„Wir wollen wieder Frieden auf Schalke haben“

(sb/axt) Auf der vergangenen Jahreshauptversammlung gab es bei der Wahl für die Mitglieder des Wahlausschusses eine Klatsche für den Schalker Fanclubverband (SFCV). Daraufhin hat dieser ein Umdenken angekündigt. Wir sprachen mit Vorsitzendem Frank Arndt und Heiner Tümmers ­ Aufsichtsrat im SFCV und demnächst über den SFCV auch beim S04 – über Strukturen, Karten, Aufgaben und Visionen.

Cover SCHALKE UNSER 83
SCHALKE UNSER 83

SCHALKE UNSER:

Ihr wollt euch neu strukturieren, haben wir gehört. Was heißt das konkret?

FRANK ARNDT:

Wieder auf das Wesentliche konzentrieren. Wir wollen die Fanclubs zu 104 Prozent betreuen. Das haben wir in der Vergangenheit teilweise aus den Augen verloren.

SCHALKE UNSER:

Und was bedeutet das für die Fanclubs?

FRANK ARNDT:

Wir haben jetzt klarere Strukturen und Schalke 04 führt nun einige Aufgaben selber durch, was zu einer klareren Trennung führt. Wir haben vielleicht auf zu vielen Hochzeiten gleichzeitig getanzt, so dass sicherlich auch der Blick getrübt wurde.

Das komplette Ticketing für Schalke 04 lag bei uns und gehörte zu meinen Hauptaufgaben. Dass wir nicht mehr die Karten vergeben, ist noch nicht bei allen angekommen. Ich bekomme jeden Tag noch ausreichend E-Mails mit Anfragen, ob ich nicht Karten besorgen könnte. Das kann ich nicht, das macht die Ticketabteilung von Schalke. Unser Kartenkontingent liegt in den Bezirken, ich bin da außen vor. Wo ich früher noch ein paar Löcher stopfen konnte, geht das heute nicht mehr.

Ich war zudem auch Fanbeauftragter. Da ist man automatisch auch in Sicherheitsfragen unterwegs – auch das bin ich nicht mehr. Jetzt kann ich das Ganze mehr von außen betrachten. Nehmen wir als Beispiel Saloniki: Da war ich betroffen. Ich habe die Gästefans zwei Jahre betreut und war dadurch mit der Vereinsführung und der Polizei im engen Kontakt. So bekommst du mit, was im Spiel gelaufen ist, wovon ich aber völlig von den Ereignissen überrollt wurde, da der Gästeblock ruhig war. Die Probleme gingen nicht von dort aus, sondern von einer Etage höher. Wir haben uns wie auch die Fanabteilung dagegen positioniert, wenn vielleicht auch nicht so deutlich, wie es von den Fans gewünscht wurde. Jetzt bin ich in der Position, wo ich mir so etwas von außen anschauen kann und nicht mehr involviert bin. Und dies eben durch die blau-weiße Fanclub Brille.

SCHALKE UNSER:

Von einer Fanvertretung haben sich viele eine klarere Positionierung gewünscht.

FRANK ARNDT:

Das ist immer noch ein laufendes Verfahren und hat jetzt eine politische Dimension angenommen. Warten wir einmal ab, was da letztendlich bei rauskommt. Dann werden wir uns sicherlich dazu äußern.

SCHALKE UNSER:

In Bezirksversammlungen sind Fragen aufgekommen und die Fans dort wurden mit Ratlosigkeit zurückgelassen. Eine Auseinandersetzung hat nicht stattgefunden; das erschien wie ein heißes Eisen, das man lieber nicht angefasst.

FRANK ARNDT:

Es waren auch einige Fanclubs betroffen, und die Ratlosigkeit herrschte überall. Die ganze Aufarbeitung durch den Justizapparat dauert nun bereits sehr lange. Ich denke, die Frage muss gestellt werden, warum das so lange dauert. Ratlosigkeit und Ohnmacht liegen auf dem Tisch, aber der Tisch muss abgeräumt werden. Grundsätzlich hat die Polizei in der Kurve überhaupt nichts zu suchen, ganz egal ob Heim- oder Gästekurve. Rechtfertigen kann man so einen Einsatz nur dann, wenn etwas sehr Elementares passiert ist. Dies war bei unserem Spiel aber absolut nicht der Fall.  

