Edi Frühwirth

(rk) Nachdem wir in der letzten Ausgabe des SCHALKE UNSER unsere Serie der schönsten Skandale des FC Schalke 04 (zunächst) abgeschlossen und als Buch „Die Spitze des Eichbergs“ veröffentlicht haben, widmen wir uns nun aus gegebenem Anlass in unserer neuen Serie den schönsten Trainerrausschmissen des FC Schalke 04. Starten möchten wir unsere Reihe mit dem letzten Schalker Meistertrainer Edi Frühwirth.

Zeitungsartikel

Eduard „Edi“ Frühwirth, geboren am 17. November 1908 in Wien, verwirklichte als Spieler, anders als danach auf der Trainerbank, nur bescheidene Ziele. Er begann beim Erstligisten Rapid Wien; für die Hütteldorfer absolvierte er nur ein einziges Spiel als „Läufer“ am 11. Dezember 1927 gegen den Wiener Sportclub, welches die Grün-Weißen 5:2 gewinnen konnten. In der Folgezeit spielte er in den Jahren 1930 und 1931 beim Wiener AC, anschließend bis 1934 bei FS Elektra Wien sowie in den Jahren 1934 bis 1936 bei FC Libertas Wien, ohne größere Erfolge zu feiern. Im Jahre 1936 wechselt Edi Frühwirth schließlich zum Floridsdorfer AC, wo er nach seiner letzten Saison als Spieler 1940 seine Trainer-Karriere begann.

Edi Frühwirth verdiente sich als Trainer den Beinamen „Der Preuße aus Wien“ – eine Auszeichnung für seine akribische Arbeitsweise. Er arbeitete als einer der ersten in Österreich genaue Tagestrainingspläne aus. Als er später Trainer der Wiener Austria geworden war, drückte er jedem Spieler einen Zettel mit genauen Anweisungen in die Hand. Frühwirth wurde ob dieser Praktiken oft belächelt, der Erfolg gab ihm jedoch Recht. Er galt als Verfechter genauer Deckungsarbeit, raumgreifender Spielweise und vor allem großen konditionellen Einsatzes.

Er war als Trainer so etwas wie ein „Revoluzzer“ in Fußball-Österreich und sagte der auf die totale Offensive ausgerichteten „Wiener Schule“ schon nach Kriegsende ihren Untergang voraus – eine Anschauungsweise, für die er in den späten 1940er Jahren in Österreich von seinen Trainerkollegen gescholten wurde.

Als er 1952 bei seinem Verein SC Wacker Wien, den er von 1947 bis 1954 trainierte, erstmals auf das WM-System umstellte und zwei Flügelstürmer zu Verteidigern umfunktionierte, wurde er in Österreich als Totengräber des Fußballs und speziell der „Wiener Schule“ bezeichnet. Der Verzicht auf einen offensiven Mittelläufer zu Gunsten eines defensiven Stoppers, und damit den Mittelpunkt der Defensive, fiel den alten Anhängern des aus den 1920er Jahren stammenden „Scheiberlspiels“ sehr schwer.

Da er bereits im Jahre 1948 sechs Monate für den ÖFB tätig war, trug man ihm zusammen mit Hans Pesser und Josef Molzer für die Dauer der Fußball-Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz die Co-Trainer-Stelle zur Unterstützung des österreichischen Nationaltrainers Walter Nausch an. Das Erreichen des dritten Platzes der Elf gegen den Titelverteidiger Uruguay wurde auch im Lande des neuen Weltmeisters registriert: Edi Frühwirth wurde zur Saison 1954/55 als Nachfolger von Fritz Szepan Trainer der Königsblauen in der Oberliga West.

Schon in seiner ersten Saison zog Schalke unter Frühwirth in das DFB-Pokalfinale am 21. Mai 1955 in Braunschweig gegen den Karlsruher SC ein. Schalke verlor 2:3 vor 25.000 Zuschauern, „Catcher“ Sadlowski erzielte beide Tore. In der Oberliga landeten die Knappen auf Platz fünf.

In seiner zweiten Saison 1955/56 qualifizierte er sich mit Königsblau für die Endrunde. Nur wegen des schlechteren Torverhältnisses erreichte Schalke 04 nicht das Endspiel. Auch in der dritten Saison gehörten die Knappen zur Spitze im Westen. Die gelungene Heranführung der Spieler Borutta, Siebert, Koslowski, Karnhof, Kördell, Kreuz und Soya in die Stammformation sollte sich dann im vierten Jahr seiner akribischen Trainertätigkeit entscheidend auszahlen.

