„Die Fußballer spielen eigentlich zuwenig Fußball“

(cr/fb) Ein Schalker Trainer wird deutscher Meister und spricht nicht darüber. So geschehen in unserem einstündigen Gespräch mit Manfred Dubski. Spannender findet er seine neuen Aufgaben, obwohl es die alten bleiben: Seit 1992 Trainer der B-Jugend (U17), verlängerte er im letzten Jahr bis 2006.

Cover SCHALKE UNSER 40
SCHALKE UNSER 40

SCHALKE UNSER:
Heute trainierst du die Jugend. Hast du vor deiner Profikarriere selbst in einer Jugendmannschaft angefangen?

MANNI DUBSKI:
Ich habe angefangen in der Jugend von Fortuna Bottrop und spielte damals auch in der westdeutschen Jugendauswahl, die 1972 ein Freundschaftsspiel gegen die erste Mannschaft von Schalke hatte. Direkt nach dem Spiel bat mich der damalige Schalker Präsident Siebert um einen Termin, um über einen Wechsel zu sprechen. Da war ich noch A-Jugend-Spieler, habe aber schon mit den Profis trainiert.

SCHALKE UNSER:
Die Schalker Jugendarbeit soll zu Sieberts Zeiten vorbildlich gewesen sein.

MANNI DUBSKI:
Die war sehr intensiv, wir hatten hier viele Spieler, die auch der Westfalenauswahl angehörten, gute Spieler wie Dieter Bohne, Achim Wagner, Rudi Blank, Günther Kruschinski, „Sternchen“ (Hans-Günther) Bruhns, Bernd Thiele und Rüdiger Abramczik.

SCHALKE UNSER:
Hat sich da im Vergleich zu heute viel geändert?

MANNI DUBSKI:
Mittlerweile betreiben viele Vereine intensive Jugendarbeit, früher haben die Jungs noch länger bei kleinen Vereinen gespielt. Im Umkreis von 100 Kilometern ist es ein unheimlicher Kampf zwischen Dortmund, Bochum, Gladbach, Leverkusen, Düsseldorf, Uerdingen, wo es aber zuletzt wohl etwas den Bach runtergeht, Rot-Weiß Essen und uns. Dazu beschäftigen wir auch Scouts, und auch ich sehe mir diese Jugendturniere an: Vergleichsspiele Westfalen-Niederrhein, Westfalen-Mittelrhein, das alljährliche U15-Schülerlager in Duisburg, wo sämtliche deutschen Landesverbände zum Turnier zusammenkommen. In unserem Leistungszentrum haben wir jetzt acht Plätze, wo wir auswärtige Spieler unterbringen können, die wir natürlich auch beobachten. Auch sonst gehen wir jedem Tip und Hinweis nach, um das Optimale rauszuholen.

SCHALKE UNSER:
Wie alt war Moritz Volz, als Arsenal ihn von Schalke holte?

MANNI DUBSKI:
Er war 15, aber heute geht’s schon mit elf, zwölf los. Ich würde sicher keinen Zehn- oder Elfjährigen z. B. aus Siegen holen. Aber aus der näheren Umgebung schon, denn wenn wir es nicht machen, dann machen es andere. Und dann haut der Spieler uns irgendwann die Buden rein. Aber wir arbeiten seriös. Wir versprechen den Eltern eines Vierzehnjährigen nicht das Blaue vom Himmel. Aber wenn wir Entwicklungsmöglichkeiten bei einem Spieler vermuten, ist auch der momentane Leistungsstand nicht entscheidend, mehr seine Bereitschaft. Wie verhält er sich beim Ballverlust? Wenn da einer anfängt zu lamentieren, kann man schon ein Ei drüberschlagen, dann hat sich die ganze Geschichte schon erledigt. Man muss sehen, der Junge setzt sofort wieder nach, versucht, seinen Fehler wieder auszubügeln.