SCHALKE UNSER:

Ein weiterer Punkt, bei dem mancher Fan eine andere Sicht hatte als der Vorstand, war die Aktion 12:12. Das hat zum Austritt der Ultras Gelsenkirchen geführt. Später kam Viagogo – in der Folge erklärten Supporters Club (SC) und Fan-Ini ihren Austritt aus dem SFCV. Würdet ihr heute im Rückblick etwas anders machen?

FRANK ARNDT:

Sicher würden wir uns heute anders positionieren, aber die Gemengelage war damals eine andere. Klar, Viagogo war einfach scheiße. Das haben wir auch gesagt, aber eben nicht so klar und deutlich, wie wir es hätten sagen sollen oder müssen. Das Gros unserer Fans hat gesagt, dass man es sein lassen solle oder wenigstens schnell wieder aus dem Vertrag herauskommen, was schlussendlich ja auch passiert ist. Aber dem Großteil der Fans geht es nicht um 12:12 oder um die 300 Tickets für Viagogo.

SCHALKE UNSER:

Dass 12:12 nicht die Masse der Fans interessiert, können wir uns vorstellen – aber Viagogo war ein großes Thema, weil es um das originäre Thema der Kartenbeschaffung ging. Die Kritik war da, aber  hier hat keine Auseinandersetzung stattgefunden. Die Überraschung war groß, als nach oben kommuniziert wurde, die Fans seien damit zufrieden. Die Abstimmung auf der Mitgliederversammlung hat dann gezeigt, dass doch die große Mehrheit dagegen war. Da ist die Meinung der Fans offensichtlich nicht richtig weitergeleitet worden.

FRANK ARNDT:

Da haben wir sicher einen Fehler gemacht. Bei 12:12 und vor allem bei Viagogo haben wir uns, wie bereits erwähnt, nicht eindeutig positioniert. Aber leider Gottes ist es auch bei uns so: Je weiter weg von Gelsenkirchen ein Fan wohnt, desto weniger waren diese Themen dort akut. Bei den Fanclubs ist das Thema Eintrittskarten natürlich auch ein großes. Der Deal an sich mit den 300 Karten, die über Viagogo veräußert werden sollten, war nicht das große Problem. Der Fokus lag mehr auf der Ticketbörse, die ebenfalls  zu Viagogo gehen sollte und der „Legalisierung“ des Schwarzmarktes. Der jahrelange Kampf von Schalke 04 gegen Ebay und andere Portale, sowie den betroffenen Schalke-Fans, wurde ad absurdum geführt.

[Am 12.12.2012 wurde das neue Sicherheitskonzept von den Klubs beider Bundesligen verabschiedet – gegen den Widerstand der Anhänger, der sich zuvor unter dem Motto “12:12” versammelt hatte. Dabei hatten Fußballfans vereinsübergreifend die ersten 12 Minuten und 12 Sekunden bei diversen Bundesliga-Partien geschwiegen, anstatt zu singen und Fahnen zu schwenken. In den Stadien war es gespenstisch still. Es sollte dargestellt werden, dass der Fußball erst mit den Fans seine Faszination entfalten kann.]

SCHALKE UNSER:

Wo wir gerade bei Auswärtskarten sind: Wirkt es sich aus, dass jetzt auch die Karten für die Fanclubs nur an Mitglieder gehen dürfen?

FRANK ARNDT:

Natürlich ist es ein Umdenken bei den Fanclubs. Ein festes Kontingent geht in die Bezirke, die diese Karten verteilen können. Auflage ist, dass die Auswärtskarten nur an S04-Mitgliedern in den jeweiligen Fanclubs verteilt werden dürfen. Natürlich werden die Fanclubs jetzt zu Anwesenheitskontrollen aufgefordert und müssen daher die Namen derer nennen, die diese Karten bekommen haben – eine spannende Aufgabe für die Bezirkskartenausschüsse. Beim Auswärtsspiel in Hannover haben wir dies zum ersten Mal durchexerziert: Von 119 Personen, die benannt wurden, waren lediglich zwei nicht bei den Kontrollen. Das ist ziemlich gut: Bei den Alles- und Vielfahrerkontrollen hatten wir zehn bis zwanzig Prozent, die nicht zu den Kontrollen gekommen sind.

