„Leck mich doch am Arsch, der von Big Brother spielt auch mit.“

(bob/serc) Polnische Wochen auf Schalke: Tomasz Hajto und Tomasz Waldoch haben sich etabliert. SCHALKE UNSER sprach mit ihnen über Freunde, Arenen und den kleinen Grenzverkehr.

Cover SCHALKE UNSER 31
SCHALKE UNSER 31

SCHALKE UNSER:
Wir haben vor kurzem in der polnischen Presse gelesen, dass Schalke für euch ein Traumverein sei.

Tomasz Hajto:
Ich habe nie wortwörtlich Traumverein gesagt. Natürlich hat jeder bei uns „ran“ geguckt, und da sagte ich mir, irgendwann mal gehe ich zu Schalke, denn das ist mein Verein. Das war mein Wunsch, aber ich hätte nie gedacht, dass ich mir diesen Wunsch erfüllen kann. Zunächst bin ich ja nach Duisburg gegangen, da ist es nicht mehr weit nach Schalke. Nur ein paar Kilometer, „das schaffst du noch“, sagte ich mir.

SCHALKE UNSER:
Was macht den Reiz auf Schalke aus?

Tomasz Waldoch:
Ich denke, dass man die Leute hier im Ruhrgebiet mit den Menschen in Polen vergleichen kann. Momentan ist das vielleicht manchmal nicht mehr so, aber in der Vergangenheit haben doch noch viele auf der Zeche gearbeitet. Das ist ein Arbeiterverein, und deswegen denke ich, dass viele dazu stehen. Sie identifizieren sich mit diesem Verein.

SCHALKE UNSER:
Im neuen Jahrbuch schreibt ihr, dass die Schalker Fans die besten sind.

Tomasz Hajto:
Es ist so in Deutschland, dass viele Leute sagen, ich bin ein Fan von Bayern München, sie schauen nur auf den Erfolg, sie identifizieren sich nicht mit dem Verein, der Mannschaft oder den Spielern. Hier dagegen ist das anders. Vor drei Jahren lief es nicht so gut, aber die Leute identifizierten sich trotzdem mit Schalke, sie waren zwar ein bisschen sauer, aber sie standen zu der Mannschaft. Viele Zuschauer der Bayern oder von Dortmund identifizieren sich nur mit dem großen Verein, mit dem großen Namen. Aber nur dann, wenn diese Vereine erfolgreich sind. Und angenommen, der Erfolg bei den Bayern bleibt mal aus, ist die Verbundenheit zum Verein viel kleiner. Sie wissen meistens nicht genau, warum sie Fans von Dortmund oder Bayern sind, sie identifizieren sich ganz einfach nur über den Erfolg mit ihrem Verein. Da ist ein großer Unterschied, Schalke ist schon anders.

SCHALKE UNSER:
Tomasz Waldoch, dadurch, dass du den DFB-Pokal hochgehalten hast, bist du historisch unsterblich.

Tomasz Waldoch:
Es war so, dass ich nicht spielen konnte, der Trainer aber vor dem Finale zu mir sagte, wenn wir den Pokal gewinnen, gehst du runter und nimmst ihn vom DFB-Präsidenten entgegen.

SCHALKE UNSER:
Kennt er dich mittlerweile?

Tomasz Waldoch:
Jetzt wahrscheinlich ein bisschen, denke ich. Aber den Pokal hoch zu halten, das hat mir schon sehr viel bedeutet. Jetzt ist es so, dass ich natürlich in sehr vielen Zeitungen, auf Plakaten mit dem Teller…

Tomasz Hajto:
(lacht) Der Teller, der Teller, das war ein großer Wunsch von dir.

Tomasz Waldoch:
… mit dem Pokal abgebildet bin.

SCHALKE UNSER:
Tomek Hajto, wir haben mitbekommen, dass du in der polnischen Sendung von Big Brother warst. Ihr habt dort das Spiel Polen gegen Norwegen nachgespielt. Wie war das?

Tomasz Hajto:
Wir haben eine Einladung bekommen, dort mitzumachen, die Sendung wurde täglich von sieben bis acht Millionen Menschen verfolgt. Ich war sechs Stunden im Haus, zusammen mit Tomasz Iwan, Piotr Swierczewski und Jurek Dudek von Feyenoord Rotterdam. Es hat richtig Spaß gemacht, wobei die komischste Geschichte erst hinterher passierte, vor dem Länderspiel Polen gegen Schottland. Beim Gang von der Kabine auf das Spielfeld vor dem Spiel stand da eine Oma, eine Putzfrau. Sie guckte mich an und sagte: „Leck mich doch am Arsch, der von Big Brother spielt auch mit.“ Ich habe mich vor Lachen nicht mehr eingekriegt. Ich wollte ihr noch irgendetwas antworten, aber in dem Moment konnte ich nur lachen.