Mit Psychotricks zur Meisterschaft

Zuerst gelang der Titelgewinn in der Oberliga West in der Runde 1957/58. In der Endrunde distanzierte die Truppe um Bernhard Klodt mit 16:1 Toren und 6:0 Punkten die Konkurrenz aus Braunschweig, Berlin (TeBe) und Karlsruhe. Auch im Finale der Deutschen Fußball-Meisterschaft am 18. Mai 1958 in Hannover konnte der Hamburger SV die Frühwirth-Schützlinge nicht aufhalten. Mit 3:0 Toren wurde souverän die Meisterschaft erobert.

„Berni“ Klodt, der pfeilschnelle und trickreiche Außenstürmer, war an diesem Tage der Wegbereiter des klaren Schalker Erfolges. „Wir hatten lange gebraucht, bis wir wieder eine Spitzenmannschaft besaßen“, erklärte Berni Klodt. „Gegen die Hamburger lief alles wie am Schnürchen. Unsere Mannschaft war mit 22,5 Jahren im Schnitt noch sehr jung. Aber sie war auch sehr hart, konnte richtig hinlangen. Das war sicherlich nicht mehr der Stil der alten Schalker Meisterelf, unsere Stärken lagen auf anderem Gebiet“.

Das „Kreiseln“, das Verspieltsein in höchster Vollendung, davon hatte sich die Schalker-Mannschaft unter Trainer Frühwirth klar entfernt. Nüchterner Zweckfußball, auf der Grundlage genauer Deckungsarbeit und einer soliden konditionellen Basis, war jetzt angesagt und führte auch zum Erfolg. Aber das war nicht das Wesentliche an der Arbeit von Frühwirth in Schalke.

Harald Landefeld berichtet in seinem Buch über die Oberliga West (1993) über den Arbeitsstil des Wieners folgendermaßen: „Frühwirths Erfolge erwuchsen ebenso aus seiner menschlichen Wärme wie aus seinem fußballsportlichen Können. Er war der Erste, den ich kennen lernte, der die erst viel später in Mode gekommenen Gespräche mit seinen Spielern geführt hat. Er packte sich seine Jungs, unterhielt sich mit ihnen, gar nicht mal über Fußball, vielmehr über private Dinge. Er fragte und forschte mit psychologischem Geschick. Hinzu kam, dass er daran ging, sich als Trainer der Vertragsspieler auch selbst um die 18­Jährigen der A-Jugend zu kümmern und dort die Talente zu übernehmen. Heute alles selbstverständlich, damals jedoch revolutionär! So gingen die Spieler denn bald für den Mann, der ihre Sorgen so gut verstand, durchs Feuer.“

Lange genug Wiener Schnitzel gefressen

Nach dem Gewinn der Meisterschaft lief es aber nicht wie gewünscht weiter. Verletzungen (Helmut Laszig, Helmut Sadlowski), Abgänge (Hans Krämer) und die Integration von Neulingen (Hans Nowak, Heinz Hornig, Manfred Berz, Karl Loweg) konnte der Trainer nicht reibungslos auffangen, in der Oberliga musste man sich mit dem 11. Platz begnügen.

Das war den Alt-Schalkern zu wenig. Da konnte auch nicht die gute Leistung im Europa-Cup gegen KB Kopenhagen, Wolverhampton Wanderers (mit dem berühmten Rekordnationalspieler Billy Wright) und Atletico Madrid die Gemüter am Schalker Markt beruhigen.

Cover SCHALKE UNSER 49
SCHALKE UNSER 49

Sag beim Abschied leise Servus

Die Trennung war schon verblüffend, denn die Schalker befanden sich wahrlich nicht in schlechter Verfassung. Die WAZ veröffentlichte als erste die Meldung, dass Schalke 04 Frühwirths Vertrag nach dem Ende der Saison nicht erneuern wird. Der Verein hatte diese Meldung nicht dementiert. Durch die Form der Veröffentlichung fühlte sich Edi Frühwirth brüskiert, was wiederum die Vereinsoberen nicht amüsierte. Alles also schon mal dagewesen, mag man denken, wenn man den Fall Ralf Rangnick betrachtet.

Tatsache war, dass der erste Vorsitzende des FC Schalke 04, Dr. Georg König, am 5. Januar eine Unterredung mit Trainer Frühwirth hatte, in der er ihm ein Vertragsangebot als Diskussionsgrundlage für einen neuen Zweijahresvertrag anbot. Es war kein Geheimnis, dass Frühwirth kein „biliger“ Trainer war. Das neue Angebot sah eine wesentliche Kürzung seiner Bezüge vor. Edi Frühwirth bat um eine Bedenkzeit von einer Woche, um sich die Angelegenheit zu überlegen.