SCHALKE UNSER:
Über das Training hinaus muss man ja auch im Privatleben eine gewisse Disziplin aufbringen, wenn man sich hohe Ziele steckt.

MANNI DUBSKI:
Wenn ich sonntags morgens um elf Uhr spielen muss, kann ich nicht am Samstag bis ein Uhr nachts in der Disco hängen und bechern. Das kann vielleicht einmal gut gehen, aber auf Dauer wird man dann hohe Ziele nie erreichen. Die Frische im Kopf muss doch da sein, es geht um neunzig Minuten Konzentration. Und als guter Spieler muss ich auch noch für meine Mitspieler da sein, sie unterstützen, sie nach Fehlern auch wieder motivieren. Ich habe meinen Jungs gestern noch gesagt: Jeder muss dazu beitragen, dass wir eine harmonische Mannschaft haben! Es gibt sicher auch mal Reibereien, das ist nun mal so. Da kann ich auch nur sagen, es darf nie unter die Gürtellinie gehen. Lieber mal über das Problem sprechen.

SCHALKE UNSER:
Ist es für die Jugendspieler schwieriger geworden, zu den Amateuren zu kommen, seit die in der Regionalliga spielen?

MANNI DUBSKI:
Wenn du mal siehst, mit welchem Kader die Amateure den Aufstieg geschafft haben – das waren überwiegend Spieler aus unserem Nachwuchsbereich, mindestens zwölf: Wingerter, Koch, Trojan, Durgun, Lamotte, Ünlü, Hajnal, Szollar ­ nur Stijepic, Kläsener, Büskens nicht. Das ist doch schon mal was. Und auch zukünftig hat jeder die Chance, zu den Amateuren zu kommen. Wir glauben schon, einschätzen zu können, wer das Zeug für die dritte Liga hat. Und wenn einer nicht so stark ist, muss er den Verein wechseln.

SCHALKE UNSER:
Der Trainer der „höheren“ Mannschaft muss natürlich auch das Vertrauen zu so einem Spieler haben.

MANNI DUBSKI:
Ich kann doch nur einen Spieler bringen, wenn ich hundertprozentig von ihm überzeugt bin. Es ist schön, wenn ein Amateurspieler bei den Profis mittrainieren darf, und wenn es dann passt. Aber wenn der mich schon beim Training nicht überzeugt, wird es dann auch schwierig, ihn zu bringen. Für einen Bundesligatrainer ist es ja heute auch ein ganz hartes Geschäft: Wird zwei-, dreimal verloren, geht es ihm an den Kragen. Aber wenn jetzt im UEFA-Cup drei Spieler aus unserem Nachwuchs dabei sind, dann sieht man, es kommt mal was aus der Jugend. Ich glaube schon, dass wir auch noch den ein oder anderen jungen Spieler haben, der vielleicht mal den großen Sprung schaffen kann.

SCHALKE UNSER:
Welche Verbesserungsmöglichkeiten siehst du noch in der Jugendarbeit? Woran wird momentan gearbeitet?

MANNI DUBSKI:
Wir haben ja hier ein Schulprojekt, denn die Fußballer spielen eigentlich zuwenig Fußball. Wenn wir früher nach Hause kamen, flog die Schultasche in die Ecke – und ab auf den Platz. Da wurde stundenlang gebolzt auf der Wiese, und am nächsten Tag hat man den Wecker etwas eher gestellt, um vielleicht noch ein paar Hausaufgaben hinzukritzeln. Das gibt es heute nicht mehr. Darum haben wir dieses Projekt mit der Gesamtschule Berger Feld mit 25 Spielern, die hier im Leistungszentrum oder in der näheren Umgebung wohnen. Mit denen trainieren wir vormittags am Montag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag zusätzlich. So können sie etwas mehr Fußball spielen als andere, und das macht natürlich etwas aus. Es gibt auch Sachen, die nicht immer Spaß machen, aber die müssen wir auch trainieren, damit die Jungs sich weiter entwickeln. Mal zwanzig Minuten Flankentraining, um den schwachen Fuß zu verbessern. Sicher kommen da manche Bälle nicht an. Aber dann muss man weitermachen und nicht resignieren, wenn jetzt zehnmal die Bälle hinters Tor fliegen oder nicht ankommen.