Ich bin vielleicht in Polen nicht so bekannt wie der Olisadebe, aber die Leute kennen mich dort schon. Vor lauter Lachen konnte ich mich die ersten zehn Minuten überhaupt nicht auf das Spiel konzentrieren, ich hatte diesen Spruch die ganze Zeit im Kopf, so gelacht habe ich schon lange nicht mehr. Was Big Brother betrifft, könnte ich persönlich nie da rein gehen. Die Leute, die im Big Brother Haus sind, wollen berühmt werden, es ist ja mit die populärste Sendung in Polen. Aber zwölf Leute mit verschiedenen Charakteren und Eigenschaften in diesem Haus, das ist für mich wie ein Zoo. Kurz rein gehen, bisschen Spaß haben, Fußball spielen, das ist in Ordnung, mehr aber nicht.

SCHALKE UNSER:
Wie seht ihr das, sind Mannschaftsgefüge, Teamgeist, Unterstützung innerhalb der Mannschaft wichtig, oder besteht der Profi-Fußball nur noch aus Individualisten?

Tomasz Waldoch:
Nein, ich bin zwar Mannschaftskapitän, bin ja auch stolz darauf, aber wir haben einige erfahrene Leute im Kader, die viel erreicht haben. Trotzdem sind alle in der Mannschaft gleich: Ob das Olaf Thon, Tomasz Hajto oder Sergio Pinto ist, das ist egal. Man muss ein Team bilden und zusammenhalten, was uns in der letzten Saison gut gelungen ist, als wir schönen, offensiven Fussball gespielt haben. Natürlich hat jeder seine Probleme, aber wir treffen uns nicht nur auf dem Platz, sondern auch privat mit unseren Frauen, und das ist für den Erfolg sehr wichtig. Du merkst sofort, wenn einer Probleme hat, und wir versuchen, uns da gegenseitig zu helfen. Gerade für viele neue Spieler, die dazu stoßen, ist es nicht einfach, sich in der neuen Umgebung mit fremder Sprache zurecht zu finden. Um erfolgreich zu sein, brauchst du einfach ein eingespieltes Team, nicht nur auf dem Rasen.

SCHALKE UNSER:
Interessiert ihr euch noch für den polnischen Fußball?

Tomasz Waldoch:
Klar, wir telefonieren mit Freunden in Polen, schauen auch selber zu. Das Problem ist, dass sich die polnische Liga verändert hat, ich kenne viele Spieler nicht, die zur Zeit dort spielen, ich spiele ja seit 1994 in Deutschland. Natürlich interessiert es mich nach wie vor, wie Gornik Zabrze spielt.

Tomasz Hajto:
Man kennt sich auch aus der Nationalmannschaft, ansonsten kenne ich beispielsweise von Legia Warschau nur zwei Spieler. Aber du kannst im Internet die neuesten Fussballnachrichten aus Polen aufrufen, obwohl ich lange glaubte, dass ich den Umgang mit Computern nie lernen werde.

SCHALKE UNSER:
Wie seht ihr die Kommerzialisierung des Fußballs in Deutschland und in Polen?

Tomasz Waldoch:
In Polen gibt es verschlüsselte Programme, wie Wizja Sport, Polsat Sport, Canal Plus, da musst du zwischen 50 und 90 Zloty im Monat bezahlen (ca. 25 bis 45 Mark, Anm. d. Red.).

Tomasz Hajto:
Canal Plus hat die Rechte für die erste polnische Liga gekauft, dadurch kannst du die Tore bei anderen Sendern nicht sehen. Wiederholungen gibt es im ersten polnischen Fernsehen, aber erst drei Stunden später.

Tomasz Waldoch:
So etwas wie „ran“ oder das „Aktuelle Sportstudio“ gibt es in Polen nicht.

Tomasz Hajto:
Polen entwickelt sich jetzt sehr rasch, will auch in die EU, versucht alle Bedingungen dafür zu erfüllen und wenn ich jetzt nach Polen fahre, merke ich keine so großen Unterschiede mehr. Polen ist mein Land, wenn du nach Krakau fährst, dann meinst du, du wärst in Rom. Leider läuft vieles im polnischen Fussball verkehrt, so wird der Spielmodus ständig geändert. In Deutschland wird professioneller gearbeitet, auch was den Umgang der Vereine mit den Spielern anbetrifft. Hier werden Profis mit 28 oder 30 Jahren als erfahrene Leute eingestuft, die das Bild einer Mannschaft prägen. In Polen dagegen werden sie aufs Abstellgleis gestellt, man nimmt lieber einen jungen Kerl, der schnell fünf Tore macht, um ihn dann zu verkaufen. Es gibt in Polen drei Mannschaften, die wirklich professionell arbeiten, die für polnische Verhältnisse gutes Geld und pünktlich zahlen. Es kann doch nicht sein, dass sich ein Sponsor wie neulich bei Pogon Szczecin engagiert, nach vier Monaten aussteigt und der Verein dadurch fast zur Grunde geht.