Dr. König hatte daraufhin mehrfach Edi Frühwirth kontaktiert, der aber äußerte sich vier Wochen lang nicht. Dann traten Schalker Vorstand und Ältestenrat zu einer Sitzung zusammen. Man kam überein, den Vertrag mit Frühwirth nicht zu verlängern, aber mit dem Trainer „in Freundschaft“ auseinander zu gehen.

Dr. König sollte Frühwirth innerhalb einer Woche über die Entscheidung unterrichten. Erst nach einer Woche, nachdem alle Dinge geregelt waren, wollte man die Presse informieren. Jeder der zwölf Sitzungsteilnehmer verpflichtete sich bis zu diesem Zeitpunkt zu größtem Stillschweigen.

Einer aber brach sein Wort. Ein Journalist wurde informiert, der nur seiner Berufspflicht nachkam und die Meldung von Frühwirths Vertragskündigung seiner Zeitung gab. Ein Maulwurf im Vorstand? Hatte jemand Interesse an diesem Ablauf der Dinge?

Alle Welt aber fragte sich weiter, warum die Entlassung gerade zu diesem Zeitpunkt erfolgen musste, wo sich Schalke noch Hoffnungen auf den zweiten Platz in der Meisterschaft der Oberliga West und auf die Erringung des Europatitels machen konnte. Die Antwort aus Schalker Vorstandskreisen lautete: „Wenn wir einen neuen Trainer verpflichten wollen – und wir sind der Meinung, dass das nach fünf Jahren erforderlich ist – so müssen wir das jetzt und nicht erst am Ende der Spielzeit tun. Dann sind alle prominenten Trainer unter Vertrag und wir haben das Nachsehen.“ Auch das kommt einem irgendwie bekannt vor.

Edi Frühwirth konnte das alles nicht wirklich nachvollziehen, hatte er doch wirklich bislang bravouröse Arbeit geleistet: „Alles schön und gut, aber so geht man nicht auseinander“, so sein Fazit. Als Nachfolger holten die Verantwortlichen den Ungarn Nandor Lengyel an den Schalker Markt, der die Mannschaft zunächst mit seinen neuen Trainingsmethoden begeisterte, anschließend aber wohl an seiner „zu weichen“ Art scheiterte.

Erfolge in der Heimat

In der Saison 1959/60 setzte Frühwirth seine Trainerarbeit beim Karlsruher SC fort, bevor er anschließend wieder nach Wien zuückkehrte: Die Austria verpflichtete den ehemaligen Rapid-Spieler 1962 als neuen Trainer. Tatsächlich konnte er die Erwartungen sofort erfüllen. Austria Wien gewann 1963 die Meisterschaft und den Pokal.

Nach den zweiten Plätzen 1964 nahm er das Angebot des Verbandes an und wurde vom 20. November 1964 bis zum 13. Januar 1967 Trainer der österreichischen Nationalmannschaft. Mit der ÖFB-Auswahl erlebte er aber in der Qualifikation zur Fußball-Weltmeisterschaft 1966 in England ein Desaster. In der Europa-Gruppe 6 hatte Österreich sich mit Ungarn und der DDR auseinanderzusetzen. Nach vier Spielen hatte das Austria-Team 1:6 Tore und 1:7 Punkte auf seinem Konto und war damit Tabellenletzter. Von einer Teilnahme bei der Weltmeisterschaft konnte keine Rede mehr sein. Damit war auch die Mission von Trainer Frühwirth gescheitert.

Berücksichtigen muss man aber die eklatante Schwäche der österreichischen Vereine in diesen Jahren. In den Europa-Cup-Wettbewerben war von 1963 bis 1966 jeweils spätestens in Runde zwei Endstation – einerlei, ob das Austria, Rapid, Admira, Linzer ASK, Grazer AK oder Wiener Neustadt war.

Von 1967 bis 1969 trainierte Frühwirth nochmals in Deutschland. Er übernahm Viktoria Köln in der Regionalliga West. Spitzenplätze erreichte er nicht, aber eine Aussage des ehemaligen Spielers und späteren Präsidenten des Nachfolgevereins Preußen Köln, Winnie Pütz, über seine Person ist bezeichnend: „Ein absoluter Ober-Psychologe, der junge Leute unheimlich gut motivieren konnte. Das war der Trainer, für den ich ab Donnerstag neun Uhr im Bett lag.“

Am 27. Februar 1973 ereilte Edi Frühwirth ein trauriges Schicksal. Im Schneetreiben auf der Autobahn zwischen München und Salzburg prallte sein Auto auf einen abgestellten Lastkraftwagen. Edi Frühwirth war auf der Stelle tot.