SCHALKE UNSER:
Wie lange haben Fischer und Abramczik nach dem Training noch Flanken geübt?

MANNI DUBSKI:
Diese Argumente kann ich den Jungs immer bringen, weil ich das selbst gesehen habe. Abends, wieder und wieder mit dem Kopf, Fallrückzieher, volley ­ das bringt was.

SCHALKE UNSER:
Wenn wir früher verloren haben, durften wir gar nicht mehr spielen, immer nur um den Platz rennen.

MANNI DUBSKI:
Daran geht doch der Fußball kaputt in Deutschland. Ich will keinen angreifen, aber es ist nicht gut, wenn einfach Väter von Spielern das Training leiten, oder ungenügend ausgebildete Trainer, die Acht- bis Zehnjährige laufen und Runden drehen lassen. Die kriegen von mir einen Ball, dann können sie sich austoben und Fußball spielen, dann lernen die mehr. Wenn die älter sind, brauchen sie Grundlagen und Ausdauer, aber das ist doch nichts für kleine Kinder.

SCHALKE UNSER:
Wie arbeiten die Trainer zusammen, von der Jugend über die Amateure bis hin zu Jupp Heynckes?

MANNI DUBSKI:
Das ist hier ganz in Ordnung. Wir sprechen miteinander, wobei ich natürlich mehr Kontakt zum B2-Trainer, zum Trainer der C und zu Norbert Elgert (U19) habe. Da tauschen wir uns aus über die Entwicklung der Spieler und planen für die Zukunft.

SCHALKE UNSER:
Hast du Spieler bis zum Profi gebracht?

MANNI DUBSKI:
Das kann man nicht so sagen. Wenn ein Sergio Pinto mit 14 aus Haltern hierhin kommt und unsere Jugendabteilung durchläuft, welcher seiner Trainer soll denn hinterher der wichtigste gewesen sein? Das funktioniert doch nur gemeinschaftlich, und alle Beteiligten haben ihren Anteil daran, auch Bodo Menze, Helmut Schulte und alle aus unserem Team. Wir können doch einfach nur froh sein, wenn wir Spieler hier haben wie Delura, Hanke, Trojan. Ich bin jedenfalls stolz und froh, dass ich hier arbeiten kann. Mein Herz hat eigentlich immer für Schalke geschlagen, schon als kleiner Junge. Dann bekam ich eben diese Anfrage, hab dann auch einige Bundesligaspiele hier gemacht kam dann ’78 zum MSV. Obwohl Horvath eigentlich nicht wollte, dass ich wechsele, aber es waren ja viele gute Spieler hier. Beim MSV brauchten sie einen defensiven Mittelfeldspieler, und zunächst war ich auch nur ausgeliehen. Da habe ich natürlich spekuliert, wenn ich da gut spiele, geht’s irgendwann wieder zurück, aber im November spielten wir dann gegen Schalke, das endete 2:1für Duisburg, und wer hat das Siegtor geschossen?

SCHALKE UNSER:
Manni, der Libero. Erinnerst du dich an dein erstes Bundesligator?

MANNI DUBSKI:
Hmmm … aber nicht gegen Bayern München?

SCHALKE UNSER:
Gegen Bayern hast du jedenfalls eine Bude gemacht, und im Internet steht, es wäre dein erstes gewesen.