SCHALKE UNSER:

Hast du selbst Erfahrungen damit gemacht?

Tomasz Hajto:
Ich habe das selber schon bei Gornik Zabrze erlebt, habe auch mal sechs Monate auf mein Gehalt gewartet. Darüber hinaus gibt es Bestechungsvorwürfe seitens der Medien, die nicht belegt sind. Ein Beispiel: Am vorletzten Spieltag der letzten Saison spielte Legia Warschau gegen Breslau. Die Breslauer brauchten Punkte, um nicht abzusteigen, Legia war ziemlich weit oben in der Tabelle, das Spiel endete 1:1. Die erste Überschrift, die ich im Internet gelesen habe, lautete: „Lief denn wirklich alles mit rechten Dingen ab?“

Die Journalisten haben keine Beweise, streuen aber Gerüchte in die Welt. Die Spieler haben zum Teil Angst, sie werden von den eigenen Fans verfolgt und bedroht. Der Verband müsste da härter durchgreifen, die Gerüchte untersuchen, und falls sie zutreffen, sollten sie die betreffende Mannschaft oder den Spieler für fünf Jahre sperren. In Deutschland habe ich von solchen Zuständen nichts gehört, beim Spiel Kaiserslautern gegen Frankfurt, als Frankfurt 5:1 gewann und sich am letzten Spieltag rettete. Man hat dieses Ergebnis aber nie in Frage gestellt, nie darüber spekuliert, ob das abgekartet war. Man hat einfach Respekt davor, jeder weiß, dass das Profis sind, die Strafen in einem solchen Fall wären sehr schmerzhaft. In Polen muss die ganze Entwicklung im Fußball in diese Richtung gehen.

SCHALKE UNSER:
Wie haltet ihr das hier eigentlich aus, ohne dieses wunderschöne Straßenbild der polnischen Frauen?

Tomasz Hajto:
Wir haben doch polnische Frauen.

Tomasz Waldoch:
Wir sind verheiratet, kein Thema.

SCHALKE UNSER:
Manch einer aber guckt doch gerne.

Tomasz Hajto:
Ich bin gesund, ich muss gucken, meine Frau weiß das. Aber dabei bleibt es auch. Keine Frage, ich gucke gerne, ich darf gucken. Ich frage dann meine Frau, ob sie sauer ist, sie meint nein.

SCHALKE UNSER:
Wie sieht eure Prognose für die neue Saison aus?

Tomasz Waldoch:
Wir werden mit Sicherheit nichts anderes sagen als vor der letzten Saison. Es ist ganz wichtig für uns, dass wir gut starten. Letzte Saison haben wir sehr gut angefangen, haben sehr viel Selbstvertrauen getankt. Wir müssen einfach abwarten, haben eine sehr gute Mannschaft, das Minimalziel ist der UEFA-Cup, dann schauen wir weiter.

SCHALKE UNSER:
Meint ihr, dass das neue Stadion einen positiven Schub mit sich bringt?

Tomasz Waldoch:
Natürlich, aber wir haben in der Arena noch nicht gespielt. Es ist zwar das schönste Stadion in Deutschland, und klar hoffe ich, dass das Stadion für einen Schub sorgen wird. Ich kann aber nicht voraussagen und behaupten, die Arena bringt uns sechs, sieben oder neun Punkte pro Saison mehr. Natürlich sind wir froh, so ein Stadion zu haben, aber man muss einfach abwarten, was es uns bringen wird.

SCHALKE UNSER:
Habt ihr euch eigentlich schon Gedanken darüber gemacht, nach der Karriere in Deutschland zu bleiben?

Tomasz Waldoch:
Ich kann mir das vorstellen. Als ich nach Deutschland kam, war das sehr schwierig für mich: Keine Freunde, ich habe kein Wort Deutsch gesprochen, meine Familie war nicht da, damals wollte ich zurück. Jetzt haben wir viele Freunde, nicht nur Polen, ich fühle mich wohl hier. Ich muss auch an meine Kinder denken, mein Sohn geht in die Schule, meine Tochter noch in den Kindergarten, die wachsen hier mit einer anderen Mentalität auf, sie fühlen sich hier zuhause.

Tomasz Hajto:
Für mich gilt eigentlich das gleiche, ich habe auch viele Freunde hier, wobei der Hauptgrund, in Deutschland zu bleiben, mein Sohn wäre, der hier zur Schule geht.

Tomasz Waldoch:
Genau, die Kinder sind der Hauptgrund dafür. Im Moment mache ich mir aber darüber sowieso keine Gedanken.

SCHALKE UNSER:
Danke für das Interview und Glückauf.