SCHALKE UNSER:

Wie viel Prozent der im SFCV-Organisierten sind auch Mitglied beim S04?

FRANK ARNDT:

Durch die Abgabe der neuen Erfassungsbögen werten wir dies gerade aus. Aber ich denke es werden um die 30 bis 40 Prozent – 30.000 der 80.000 Mitglieder – sein.

HEINER TÜMMERS:

Bei uns, dem „Knappensturm“, haben wir 180 Mitglieder, davon sind 70 auch Mitglieder bei Schalke.

SCHALKE UNSER:

Führt das dazu, dass Fanclubmitglieder Schalke-Mitglieder werden, um die Chance zu erhöhen, an Karten zu kommen?

FRANK ARNDT:

Wir haben bereits vor zwei Jahren in den Fanclubs angekündigt, dass die Auswärtskartenverteilung in Zukunft so vonstatten geht. Dadurch sind natürlich auch einige Mitglied beim S04 geworden, es hält sich aber in Grenzen. Der eigentliche Stamm, der auswärts dabei ist, identifiziert sich eher mit dem Verein und ist schon längst Mitglied. Vielen geht es aber vor allem auch um die Gemeinschaft im Fanclub und um die Fankultur. Ich hoffe aber natürlich, dass es grundsätzlich immer eine Herzensangelegenheit ist, Mitglied bei Schalke zu sein.

SCHALKE UNSER:

Es gab und gibt den Vorwurf, dass es eine Doppelstruktur gibt zwischen SFCV und S04. Das ist bei der Kartenvergabe weiterhin existent. Und auch bei den Mitarbeitern: Die Mitarbeiter des SFCV gingen zum Verein, sind aber jetzt zurück.

FRANK ARNDT:

Das war damals der Gedanke der Fanabteilung. Wir haben es versucht, aber es ist nicht möglich, einfach so alles von heute auf morgen umzubauen. Ich war als Ansprechpartner in der Fanabteilung und habe zudem die Kartenvergabe gemacht. Das haben wir aber wieder getrennt; Doppelstrukturen existieren nicht mehr, auch nicht bei den Eintrittskarten. S04-Mitglieder bestellen direkt beim FC Schalke 04, Fanclubs, die dem SFCV angehören über die Bezirke.

Wir haben jetzt einen Kooperationsvertrag mit Schalke: Wir nehmen dem Verein Fanarbeit ab und werden nach Vereinbarung dementsprechend entlohnt. Wir versuchen aber die Aufgaben und Arbeiten zwischen S04 und SFCV komplett zu trennen, sofern möglich. Es gibt ja jetzt beim Verein die Abteilung „Fanbelange“, mit der wir aber auch in vielen Bereichen gut zusammenarbeiten. Es existiert ein Organigramm, welches aussagt, für was der SFCV und für was die Abteilung Fanbelange zuständig ist. Und das klappt sehr gut.

SCHALKE UNSER:

Es gibt den Kooperationsvertrag, durch den Geld fließt, und ihr habt einen Aufsichtsratsposten inne. Kann man da überhaupt unabhängig sein im Aufsichtsrat?

HEINER TÜMMERS:

Also, ich kann’s. Ich bin im Verband ehrenamtlich tätig. Ich sehe mich nicht als der Vertreter des SFCV im Aufsichtsrat, sondern als der Fanvertreter für alle Fans. Ich habe nach wie vor meine Verbindungen zum Supporters Club und zu vielen anderen Fanclubs auch. Ich nehme da ganz viel auf, was ich im Aufsichtsrat vertreten werde.

SCHALKE UNSER:

Was wirst du vertreten?