MANNI DUBSKI:
Ich meine aber, mein erstes wäre gegen Kaiserslautern gewesen. So viele Tore habe ich ja auch nicht geschossen, das müsste ich eigentlich wissen. Aber gegen Bayern, das 7:0, das war natürlich eine riesige Geschichte. Beckenbauer, Maier, Schwarzenbeck, die waren alle dabei, und es ging nur Bup-bup-bup ­ dolle Sache. Wir hatten zwar eine gute, aber in diesem Spiel auch eine sehr junge Mannschaft. Schon als ich kam, waren sie ja Pokalsieger und Vizemeister, mit Lütkebohmert, Sobieray, Scheer und van Haaren. Wir hätten noch sehr viel erreichen können, wenn nicht diese dumme Sache passiert wäre. Anders herum haben dadurch auch jüngere Spieler eine Chance bekommen.

SCHALKE UNSER:
Du wirkst gar nicht traurig, dass du nur einen Bruchteil von dem verdienen konntest, was heute ein Bundesligaspieler einsteckt?

MANNI DUBSKI:
Ich bin überhaupt nicht traurig. Die sollen verdienen, die Jungs, die Zeiten haben sich eben geändert. Ich habe damals noch erlebt, wie Oberhausen mich verpflichten wollte, Duisburg aber noch Ablöse verlangte, die RWO nicht zahlen wollte, so dass ich praktisch arbeitslos war. Aber insgesamt war es eine schöne Zeit, und jetzt ist für mich wichtig, dass ich hier arbeiten und meine Erfahrung weitergeben kann. Ich war auch nicht der überragende Fußballer, und so erwarte ich auch nicht zuviel von den Jungs. Die können ruhig Fehler machen, zumindest in der Jugend, und die müssen auch nicht alles können.

SCHALKE UNSER:
Du warst als Kind schon Schalkefan – glaubst du, dass sich die Jugendspieler noch stark mit dem Verein identifizieren?

MANNI DUBSKI:
Ich glaube, dass das weniger geworden ist. Das könnte meiner Meinung nach ein bisschen mehr sein. Auch die Identifikation mit der ersten Mannschaft, dass man Vorbilder hat. Mein Vorbild war eigentlich Berti Vogts, den ich bei der Jugend-Nationalmannschaft kennengelernt habe. Dem ist auch nichts zugeflogen, der hat sich alles erkämpfen und erarbeiten müssen. Auf Schalke war eigentlich Klaus Fichtel mein Vorbild, von seiner Einstellung und der Vorbereitung her, eben ein Vollblutprofi. Das müsste auch der eine oder andere junge Spieler mehr tun, einen Profi auf seiner Position beobachten. Aber es gibt überhaupt zuviel Ablenkung heute, Playstation, Fernsehen, Tennis und so weiter. Um Profi zu werden, muss man sich auf Fußball konzentrieren. Und, ganz wichtig, einen Schulabschluss und eine Lehre machen, und dann nur noch Fußball spielen. Natürlich kann man eine Freundin haben, das ist ganz normal, aber man muss versuchen, alles unter einen Hut zu bringen.

SCHALKE UNSER:
Würdest du noch mal in der 60. Minute den Torwart gegen einen Feldspieler auswechseln?

MANNI DUBSKI:
Ach Gott, diese Geschichte mit TuS Höhenhaus von 2001. Gut, dass ich das mal klarstellen kann. Das entstand mal aus einer Trainersitzung, wo Huub Stevens im lockeren Gespräch sagte, bei manchen Spielen, wo der Torwart überhaupt nichts zu tun hat, kann man ihn doch einfach rausnehmen. Das fiel mir in diesem Spiel ein, als wir schon haushoch führten. Ich habe mir aber überhaupt nichts dabei gedacht, das hatte gar nichts mit Überheblichkeit zu tun. Das würde ich heute nicht mehr machen. Was haben die sich aufgeregt! Aber ich hatte einen Feldspieler eingewechselt und den das Torwarttrikot anziehen lassen, das war dann das Provozierende. Aber das wollte ich auf keinen Fall. Ich habe doch Respekt vor meinen Trainerkollegen.

SCHALKE UNSER:
Das lassen wir jetzt auch so stehen – Glückauf und vielen Dank für das Gespräch!