Fisch, Sänger der Lokalmatadore, hält das SCHALKE UNSER hoch

„Wenn man an unsere Vernunft appelliert, kann das keine Früchte tragen“

(dol/im/rk) „Wir sind Schalker, keiner mag uns, scheißegal“ und „Ins Stadion geh’n, mit’m Pappbecher Bier, in der Nordkurve steh’n, dat is’ Schalke 04“ , das sind nur zwei ihrer Gassenhauer. SCHALKE UNSER sprach mit dem Sänger der Mülheimer Punkrock-Band „Die Lokalmatadore“ über „Fußball, Ficken, Alkohol“.

SCHALKE UNSER:
Zum SCHALKE UNSER und zur Fan-Ini habt ihr als Band „Die Lokalmatadore“ eine lange Verbindung. Schon 1999 seid ihr auf unserem Presseball in der Kaue aufgetreten.


FISCH:
Ja, natürlich, wir kennen uns schon lange. Damals hatte uns der ehemalige Vorsitzende der Fan-Ini, Bodo Berg, angesprochen. Aber so ganz genau kann ich mich daran auch nicht mehr erinnern, denn das fällt ja noch in die Zeit meines Alkoholkonsums. Bei der Eröffnung des ersten Fan-
Ladens in der Hansemannstraße haben wir jedenfalls gespielt.

SCHALKE UNSER:
Ein unvergesslicher Abend für uns als damaliges Publikum. Welche Verbindung hast du heute zu Schalke?

FISCH:
Blüm und Rommel, zwei andere Bandmitglieder, gehen regelmäßiger zu den Spielen als ich. Was aber auch daran liegt, dass ich neben den Lokalmatadoren noch drei weitere Musikprojekte habe. Ich bin musikalisch halt sehr viel am Wochenende unterwegs und die Dauerkarte habe ich tatsächlich vor zwei Jahren abgegeben. Aber so drei Mal pro Saison versuche ich, beim Heimspiel dabei zu sein.

SCHALKE UNSER:
Eure Lieder laufen bei jedem Spiel. Beim Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg lief während der Choreo euer Song „Schalke und der FCN“ in der Arena.

FISCH:
Wir wussten gar nichts davon. Ich habe es auch erst im Nachhinein erfahren, aber mich sehr darüber gefreut.

SCHALKE UNSER:
Ihr habt eine CD aufgenommen mit dem Titel „Alle unsere Schalke-Lieder“.


FISCH:
Die CD sollte zunächst eigentlich „Rocket to Borussia“ heißen – angelehnt an den dritten Ramones-Klassiker „Rocket to Russia“. Unser Label hat das mit dem berechtigten Einwand abgelehnt, dass die CD gefunden werden sollte, wenn man nach dem Schlagwort „Schalke“ sucht – und nicht nach “Borussia”. Im Untertitel heißt die CD weiterhin so.

SCHALKE UNSER:
Ihr habt zuletzt im Essener Club „Turock“ euer Jubiläum zum 36-jährigen Bestehen gefeiert. Wie lange wollt ihr noch weitermachen?


FISCH:
Vorgenommen haben wir uns überhaupt nichts, wir machen unser Ding so lange weiter, wie alle Bock darauf haben. Sobald einer in dieser Besetzung nicht mehr dabei ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass es noch irgendwie weitergeht. Auch zum 40-jährigen Bandbestehen gibt es noch keine Pläne. Das ist ja noch mehr als drei Jahre hin und ich habe in meinem Leben noch nie drei Jahre im Voraus geplant.

SCHALKE UNSER:
Bei euren legendären Platten und CDs „Pokalmatadore“ und „Heute ein König, morgen ein Arschloch“ gab es Einleger und Spuckis der Schalker Fan-Initiative „Schalker gegen Rassismus“. Hat das gewirkt?

FISCH:
Ja, zumindest der offensichtliche Rassismus tritt seit der Arbeit der Fan-Initiative und des SCHALKE UNSER in der Arena und in Schalker Fankreisen nicht mehr so zu Tage. Ich bin nicht so blauäugig, dass ich glaube, dass es den gar nicht mehr gibt.

