Alle Länder sind gleich

(axt) Dies ist keine Randgruppen-Ecke: Nicht schon wieder Blatter, denkt man sich, warum sollte man den denn schon wieder in die Ecke stellen? Schämen wird der sich sowieso nicht.

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SCHALKE UNSER 22

Nun ist Joseph Blatter ja auch nicht mehr der jüngste, und so mag man es ihm verzeihen, daß ihm die Tage seiner Jugend in Erinnerung geblieben sind, als er mit dem Holzschwert zum Sturm auf die Bastille zog und dabei „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ rief. Und da mit dem Alter das Gedächtnis nachläßt, bleibt eben nur das mittlere Wort in Erinnerung, schließlich ist Mittelmäßigkeit im internationalen Fußball grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen. Peinlich wird es da nur, wenn die Reform des Pflegeversicherungsgesetzes greift und einem eben der Zivi nicht mehr jeden Tag die Zeitung vorliest. Sonst nämlich hätte man mitbekommen müssen, daß es mit der Gleichheit nicht immer klappt. Erich Honecker hätte da manches zu erzählen – aber wer holt sich schon seine Tips von einem jungen Hüpfer?

Daß sich verschiedene Länder nicht voneinander unterscheiden, weiß jeder, der schon einmal in Badehose in Lappland stand. Apropos Lappen: Joseph Blatter sponn also weiter. Alle nationalen Ligen nur noch mit 16 Mannschaften, also 30 Spieltage, die einheitlich von Februar bis November terminiert – wobei im Februar auch noch der Saisonauftakt liegen soll. Da Joseph Blatter im Wahn allerdings konsequent ist, sollten im Sommer fünf bis sieben Wochen Pause sein – schließlich muß man ja noch Europa- und Weltmeisterschaft im Zweijahrestakt unterbringen.

Gut. Sehen wir es einfach einmal positiv: Der Saisonauftakt im Februar wird bei 34 Grad Hitze stattfinden – denn schließlich: Alle Länder sind gleich, und solche Temperaturen finden wir ja in Australien und Brasilien. Zwei Mannschaften müssen wir nach dem Blatter­Konzept dann auch noch loswerden – bauen wir doch einfach eine Mauer auf. Den Umkehrschluß hatten wir ja schon einmal, als die Bundesliga größer wurde. Da aber momentan nur eine Mannschaft von drüben dabei ist, werden wir die Mauer wohl um München ziehen müssen oder zusätzlich eine um einen westlichen Ausleger des Sauerlands. Teuer würden in dem Falle nur die Schilder „geschlossene Anstalt“.

Genau das muß auch Gerd Niebaum befürchtet haben: „Die FIFA überschätzt sich maßlos. Nach solchen Vorschlägen müssen wir uns ernsthaft fragen, ob wir sie überhaupt noch brauchen.“ Anscheinend hat selbst der Präsident eines unbedeutenden sauerländischen Vorortvereins den Wahn nicht verstanden, obwohl wir qua Amt einen quantitativ relevanten Intellekt ja eigentlich nicht unbedingt voraussetzen dürfen.

Aber der Wahn muß doch irgendeinen Grund haben? Jawoll! Joseph Blatter: „Die FIFA treibt die Harmonisierung des Spielkalenders energisch voran. Wie bei jedem Kompromiß muß jeder etwas abgeben.“ Ach so, damit ist ja alles klar. Der Grund ist also… also… ne, das müssen wir uns nochmal genauer durch den Kopf gehen lassen: „Die Fifa treibt die Harmonisierung des Spielkalenders energisch voran. Wie bei jedem Kompromiß muß jeder etwas abgeben.“ Ja Himmelherrgottverblattertnocheinmal: Was ist denn jetzt der Grund? Haben wir irgend etwas verpaßt? Es muß wohl anscheinend die Harmonisierung als Selbstzweck sein – so eindringlich logisch und zwingend für jedermann, daß es keiner externen Begründung mehr bedarf. Wem das nicht unmittelbar einsichtig ist, wird sich wohl von seinem Zivildienstleistenden ein paar Tranquilizer geben lassen müssen.

Doch wehte Joseph Blatter scharfer Wind ins Gesicht oder an den Körperteil, aus dem diese Idee ausgeschieden wurde. Selbstunkritisch meint er: „In Deutschland bin ich die Reizfigur, ich bin das Problem, nicht mein Plan, nicht mein Kalender.“ Oh ja. Dummerweise mißt man Menschen – und auch FIFA-Funktionäre – an Worten und Taten. Auf der nach oben offenen Arroganz-Skala maßloser Selbstüberschätzung setzt das eine neue Höchstmarke. Nach der heftigen Kritik nicht nur, aber vor allem aus Deutschland verkündete Senior Blatter dann, die Reduzierung auf 16 Mannschaften sei aus der Welt. Schön.

Nun hätte man doch glatt denken können, daß die ganze Synchronisation damit vom Tisch gefegt sei. Denkfehler – alte Männer können recht gemein werden, nun kam Blatter wieder um die Ecke geschossen und demonstrierte seinen Alters­Starrsinn. Die so entstandene Zeitlücke zwischen Sommer 2004 (alte Liga- Struktur) und dem vereinheitlichten Neustart im Februar 2005 könnte man ja dann mit einer kommerziell ergiebigen Weltmeisterschaft der Erstplazierten aus den nationalen Ligen ausfüllen.