offenbarungseid gleich, was beide Mannschaften ablieferten. Lediglich „Aki“ Lütkebohmert zeigte wie man Tore schießen kann – immerhin ein 1:0-Sieg.