SCHALKE UNSER:
Für Schalke und die Fan-Ini wart und seid ihr als Band jedenfalls ein ganz großer Segen. Eine Oi-Punk-Band, die sich gegen Rassismus ausspricht, hat so nicht jeder Verein vorzuweisen. In Fankreisen hört man häufig Stimmen wie „Politik und Fußball sollte man auseinanderhalten“.

Fisch, Sänger der Lokalmatadore, im Interview

FISCH:
Das ist Quatsch. Politik betrifft ja jeden Lebensbereich. Und Fußball ist ein gesellschaftliches Thema, das darf man eben nicht auseinanderhalten.

SCHALKE UNSER:
Bei euren Konzerten sind nicht nur Schalke-Fans zugegen, sondern auch andere Farben vertreten. Im Turock haben wir mit Fans von Wormatia Worms und VfL Bochum gesprochen und gefeiert, auch RWE-Fans waren dabei. Wenn ihr dann Schalke-Songs bringt, drehen die sich auch schon mal demonstrativ mit dem Rücken zu euch. Bekommt ihr so etwas mit?

FISCH:
Ja, das passiert natürlich. Und wenn die vorne im Pit stehen, den Mittelfinger zeigen oder sich umdrehen, bekomme ich das mit, weil ich viel mit dem Publikum kommuniziere. Da kann ich dann aber drüber lachen. Bei normalen Konzerten, wenn wir also nicht auf Schalker Grund spielen, dann stehen ja auch nicht ganz so viele Schalke-Lieder auf der Setlist.

SCHALKE UNSER:
Wir erinnern uns an den SCHALKE UNSER-Presseball in der Kaue, als dort auch RWE-Nazi-Hools in der Halle waren, die ordentlich Stress gemacht haben und von der Security vor die Tür befördert werden mussten. Ich muss zugeben, ich hatte anfangs ein ungutes Gefühl.

FISCH:
Damals hatten wir schon bisweilen Probleme mit Teilen des Publikums. Das ist heute wesentlich harmloser. Früher gab es mehr Aggressionen und es ist häufiger mal vorgekommen, dass diese Gestalten zu unseren Konzerten gekommen sind.

SCHALKE UNSER:
Hinzu kommt, dass bei euren Konzerten viel Alkohol im Spiel ist, was die Aggressivität zwischen Fangruppierungen nochmal fördert.

FISCH:
Ja, das ist sicher auch richtig. An größere Ausschreitungen kann ich mich aber tatsächlich nicht erinnern. Dass früher solche RWE-Nazi-Hools zu uns gekommen sind, war leider so. Nachdem wir euer Logo in der „Heute ein König“ ‘reingepackt und auch, „Wat will der Sack da, der mit dem steifen rechten Arm?“, veröffentlicht haben, hat sich das geändert. Ein damals dringend notwendiges Statement, aber danach waren die Fronten geklärt und es ist deutlich besser geworden.

SCHALKE UNSER:
Neben den Schalke-Songs sind eure Texte der weiteren Lieder sehr „schlüpfrig“. Manch einer sieht eure Texte als sexistisch an. Wir erinnern uns da an eine Saisonabschluss-Party des Schalker Fanclubverbands in der Emscher-Lippe-Halle. Die Blicke der Fans, die euch nicht kannten – unbezahlbar!

FISCH:
Primär sexistisch sind unsere Texte nicht, sondern obszön, sogar explizit obszön, das stimmt. Wir benutzen schon mal das eine oder andere Kraftwort, aber wir empfinden unsere Texte nicht als frauenfeindlich. Die Texte sind eben sarkastisch, dann ist das – wenn überhaupt – nur eine Parodie auf sexistische Klischees. Es sollte eigentlich auch sehr offensichtlich sein, dass wir das genau so meinen. Vielleicht gibt es zwei Lieder, bei denen diese Ironie nicht ganz so klar herauskommt und die ich in der Form auch nicht mehr aufnehmen würde.