HEINER TÜMMERS:

Wir hatten gerade das Thema Viagogo. Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass ich so eine Geschichte befürwortet hätte. Ich würde das Abstimmungsverhältnis nicht komplett kippen, aber sagen, dass wir uns da ein Eigentor schießen. Ob ich da gehört werde, kann ich vor der ersten Sitzung noch nicht beurteilen.

FRANK ARNDT:

Er hat ein großes Ohr und hört daher überall hinein. Er steckt, was sicher ein Vorteil ist, nicht so tief in diesem Thema drin, wie ich. Denn wenn jemand in einem Thema so involviert ist, hat man automatisch eine andere Sicht, als wenn man von außen kommt und dies beobachtet. Das ist sicherlich ein großer Vorteil für Heiner.

SCHALKE UNSER:

Aber definiert ist der Sitz im Aufsichtsrat doch für einen Vertreter des SFCV?

HEINER TÜMMERS:

Als Fanvertreter durch den SFCV.

SCHALKE UNSER:

Aber dadurch fallen die drei großen Fanorganisationen raus, die nicht mehr im SFCV sind.

HEINER TÜMMERS:

Das sehe ich komplett anders. Ob jetzt im SFCV oder nicht, in einem Fanclub oder völlig unorganisiert, da mache ich keinen Unterschied.

SCHALKE UNSER:

Aber wäre es nicht einfacher für dich, wenn du eine demokratische Legitimation hättest? Das machte dich doch etwas stärker.

HEINER TÜMMERS:

Ich denke schon, dass ich den Rückhalt habe. Ich glaube, dass der SC, in dem ich nach wie vor Mitglied bin, mir den Rücken stärkt. Die Gespräche, die ich mit dem jetzt dort amtierenden Vorstand habe, sind an und für sich so: „Du bist zwar jetzt über den SFCV drin, was vielleicht nicht ganz so toll ist, aber wir haben jemanden im Aufsichtsrat.“

SCHALKE UNSER:

Um eine ketzerische Frage zu stellen: Sowohl Supporters Club als auch Ultras Gelsenkirchen haben 100 Prozent Vereinsmitglieder in ihren Reihen, ihr liegt darunter. Schon einmal darüber nachgedacht, den Aufsichtsratsposten rotieren zu lassen?

HEINER TÜMMERS:

Ich nicht. (lacht)

FRANK ARNDT:

Das ist auch eine Satzungsfrage: Der SFCV stellt jemanden aus seinem Vorstand. Dieser soll für alle da sein. Dass man es nicht allen recht machen kann, da die Interessen der Ultras oder Supporters andere sind als die eines Fanclubs aus Bayern, ist auch klar.

SCHALKE UNSER:

Ein großer Teil der SFCV-Mitglieder ist aber eben nicht Mitglied beim S04.

FRANK ARNDT:

30.000 Mitglieder im Fanclub Verband sprechen auch eine deutliche Sprache. Die Supporters haben 1000 Mitglieder, die Ultras rund 400 Mitglieder – da ist die Gewaltenteilung offensichtlich. Als größte Fanorganisation finde ich das schon okay. Außerdem bin ich überzeugt davon, dass Heiner für alle sprechen kann.

SCHALKE UNSER:

Gibt es noch etwas, was ihr unbedingt loswerden wollt?

FRANK ARNDT:

Wir wollen wieder Frieden auf Schalke haben, dass endlich dieses „ihr“ und „wir“ aufhört. Aber ich denke, dass wir alle hier auf einem guten Weg sind. Der SFCV ist offen für alle und wird sich weitestgehend aus der Vereinspolitik heraushalten. Wir haben gemerkt, dass diese Themen nicht das Interesse der meisten Fanclubs ist. Wenn es sein muss, werden wir uns natürlich auch zu verschiedenen Themen äußern. Wir werden zukünftig aber erst einmal informieren, und unsere Mitglieder sollen sich ein Bild machen. Wir wollen dahin kommen, dass es wieder ein vernünftiges Miteinander gibt.

SCHALKE UNSER:

Dann auf ein gutes Miteinander. Danke für das Interview und Glückauf!

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