Diplom-Psychologin Franziska M. Lauter

Gegen den Hass im Netz

Online-Veranstaltung „Hate Speech“ mit Franziska Lauter

(axt) „Als Frau geht es um dein Gewicht, deine Möpse und die Fickbarkeit deines Alters.“ So fasste eine Betroffene ihre Erfahrungen mit Hasskommentaren im Internet zusammen. Die Diplom-Psychologin Franziska Lauter gab auf der Veranstaltung „Hate Speech“ des SCHALKE UNSER mit Unterstützung der Schalker Fan-Initiative e.V. guten Rat, wie man damit besser umgehen kann.

„Wichtig ist es, sich Unterstützung zu holen und zusammenzurücken“, riet die Psychologin. Man solle seine „Peer Group“ um sich versammeln. Dies gelte aber nicht nur für das persönliche Gespräch – Unterstützung sei auch der beste Umgang mit den Hasskommentaren an sich. „Loben Sie hilfreiche, sachliche Kommentare, finden Sie Unterstützer, die Ihre Kommentare liken oder positiv kommentieren“, empfahl Lauter. Und vor allem: „Erst einmal tief durchatmen, bevor Sie reagieren.“

Franziska M. Lauter
Franziska Lauter ist Jahrgang 1979, wurde in Berlin geboren und ist seit 15 Jahren als Diplom-Psychologin tätig. Sie beschäftigt sich unter anderem mit Hate Speech, hält Vorträge zum Themenkomplex „Mentale Gesundheit, Stress- und Krisenbewältigung“ und berät Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen und Shitstorms ausgesetzt sind. Zudem ist sie Gründungsmitglied des MiM-Verbandes, der sich für die Förderung der mentalen Gesundheit in der Musik- und Kreativbranche einsetzt.

Es bringe wenig, in der gleichen Tonalität zu reagieren: „Den Autoren von Hasskommentaren geht es darum, Aufmerksamkeit zu erregen. Diese hoffen, dass Sie sich erkennbar aufregen.“ Diese Genugtuung solle man ihnen nicht geben. „Wenn Sie nicht in der erhofften Weise reagieren, verlieren sie meist sehr schnell die Lust.“

Die Diplom-Psychologin erläuterte anhand von Beispielen auf Schalker Facebook-Seiten, wie Menschen agieren, die Unruhe stiften wollen – und warum sie so handeln, wie sie handeln. Trolle sind in der Szene eher isoliert und verfolgen keine politischen Ziele. Ihr Antrieb sind Langeweile, die Suche nach Aufmerksamkeit und die Aufwertung des eigenen Selbstwertgefühls. „Man sollte ihnen einfach nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken.“

Doch diese Gruppe überlappt sich oft mit denen, die Hasskommentare und Bilder als Waffe einsetzen, um bewusst anderen zu schaden und sie zu verletzen. Die Kommentare sind oft rassistisch, antisemitisch oder sexistisch. Eine Umfrage des Europarats hat gezeigt, dass ihre Opfer vor allem aus der LGBTIQ-Community kommen, gefolgt von Muslimen und Frauen – oder Menschen, die allen oder mehreren dieser Gruppen angehören. Die Grundlagen dafür werden in der Kindheit gelegt – dem könne man nicht durch ein paar kurze Sätze in einem Kommentar oder Tweet begegnen. „Hass ist für Gruppen auch etwas Identitätsstiftendes, machen Sie sich das bewusst!“

Die Chance, für Hasskommentare Anerkennung aus Gruppen zu bekommen, werde von diesen Menschen als hoch eingeschätzt. Wer hasst am lustigsten? Das wird als Belohnung empfunden. Es fehlt die Feedbackschleife durch Gestik und Mimik. Begünstigt wird dieses Verhalten durch die Netzwerk-Algorithmen, die emotionale Auseinandersetzungen noch höher bewerten; auch deshalb sollte man Gegenkommentare selbst liken. Und durch die Anonymität – man geht davon aus, „ungestraft“ davon zu kommen, selbst dann, wenn die Inhalte strafrechtlich relevant wären.

Strafrechtlich relevant oder nicht? In Frage kommen Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, Bedrohung und Volksverhetzung. Wer sich unsicher ist, findet auch Hilfe im Netz: www.internet-beschwerdestelle.de oder www.hass-im-netz.info. Hier prüfen Juristen den Sachverhalt. Für eine Beurteilung sollte man aber nicht nur einen Screenshot des Kommentars an sich machen, sondern auch den Kontext und durchaus auch Datum und Uhrzeit screenshoten.

Strafrechtlich relevante Fälle sollte man bei (Online-)Polizeiwachen anzeigen. Bei den Netzwerken selbst bringe dies oft wenig. Weil aber auch Meldungen bei den Ermittlungsbehörden Zeit benötigen, schadet es nicht, sich selbst gegen den Post zu positionieren, ohne sich dabei selbst in Gefahr zu bringen: Das eigene Profil sollte man schützen, so dass andere möglichst wenig sehen können.

Man sollte sachlich bleiben, aber nicht schweigen. Den Hater wird man kaum erreichen, aber die schweigenden Mitleser. Deshalb:

  • Erst einmal tief durchatmen, nicht sofort reagieren, sondern sich Gedanken machen: Was möchte derjenige erreichen – und was will ich selbst mit der Antwort bewirken? Insofern: Gelassen reagieren.
  • Ein kurzer, sachlicher Verweis auf die Netiquette geht immer.
  • Die Entgegnung sollte knapp, aber gut formuliert sein.
  • Den Rückhalt der Community pflegen: Lobs und Likes verteilen.
  • Man kann durchaus den Verfasser fragen, ob ihm bewusst ist, dass dies zur Anzeige gebracht werden kann – das ist besser, als mit einer Anzeige zu „drohen“. Viele werden dann schon ruhiger.
  • Respektvoll bleiben, denn viele legen es auf unbedachte und wütende Repliken an.
  • Maximal vier gute Argumente austauschen, denn dann hat sich in der Regel alles schon entschieden und man kann sich freundlich aus der Debatte verabschieden.

Sollte jemand auf einem diskriminierenden Vorurteil beharren, kann man antworten: „Interessant – aber ich habe diese Zahlen“. Oft, das haben die Teilnehmenden in der Veranstaltung berichtet, benötige man kaum drei Minuten, um eine zuverlässige, seriöse Quelle zu finden. Beim berühmten „das ist doch kein Rassismus“ sollte man Position beziehen: „Doch, das denke ich definitiv, dass das rassistisch ist.“ Auch das häufig geäußerte Argument, es gebe doch die “freie Meinungsäußerung“ verdient eine klare Antwort: „Rassismus ist keine Meinung, es ist Rassismus!“ Auch Fake-Accounts könne man gerne aufdecken, wenn man den Eindruck hat, dass hier jemand unter verschiedenen Profilen agiert.

Wo kann ich mich hinwenden?
No Hate Speech (dort gibt es auch einen Leitfaden gegen Hate Speech)
Amadeu-Antonio-Stiftung
Help Desk
Hate Aid, Beratungsstelle bei digitaler Gewalt

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