SCHALKE UNSER:
Auf dem Cover der „Heute ein König“-CD habt ihr die Werbung von „König Pilsener“ gecovert, was nicht ohne Reaktion der Brauerei blieb.

FISCH:
Die haben uns von ihrer Rechtsabteilung ein Schreiben geschickt, wo sie meinten, wir hätten eine unerlaubte Parodie ihrer Werbung gemacht und sie würden an unsere Vernunft appellieren, dass wir das vom Markt nehmen mögen. Und wenn jemand an unsere Vernunft appelliert, dann ist klar, dass das keine Früchte tragen kann. Also musste das von uns ignoriert werden. Da ist aber auch nie wieder etwas hinterher gekommen und da das 1994 war, gehe ich davon aus, dass die Sache vom Tisch ist.

SCHALKE UNSER:
Das ist ja eigentlich eine Frechheit. Ihr macht Werbung für Köpi und die wollen, dass ihr die Platte vom Markt nehmt.

FISCH:
Wie gesagt, die eigentliche Frechheit war, dass sie an unsere Vernunft appelliert haben.

Cover SCHALKE UNSER 97
SCHALKE UNSER 97

SCHALKE UNSER:
Ja, der perfekte Widerspruch in sich selbst. Welche Musikprojekte hast du neben den Lokalmatadoren noch laufen?

FISCH:
Ich bin zwar Schalke-Fan, trage das auch nach außen, aber Priorität hat meine Musik. Musik hat für mich definitiv schon immer einen höheren Stellenwert gehabt als Fußball. Und wenn ich die Gelegenheit habe, ein geiles Konzert selbst zu spielen oder ein Fußballspiel zu gucken, dann verpasse ich eher das Spiel. Wenn ich kann, dann gehe ich ja auch zu den Spielen, klar. Und an Karten komme ich in der Regel inzwischen ganz gut.

Aber Musik bedeutet mir noch mehr. Neben den Lokalmatadoren trete ich noch im Duo „Fisch & Oldrik“ auf, mit der Country-Band „Freeway Cash“ und solo als „El Fisch“, früher auch noch mit der Rock ’n’ Roll-Band „The Swollen Legs“. Für die Lokalmatadore gibt es momentan noch keine neuen Songs in Planung. Wir sind da etwas schreib- und textfaul, treten lieber live auf. Auch von den anderen Lokalmatadore-Bandmitgliedern bin ich schon am meisten „bühnengeil“.

SCHALKE UNSER:
Ihr seid als Lokalmatadore nicht bei der GEMA angemeldet. Da wird „Schalke und der FCN“ im Stadion gespielt und ihr seht da keinen Pfennig von? Welche Hintergründe hat diese Entscheidung?

FISCH:
Wir sind nicht in der GEMA, weil wir alle unsere Jobs haben, ganz normal arbeiten und es von vornherein klar war, dass wir die Band nur als Hobby machen und dass das auch immer so bleiben sollte. Auch wenn wir von der GEMA vielleicht noch etwas Geld bekommen könnten, wollten wir mit diesem Verein eigentlich nichts zu tun haben. Nicht in dieser Form jedenfalls. Prinzipiell ist es ja gut, dass es eine Institution gibt, die Künstlerrechte vertritt. Aber wie die Gelder verteilt werden, wie kleine Clubs und Veranstalter kaputt gemacht und nur die Großen reich gemacht werden, da sind wir eigentlich schon ganz froh, dass wir mit denen nichts zu tun haben.

SCHALKE UNSER:
Aber ihr seid mit euren Songs inzwischen auch bei Streamingdiensten vertreten.

FISCH:
Ja, klar, ich weiß aber nicht, wieviel wir von denen kriegen. Ein Musikerkollege aus Düsseldorf hatte letztens mal auf Facebook ganz stolz geschrieben, dass er in der Jahresabrechnung von Spotify 12 Cent überwiesen bekommen hat. Läuft also bei ihm.

SCHALKE UNSER:
Das scheint ja auch ein Grund zu sein, warum die Konzerte inzwischen so teuer geworden sind.

FISCH:
Früher in den 70ern oder 80ern war es so, dass Konzerte veranstaltet wurden, um die Platten zu promoten, und die Künstler waren danach Plattenmillionäre. Mittlerweile werden Platten nur noch gemacht, um die Konzerte zu promoten, weil das Geld inzwischen nur noch über die Konzerte und Merchandise gemacht wird. Aber wie gesagt, wir machen das nur als Hobby und das erlaubt es uns eben, das Ganze so zu machen, wie wir es machen wollen. Wenn wir davon leben müssten, müssten wir wahrscheinlich so viele Kompromisse eingehen, dass wir das gar nicht mehr wollten. Wir müssten unsere ganzen Texte anpassen, damit wir radiotauglich werden. Dat geht gar nich.

Wir haben ja schon so manchen Kompromiss gemacht. Im letzten Jahr hat unsere Stammkneipe in Mülheim, die „Rathsstuben“ am Rathaus, ihr Jubiläum zum 50-jährigen Bestehen gefeiert. Wir haben da einen Überraschungsgig mit den Lokalmatadoren gemacht. Draußen, öffentlich, Samstag nachmittags, wenn auch Familien mit Kindern am Rathausplatz vorbeigehen. Da mussten wir uns natürlich auch etwas zurücknehmen.

Dafür ist unser Lokalpatriotismus wahrscheinlich nicht ernst genug und lässt sich auch nicht mainstreammäßig vermarkten. Das wird nicht funktionieren. Unseren Song „Mülheim / Ruhr“ kannste ja nicht zur Stadthymne machen, wenn „erigiert ist unser Glied“ darin vorkommt. Die erwarten dann eher so Lieder wie in Köln „Hey Kölle, du bes e jeföhl“, und da würde ich mich kategorisch weigern, so ein Gesülze zu singen. Außerdem gibt es da inzwischen schon andere Bands aus Mülheim wie „Sondaschule“, die uns in der Bekanntheit den Rang abgelaufen haben. Aber aus besagten Gründen ist uns Erfolg nicht so wichtig.

SCHALKE UNSER:
Womit wir schon mitten in der aktuellen Schalker Saison wären.

FISCH:
Na, auch wenn das irgendwo in den Köpfen drin ist, sollte Schalke damit nicht hausieren gehen; das hätte eine miese Außenwirkung. Klar, man geht nicht nur wegen toller Spiele auf Schalke, aber Spieler und Trainer selbst sollten so etwas nicht von sich geben. Auch wenn ich natürlich nicht Schalker geworden bin, weil die immer Erfolg haben. Deswegen ist man ja nicht Schalke-Fan geworden.

SCHALKE UNSER:
Weißt du noch, wie du Schalke-Fan geworden bist?

FISCH:
Ich bin irgendwann mal in der Jugend mitgeschleppt worden und dann war ich es einfach. Als Kind hatte ich noch gar nichts mit Fußball zu tun, das kam erst später. Aber die Zweitligazeit kenne ich natürlich. Wie das heute aufgenommen würde, wenn man absteigen würde, weiß ich nicht. Man wäre natürlich schon weiterhin Fan, weil man sich den Verein nicht einfach so aussucht. Der Verein sucht sich einen aus, nicht umgekehrt!Ich habe die These, dass es nur zwei Vereine in Deutschland gibt, die man sich als Erwachsener aussucht. Das sind Bayern und St. Pauli – aus unterschiedlichen Motiven. Bayern ist klar, wegen des Erfolgs, und St. Pauli als politisches Statement. Ich finde es zwar prima, dass es mit St. Pauli einen Verein gibt, der es geschafft hat, so ein Image zu haben, dass sich Nazis nicht mehr hintrauen, aber da sollte man doch darauf hinarbeiten, dass man das im eigenen Verein auch schafft. Sinnvoller jedenfalls als dahin zu wechseln, wo es schon so ist.

SCHALKE UNSER:
Vielen Dank für das Interview, Fisch. Alles Gute und Glückauf.

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