Mitglieder blicken auf die Videoleinwand der Mitgliederversammlung 2018

Mehr Lindenstraße als Tatort

(rk) Bei den Mitgliederversammlungen des FC Schalke 04 war man sich in den letzten Jahren nie so ganz sicher, ob man abends rechtzeitig zum Tatort zuhause ist. Diesmal war schon um 16 Uhr Schluss, manch einer schaffte es also sogar noch bequem zur Lindenstraße.

Es gab aber auch wirklich wenige Höhepunkte. Die Stimmung war ziemlich Friede, Freude, Eierkuchen, was sicher auch der sportlich erfolgreichen Vizemeisterschaft zu verdanken ist, von der vor einem Jahr noch kaum jemand zu träumen gewagt hätte. Die beantragten Satzungsänderungen gingen glatt durch.

Der einzige etwas kritisch gesehene Satzungsänderungsantrag wurde nicht wieder angestrebt. Er sah vor, dass amtierende Aufsichtsräte eine Direkt-Kandidatur erhalten, ohne erneut durch den Wahlausschuss geprüft zu werden. Der Aufsichtsrat hatte ihn nicht zugelassen und der Antragsteller brachte ihn nicht zur Aussprache.

Huub Stevens wurde in den Aufsichtsrat gewählt, aber er hätte vermutlich bei seiner Rede auch aus dem Telefonbuch vorlesen können und er wäre trotzdem gewählt worden. Neu im Aufsichtsrat ist ebenfalls Moritz Dörnemann, der mit seiner wirklich guten, besonnenen Rede punkten konnte. Auf Platz 3 landete der bis dahin amtierende Aufsichtsrat Thomas Wiese, auf Platz 4 die erste Kandidatin überhaupt bei einer Aufsichtsratswahl, Ilona Caroli.

Cover SCHALKE UNSER 95
SCHALKE UNSER 95

Auch die Wahl zum Wahlausschuss ging zügig über die Bühne. Es gab allerdings auch nur vier Kandidaten, im letzten Jahr waren es noch 23. Für vier Jahre wiedergewählt wurde Stefan Schorlemmer, neu gewählt wurde Dennis Elton Steckel, Vorstand vom Supportersclub und schon zu früheren Zeiten mal im Wahlausschuss vertreten. Beide überzeugten mit guten Reden.

Direkt nach den Wahlen stand der Bericht des Vorstands an, traditionell begonnen von Finanzvorstand Peter Peters. Und genauso traditionell sieht man dann erst einmal die Mitglieder scharenweise zur Toilette oder zum Rauchen nach draußen rennen. Es ist aber auch inhaltlich immer wieder überschaubar, was dort präsentiert wird. Immerhin konnte man diesmal erfahren, dass das Berger Feld („Tor auf Schalke“) fremdfinanziert werden soll. Das ist eine nettere Beschreibung für „neue Schulden machen“.

Trotzdem ist es tatsächlich immer wieder erstaunlich, dass Peter Peters es schafft, den Mitgliedern sogar die 12 Millionen Euro Verlust des letzten Geschäftsjahres als etwas Positives zu verkaufen. Und dass die Mitglieder das auch so ohne Kritik, ohne Murren hinnehmen. Dabei lohnt ein Blick in die Bilanzen, denn die Finanzen sind auch weiterhin echt auf Kante genäht, selbst wenn die Arena nun bald abbezahlt sein soll.

Alexander Jobst hat seine Rede dann schon knackiger vorgetragen. Zugegebenermaßen ist sein Thema dafür auch dankbarer: deutlich steigende Marketingeinnahmen und auch das China-Abenteuer scheint nun mit dem „Trainer-Verleih-Modell“ Geld in die Kassen zu bringen. Die Trikots des neuen Ausstatters Umbro durften nur angeteasert werden.

Alles in allem scheint es folgerichtig zu sein, dass Clemens Tönnies im Anschluss die Vertragsverlängerung mit Alex Jobst bis 2024 bekannt gab. Dafür gab es reichlich Applaus.
Christian Heidel hatte natürlich in diesem Jahr eine tolle Story. Nach dem Trainerfehlgriff in seinem ersten Jahr hat er nun einen Volltreffer gelandet. Vizemeisterschaft und Champions League-Teilnahme, das ist ein grandioser Erfolg. Und so konnte er zwar noch keine weiteren Neuverpflichtungen bekannt geben, aber zumindest Vertragsverlängerungen mit Fährmann und Nastasic.

Seine Bilanz wird geschmälert durch die vielen ablösefreien Abgänge. Dazu gehören zwar immer drei Parteien, aber hier sollte sich in Zukunft auch der ein oder andere Transfererlös mal in der Bilanz niederschlagen.

Nach dem Bericht des Aufsichtsrats folgte die allgemeine Aussprache. Das war wie so häufig eine Mischung aus berechtigter Kritik, interessanten Anregungen, unfreiwillig komischen Statements und peinlichem Slapstick. Vielleicht gehört das ja irgendwie dazu. Wie der Tatort zum Sonntag. Und die Lindenstraße.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert