Rudi Assauer im Kreis seiner Familie

,,Immer laufen lassen”

(rk/ek) Eigentlich wollten wir ,,nur” ein Interview mit Rudi Assauer über seine neue Biographie machen. Diese war vom Verlag bereits angekündigt und so fragten wir freundlich bei seinem Büro an. Klar könne man sich in Kürze treffen, hieß es, allerdings wäre aktuell noch sehr viel für die Veröffentlichung der Biographie zu tun. Wir verabredeten uns für zwei bis drei Wochen später. Doch schon zwei Tage später platzte die große Bombe. Rudi hat Alzheimer. Unser erster Gedanke: Ach, Du Scheiße! Das kann alles nicht wahr sein. Aber es ist wahr, und so schwierig und traurig es ist, man muss doch lernen, mit so einer Krankheit umzugehen. Unsere Verabredung jedenfalls hat Rudi nicht platzen lassen: Wir trafen uns mit ihm Anfang März in dem Gladbecker Brauhaus, das seine Tochter Bettina Michel führt und sprachen mit ihr, seiner Sekretärin Sabine Söldner und natürlich auch mit unserem früheren Manager Rudi Assauer, auch wenn sich das immer schwieriger gestaltet.

SCHALKE UNSER:
Rudi, du hast deine Alzheimer-Krankheit öffentlich gemacht. Die wichtigste Frage daher zuerst: Wie geht es dir heute?

RUDI ASSAUER:
Gut. Mir geht es gut.

SABINE SÖLDNER:
Ich sagte Euch ja bereits am Telefon, dass Ihr Euch auf ziemlich einsilbige Antworten gefasst machen müsst.

RUDI ASSAUER:
Ja, wieso? Mir geht’s doch gut.

SABINE SÖLDNER:
Ich hatte den Leuten vom SCHALKE UNSER vorher am Telefon gesagt, dass sie sich darauf einrichten sollten, dass deine Antworten insgesamt ziemlich kurz ausfallen: Ja. Nein. Gut. Schlecht.

SCHALKE UNSER:
Das ist ja auch gar kein Problem. Mit der Biographie hat es ja auch noch die ,,Volle Kanne”-Sendung und die ,,37 Grad”-Reportage im ZDF gegeben. Das alles hat ziemlichen Wirbel verursacht. Wie geht ihr damit um?

RUDI ASSAUER:
Ja, das ist alles sehr schwierig, wenn man da dabei sein und mitmachen muss. Es ist alles sehr schwierig, um da was Festes raus zu holen. Die Leute, die da krank sind oder kurz vor’m Kranksein sind, da kann man nichts mehr machen. Keiner hat das Glück, das schaffst du nicht.

SCHALKE UNSER:
Das waren die einzigen beiden Termine, bei denen ihr an die Öffentlichkeit gegangen seid.

SCHALKE UNSER 74

SABINE SÖLDNER:
Wir haben die Termine ganz bewusst reduziert. Dieser Termin hier mit euch ist die absolute Ausnahme. Als wir uns entschlossen haben, an die Öffentlichkeit zu gehen, haben wir auch überlegt, eine Pressekonferenz zu geben. Aber das haben wir schnell wieder verworfen, da er die Fragen gar nicht hätte beantworten können. Und wenn er sie beantwortet hätte, dann so bruchstückhaft, dass die Journaille sich da irgendetwas zusammen gereimt hätte, um daraus Schlagzeilen für ihre Auflage zu produzieren. Das wollten wir nicht. Daher haben wir klipp und klar gesagt, dass es nur diese Reportage und die Vorberichterstattung gibt. Damit wollten wir sagen: Schaut euch den Film an, mehr gibt es zu mir und meiner Krankheit nicht zu sagen. Vom ,,Stern” haben wir das noch begleiten lassen, aber im Prinzip war’s das. Die ,,Bild”-Zeitung hat sich auch nochmal kurz eingeklinkt, aber eigentlich auch nur, um zu fragen: Rudi, wie geht’s dir eigentlich jetzt, fühlst du dich befreit? Wir wollten erreichen, dass er wieder frei seine Dinge tun kann, ohne dass die Leute hinter seinem Rücken über ihn tuscheln. Und heute könnten die Leute tuscheln, jetzt tut’s aber keiner mehr.

SCHALKE UNSER:
Also, das eigentliche Ziel ist damit also erreicht worden.

BETTINA MICHEL:
Ja, das sicher, aber auch mit allen Nebenwirkungen, wenn die Klatschpresse sich da alles Mögliche zusammenreimt. Aber wichtig war, dass sich Papa jetzt zufrieden fühlt und sich auch noch selbst zu seiner Situation äußern kann.

RUDI ASSAUER:
Ja, das wär’ ganz schlecht gewesen.

SCHALKE UNSER:
Wann ist die Entscheidung gereift, die Krankheit öffentlich zu machen?

SABINE SÖLDNER:
Das war im letzten Jahr nach unserer Fahrt zum Pokalfinale. Auch wenn der Rudi unbedingt nach Berlin wollte, ich war total gegen die Reise. Ich hatte ja die Fahrt schon drei Mal selbst organisiert und wusste, dass da einiges auf uns zukommen würde. Und ich wusste auch, dass das ein Spießrutenlauf für uns wird, wenn wir in den Zug einsteigen. Aber er wollte da unbedingt hin, und auf dieser Reise ist mir ziemlich schnell klar geworden, dass wir etwas unternehmen müssen. Ganz einfach, um diesem Druck, diesem Versteckspiel endlich zu entfliehen. Wir haben uns ja auf dieser Fahrt regelrecht abschirmen lassen, nur um ja nicht in Kontakt mit den Fans zu kommen. Uns war klar, dass wir was unternehmen müssen, um ihm das Leben einfacher zu machen und ihm ein Leben ohne Versteckspiel zu ermöglichen. Und dann ist der Werner Hansch über das ZDF an mich herangetreten. Er wurde beim ZDF von der Reporterin Steffi Schmidt angesprochen, die Rudi Assauer für eine Aktion gewinnen wollte. Und dann hat Werner Hansch gesagt: ,,Den kannst du dafür nicht mehr gewinnen.” Und so hat sich dann Steffi Schmidt mit mir in Verbindung gesetzt und wir haben vom letzten Sommer bis jetzt in den Januar hinein die Reportage gedreht. Im Vorfeld hatte ich sie noch zu einem Rechtsanwalt bestellt und bevor wir ihr reinen Wein einschenken konnten, musste sie eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. Genauso haben wir das mit dem Verleger gemacht. Im Laufe der Jahre sind verschiedene Verlage auf uns zugekommen und wollten eine Biographie von Rudolf Assauer schreiben. Mein Chef wollte eigentlich immer schon ein Buch über sein Leben schreiben. Nur selbst konnte er das Buch ja nicht schreiben, und so habe ich die Verlagshäuser immer ein aufs andere Mal vertröstet. Aber der Riva-Verlag hatte sich schon vor fünf Jahren bei mir gemeldet und hatte zwischendurch immer wieder angefragt. Die waren echt hartnäckig. Der Chef hatte sich auch mal mit dem Verleger per Telefon unterhalten, aber hat ihm auch immer nur gesagt, dass er da gerade keine Lust zu hätte.

SCHALKE UNSER:
Aber als dann klar war, dass mit dem ZDF die Reportage gedreht wird, da konnte dann auch dem Verlag grünes Licht gegeben werden.

SABINE SÖLDNER:
Ja, genau, und es war für uns auch von Anfang an klar, dass es keine ,,normale” Biographie wird. Die besondere Aufgabe für den Verlag war es dann, einen Autor zu finden, der zum Chef einen guten Draht bekommt.

BETTINA MICHEL:
Ich glaube auch immer noch, dass das der richtige Weg war.

SABINE SÖLDNER:
Da streiten sich ja auch die Leser drüber. Einige sagen ,,Super, wie er das gelöst hat mit den Perspektivwechseln” und manch einer sagt: ,,Das ist gequirlte Scheiße.” Aber solche Meinungen wird man ja immer haben, und im Großen und Ganzen ist das Buch gut angekommen. Auch natürlich mit dem Effekt, dass sich ganz Deutschland mit diesem Tabuthema Alzheimer beschäftigt hat. Und das ist ja auch, was der Chef wollte. Wenn man schon so eine beschissene Krankheit hat, dann kann man wenigstens aufrütteln und sagen: ,,Ich hab’ die Krankheit jetzt, aber das kann morgen deine Mutter oder dein Onkel oder du selbst sein. Bitte beschäftige dich damit, weil es eben kein Tabu ist. Die Krankheit ist real.”

SCHALKE UNSER:
Die Reaktionen der Schalke-Fans auf die Veröffentlichung der Krankheit haben eine große Anteilsnahme erkennen lassen.

SABINE SÖLDNER:
Innerhalb eines ganz kurzen Zeitraums habe ich über 1100 Mails bekommen, so dass bald unser Server abgestürzt wäre. Ich habe auch die Mails anfangs alle beantwortet, da ich das so noch von Schalke gewohnt war. Das hatte mir mein Chef eingebläut, dass wir ein fannaher Verein sind, bei dem jede Anfrage beantwortet wird. Zuletzt habe ich damit aufgehört und ich erkläre auch, warum. Bei der Masse an Mails konnte ich nicht immer individuell auf jede Anfrage antworten, und so kam es, dass ich auch eine bitterböse Antwort bekam. Da war einer dabei, der uns irgendein Wunderwasser empfohlen hat, dem ich dann auch diesen netten Vierzeiler geschickt habe, der dann aber beleidigt zurück antwortete: ,,Dann lass ihn doch krepieren.” Da war für mich irgendwo eine Grenze überschritten. Und es tut mir leid für alle anderen, aber ich werde jetzt nicht mehr antworten.

BETTINA MICHEL:
Ich hab’ auch schon gesagt, dass man so einen eigentlich anzeigen müsste. Da waren Mails dabei, so nach dem Motto: ,,Wenn Ihr mir 15.000 Euro überweist, dann kann ich den Rudi wieder heilen.” Da ahnt man ja schon, dass so etwas total unseriös ist, und normalerweise müsste man auch den Rest der Menschheit vor diesen Scharlatanen schützen. Das ist ja kein Spaß mehr. Wir reden hier über eine Krankheit, und wenn es irgendetwas dagegen geben würde, dann wären wohl nicht so viele damit krank. Dass es gewisse Dinge gibt, die Linderung verschaffen oder den Krankheitsverlauf hinauszögern, das sicherlich, aber uns dann zu sagen ,,Dann lasst ihn doch verrecken”, ist ja wohl unterste Schublade.

SABINE SÖLDNER:
Ich habe allen selbst ernannten Sehern, Heilern und Ärzten, die heute nicht mehr praktizieren dürfen, gesagt, dass ich dankbar bin für jeden Tipp, aber auch, dass uns einfach das medizinische Hintergrundwissen fehlt und wir uns daher mit seinen behandelnden Ärzte darüber unterhalten müssen. Und dann muss man sich noch Beschimpfungen gefallen lassen wie ,,Sie wollen ja gar nicht, dass Ihr Chef gesund wird.”

BETTINA MICHEL:
Seidenmalerei und Töpfern haben sie dir auch empfohlen, Papa.

RUDI ASSAUER:
Seidenmalerei? Auch das noch.

SABINE SÖLDNER:
Mit einem Seher bin ich allerdings – im positiven Sinn – noch nicht ganz fertig.

SCHALKE UNSER:
Hat der vielleicht eine Deutsche Meisterschaft für Schalke vorausgesagt?

SABINE SÖLDNER:
Nein, das nicht, müsste ich ihn mal danach fragen, aber der hat mir am Telefon direkt gesagt, dass ich selbst stark Schilddrüsen-krank wäre. Und auch bei meinem Chef hatte er noch einen Hinweis, den wir beim nächsten Klinikbesuch gerne abchecken lassen möchten. Wer weiß, wenn er damit Recht haben sollte, denn mit der Schilddrüsenkrankheit hatte er Recht. Ich hab’s an der Schilddrüse und zwar seit dem 17. Mai 2006. Seitdem rauche ich auch wieder.

BETTINA MICHEL:
Wisst ihr, was an dem Tag war?

SCHALKE UNSER:
Das war natürlich der Tag, an dem Rudi Assauer auf Druck des Aufsichtsrats von allen Ämtern zurück getreten ist. Aber kurz zurück zu den ,,Sehern”. In der Tiermedizin gibt es ja etwa den ,,Knochenbrecher” Tamme Hanken, der den Tieren in die Augen schaut und dann sagt ,,Der hat eine Darmverschlingung.”

SABINE SÖLDNER:
Ja, ich glaube auch, dass es Menschen mit solch einer Gabe gibt, aber wenn du 800 Mails gelesen hast, in denen dir etliche Rattendulle was von links- oder rechtsdrehenden Wunderwassern mit Kürbissaft erzählen wollen, dann glaubst du da keinem mehr etwas.

SCHALKE UNSER:
Aber es waren ja auch sicher ganz viele positive Mails und Wünsche dabei.

SABINE SÖLDNER:
Sicher, der ganz überwiegende Teil hat an Rudis Kämpferherz appelliert, und hat ihm gesagt, dass er immer gekämpft hätte und auch jetzt wieder sein Kämpferherz aktivieren soll, auch wenn es quasi aussichtslos ist.

SCHALKE UNSER:
Steh’ auf, wenn du Schalker bist …

BETTINA MICHEL:
Ja, genau so, 99 Prozent waren sicher positiv und der restliche Prozentpunkt waren die Verstrahlten, die man ja immer irgendwo dabei hat.

SCHALKE UNSER:
Die meisten Schalker verbinden mit Rudi ja auch ganz tolle Erinnerungen. Sei es der UEFA-Pokalsieg in Mailand 1997 oder der Bau unserer Arena. Das ist eine ganz besondere Beziehung, die viele Fans jetzt auch gerade jetzt bekunden möchten.

SABINE SÖLDNER:
Das fand ich auch ganz toll, als mich in der letzten Woche der Schalker Pressesprecher Thomas Spiegel wegen der Aufnahme in die Schalker Ehrenkabine anrief. Er sagte: ,,Du kannst Dir nicht vorstellen, wie viele Mails und Briefe uns hier erreicht haben.” Dieses Wir-Gefühl ist auf einmal wieder so stark geprägt. Bei allem, was gewesen ist. Ganz klar, Fehler machen wir alle im Leben, aber viele erinnern sich jetzt eben doch an die gemeinsame Zeit und wünschen sich Rudi in die Ehrenkabine. Vielleicht erleben wir ja im Juni noch einmal eine turbulente – in diesem Fall emotional turbulente – Jahreshauptversammlung. Das zeigt uns aber auch, dass wir Schalker immer wieder zusammenhalten. Man kann sich auch mal ein ,,Arschloch” gegen den Kopf werfen, aber dann dreht man sich um, schüttelt sich drei Mal, aber deswegen ist man immer noch ein Blau-Weißer und man redet wieder miteinander.

SCHALKE UNSER:
Da erinnern wir uns zum Beispiel an die Verpflichtung von Thorsten Legat, der Anfang 2000 gegen enorme Widerstände der Fans von Rudi geholt wurde, bei dem aber die Fans hinterher gesagt haben: ,,Der hat jetzt das königsblaue Trikot an, also stehen wir auch dahinter.”

SABINE SÖLDNER:
Oder Andreas Möller?

BETTINA MICHEL:
Du hast aber auch ein paar Spieler verpflichtet, Papa! Kann das sein, dass die Sauna zu dem Zeitpunkt ein bisschen zu heiß war?

RUDI ASSAUER:
Zu kalt, nicht zu heiß.

SCHALKE UNSER:
Wenn wir mal an unsere Fananfänge zurückdenken, so landen wir im Jahr 1993. Mit der erneuten Verpflichtung von Rudi Assauer als Manager ging es peu à peu bergauf.

BETTINA MICHEL:
Am 1. April 1993 sagte mir Papa am Telefon: ,,Ich komme nach Gelsenkirchen”. Ich sagte erst: ,,Ja, dann komm doch”. ,,Für immer.” Ich habe das erst nicht geglaubt, dachte an einen Aprilscherz.

SABINE SÖLDNER:
Aber es ist doch schön zuhause, Chef, oder?

RUDI ASSAUER:
Sicher ist das schön. Bin auch gerne hier.

SCHALKE UNSER:
Nach der Buchveröffentlichung habt Ihr ja ein Heimspiel ausgesetzt.

BETTINA MICHEL:
Ja, genau, ein Spiel waren wir nicht in der Arena, aber wir wussten nicht, was passiert, wie die Reaktionen sind. Manch einer schießt ja da auch über’s Ziel hinaus. Oder? Wie hast du das empfunden, hier in Gladbeck mit uns das Spiel gegen Mainz zu gucken?

RUDI ASSAUER:
Ja, das war richtig.

SABINE SÖLDNER:
Und jetzt war er ja auch schon wieder im Stadion und es geht alles besser. Viele Fanclubs haben sich natürlich auch noch gemeldet und wollten Rudi als Ehrenmitglied aufnehmen. Da werden wir uns noch Gedanken zu machen, wie wir damit umgehen. Vielleicht lassen wir es aber auch bei den bisherigen Ehrenmitgliedschaften. Mal schauen.

SCHALKE UNSER:
In der ,,37 Grad”-Reportage hat man auch sehen können, dass es in der Memory-Klinik in Essen zu Begegnungen mit alten Weggefährten kam. Ebbe Sand, Huub Stevens, Jens Lehmann, Marcelo Bordon waren da. Sind da noch weitere Besuche geplant?

BETTINA MICHEL:
Im Moment ist erstmal Pause. Wir wollten jetzt Ruhe einkehren lassen, aber da werden wir bestimmt nochmal anknüpfen.

SABINE SÖLDNER:
Der Vorteil bei diesen Begegnungen ist, dass sich der Mensch am besten über Emotionen an gewisse Begebenheiten erinnern kann. Das letzte, was im Gehirn verschwindet, sind die Emotionen. Und es war toll zu beobachten, wie er mit Marcelo Bordon auf einmal über Dinge gesprochen hat, die selbst mir nicht eingefallen wären. Da hab’ ich echt gedacht: ,,Das kann doch jetzt nicht sein.” Aber dadurch werden wieder Teile im Gehirn aktiviert und quasi neu auf der Festplatte abgespeichert. Bis zur Veröffentlichung der Krankheit konnte ich natürlich nur Spieler ansprechen, denen ich auch persönlich total vertrauen konnte. Ich hoffe, dass sich da jetzt niemand auf den Schlips getreten fühlt, aber ich habe in erster Linie Spieler angesprochen, bei denen ich mir gedacht habe, dass da die meisten gemeinsamen Erinnerungen mit verbunden sind.

BETTINA MICHEL:
Jetzt können wir das ja auch im privaten Bereich weiter führen. Dann können die Leute zu uns nach Hause kommen oder wohin auch immer, die ganze Geheimnistuerei hat ja jetzt endlich ein Ende.

SCHALKE UNSER:
Auch wir Fans erinnern uns an gewisse Spiele natürlich in erster Linie über die Emotionen. Über positive Emotionen, aber genauso auch über negative Emotionen. Genau deswegen wird Dr. Markus Merk doch auch heute noch beschimpft.

BETTINA MICHEL:
Ich hab’ ihn vorher schon beschimpft. Auch wenn wir es natürlich damals selbst in der Hand hatten, aber das wollen wir ja alle nicht mehr hören. Das war ein echt traumatisches Erlebnis, das sich richtig ins Gehirn eingebrannt hat. Wenn ich an die Leinwandübertragung im Parkstadion denke … Aber ich werde auch die beiden Pokalsiege nicht vergessen. Das war so schön im Zug oder beim zweiten Mal mit dem Flugzeug. Als wir da in Düsseldorf landeten und 1500 Schalker die Mannschaft erwarteten. Das war einsame Spitze. Aber genauso auch in der UEFA-Cup-Saison als wir häufig von Köln aus geflogen sind und dort regelmäßig die Schalke-Fans bei der Rückkehr auf uns warteten. Unglaublich, da krieg’ ich jetzt schon wieder Gänsehaut.

SCHALKE UNSER:
Der DFB-Pokal hat ja auch in Schalker Hand gelitten.

BETTINA MICHEL:
Wer hat ihn fallen lassen?

RUDI ASSAUER:
Ja, das war ich. (lacht)

BETTINA MICHEL:
Der sah auch krumm besser aus als gerade, finde ich. Da fehlte ja hinterher ein Turmalinstein. Ich hoffe, dass der nicht in der Gelsenkirchener Straßenreinigung gelandet ist. Hoffentlich hat den noch jemand gefunden und gerettet, wäre zu schade drum.

RUDI ASSAUER:
Aber die Schale würden wir nicht fallen lassen, die nehmen wir mit nach Hause.

BETTINA MICHEL:
Obwohl ich das ja immer meinem Papa gegönnt hätte, dass er die Schale in die Höhe reckt. Für den Verein und die Fans wäre eine Meisterschaft natürlich einsame Klasse.

SCHALKE UNSER:
Wer hat denn die Entscheidung getroffen, heikle Dinge nicht in dem Buch aufzugreifen? Rudi hätte ja sicherlich auch so einiges aus dem Nähkästchen plaudern können.

SABINE SÖLDNER:
Das war mein Chef. Laufen lassen. Das war immer sein Spruch in solchen Situationen: Immer laufen lassen. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich in dem Buch sicher nochmal mit dem ein oder anderen abgerechnet. Ich hätte auch den Wontorra volle Kanne auflaufen lassen.

SCHALKE UNSER:
Das war ja auch echt unterste Schublade, wie der Wontorra dem Rudi im DSF-Doppelpass damals Alkoholismus unterstellt hat.

BETTINA MICHEL:
Seiner damaligen Lebensgefährtin Beate ist dabei das Bügeleisen aus der Hand gefallen, als sie das Sonntagmorgens gesehen hat. Bei vielen Sachen warst du aber auch echt zu human und zu nett, Papa. Ich hätte da auch mal dazwischengehauen.

RUDI ASSAUER:
Ja, immer laufen lassen. Das regelt sich alles von allein.

SABINE SÖLDNER:
Fragt sich nur, in welchem Jahr sich das alles regeln soll.

SCHALKE UNSER:
War das schon immer eine so harmonische Beziehung zwischen Chef und Sekretärin?

SABINE SÖLDNER:
Im Prinzip ja, manchmal ging es aber auch hoch her. Da wurde dann auch schon mal ein Tag lang nicht miteinander gesprochen. Als mein Chef das erste Mal nach Schalke kam, war ich schon angestellt. Mein Onkel Charly Neumann hatte mich mit 19 Jahren kurz vor Ende meiner Ausbildung geholt, eigentlich brauchten die nur jemanden, der bei der Organisation der 75-Jahr-Feier aushelfen sollte, weil meine Vorgängerin mit einem Oberschenkelhalsbruch ausfiel. Nur mal helfen. Und daraus sind mit Unterbrechung 27 Jahre geworden. Oskar Siebert hat mich dann für die Büroarbeit auf der Geschäftsstelle eingestellt. Wir waren damals gerade mal zwei Vollzeit- und eine Teilzeitkraft, das ist mit heutigen Verhältnissen überhaupt nicht mehr zu vergleichen.
Die Karten wurden ja nur über Vorverkaufsstellen und Tageskassen verkauft, und wir waren da auch für die Verteilung und Abrechnung zuständig. Innerhalb kürzester Zeit hatte ich dann vier verschiedene Vorgesetzte, bis mir dann mitgeteilt wurde, dass der Assauer aus Bremen kommt. War mir auch recht, wenngleich es schon eine schwierige Situation war. Bremen war gerade auf- und Schalke abgestiegen, das war schon keine so prickelnde Kombination. Und dann sind wir uns das erste Mal begegnet, was man ja auch in dem Buch lesen kann. Der erste Zusammenprall war aber noch etwas härter als dort geschildert.

RUDI ASSAUER:
Dieser arrogante Arsch. (lacht)

SABINE SÖLDNER:
So ähnlich. Wir hatten damals Fahrudin Jusufi als Trainer und mein neuer Chef rief mich aus Bremen an und wollte ein Treffen mit ihm organisiert haben in der Lohmühle, unserem Mannschaftsquartier. Dann habe ich den Trainer angerufen, ihm den Wunsch des neuen Managers mitgeteilt. Und Jusufi sagte mir: ,,Dann kannst du ihm ausrichten, er kann mich am Arsch lecken.” Da hab ich ihm geantwortet, dass er ihm das mal bitte schön selber sagt. ,,Ich hab’ dir jetzt den Termin genannt und alles andere ist dein Ding.” Da war das eigentlich für mich gegessen. Bis dann auf einmal der Dr. Fenne vor mir stand – die Pfeife flog von rechts nach links und von links nach rechts, so aufgeregt war der – und mich beschimpft hat. Ich sagte: ,,Was ist denn jetzt los? Was ist passiert?” ,,Der Assauer hat mich aus Bremen angerufen und sich beschwert, welche Schlafmützen wir auf dem Büro hätten.” Wenn er nach Gelsenkirchen kommt, würde es erst mal eine Standpauke geben. Da hatte ich ja schon wieder einen dicken Hals, denn auf so was kann ich ja gar nicht, dass man sich erstmal direkt beim Präsidenten beschwert, ohne mal bei mir nachzufragen, wie es dazu gekommen ist, dass der Termin geplatzt ist. Da war ich schon so ein bisschen auf Krawall gebürstet. Und dann kam mein neuer Chef nach Gelsenkirchen. Er saß in seinem Büro, drückte auf die Ruftaste und sagte nur: ,,Tee.” Nicht ,,Ich hätte gerne …” oder ,,Bitte …”. Sehr kurze Ansagen, was ich aber so nicht gewohnt war, außerdem lag ja immer noch die Geschichte mit dem geplatzten Termin in der Luft. Ich war ja noch nicht dazu gekommen, mich zu entladen. 14 Tage ging das so. Und dann habe ich mich mit einem Arbeitskollegen über die ganze Situation in der Teeküche der Geschäftsstelle ausgekotzt, ohne zu wissen oder zu merken, dass Rudi im Türrahmen direkt hinter mir stand. Mein Kollege gestikulierte immer schon, aber ich konnte die Zeichen nicht deuten. Dann drehte ich mich um und wir standen uns Nase an Nase gegenüber. Dann sagte er zu mir ,,Bin ich wirklich so?”. Und so habe ich ihm noch mal alles direkt ins Gesicht gesagt. So wie man das in Gelsenkirchen macht. Nicht um die Ecke und nicht übereinander, sondern direkt. Und am Schluss hab’ ich gesagt: ,,So, jetzt können Sie mich kündigen.” ,,Wer hat denn was von Kündigung gesagt?”, kam als Antwort. ,,Sachen zusammen packen, wir müssen einen Vertrag machen.” Ja, und dann war gut. Ab dann hat er am Telefon auch gesagt ,,Kannst du mir mal bitte einen Tee machen.” Geht doch.

BETTINA MICHEL:
Leute, die dir direkt sagen, wenn ihnen was nicht passt, sind Dir auch lieber, oder, Papa? Speichellecker und Arschkriecher hast Du immer gesagt.

RUDI ASSAUER:
Nee, Duckmäuser sind nicht mein Ding.

SABINE SÖLDNER:
Wir haben ja mehr Zeit zusammen verbracht als ich mit meinem Mann oder Rudi mit seinen Frauen. Manchmal waren das 16 oder 18 Stunden am Tag. Dann lernt man sich in- und auswendig kennen. Auch wenn wir in vielen Dingen andere Auffassungen haben. Ich sehe zum Beispiel bei den Spielen oft gute Ansätze und mein Chef sieht eher die Fehler. Ich hätte die Spieler vielleicht auch nach anderen Kriterien verpflichtet.

BETTINA MICHEL:
Ich hab’ auch mal meine Wunschliste aufgemacht mit den schönsten Fußballern. Aber da hat Papa dann nur gesagt ,,Die sehen zwar alle gut aus, aber die würden nie zusammen gut Fußball spielen.”

SABINE SÖLDNER:
Ich habe ja sogar eine Top 10 der strammen Waden geführt. Trainer Huub hat sich immer geärgert, dass er bei mir nur bis auf Platz 6 gekommen ist. Eine Geschichte werde ich nie vergessen: Da hatte mein Chef damals den Ebbe Sand verpflichtet und ihm gesagt, dass er nach dem Fotoshooting noch mal in das Büro von der Sabine kommen sollte, aber er solle sich nicht wundern. Und dann kam Ebbe in mein Büro, stand da, und dann sagte ich ihm: ,,Okay, gehst du mal bitte drei Schritte zurück, kannst du dich bitte mal umdrehen, kann ich auch mal deine Waden anfassen?”. Der wusste gar nicht, wie ihm geschah. Und dann habe ich den Waden- und Oberschenkeltest gemacht. Ich glaube, so schnell ist noch nie wieder einer aus meinem Büro gelaufen. Und alle standen vor meiner Bürotür und haben sich kaputt gelacht. Abgerollt und Pipi in den Augen. Ganz oben auf meiner Liste waren zu der Zeit Jens Lehmann und Marc Wilmots. Der Wilmots hatte Oberschenkel, unglaublich. Und Frode Grodas, der hatte einen traumhaften Körper. Und so mussten alle in meinem Büro antanzen und haben sich sicher gefragt: ,,Wo bist du hier gelandet?”. Vor kurzem war noch Asa bei uns, der kam sofort zu mir, krempelte die Hose hoch und fragte mich: ,,Sabine, willst du nochmal? Ich hab’ extra nur für dich trainiert”. Spaß muss sein, oder?

SCHALKE UNSER:
Aber sicher doch. Wir bedanken uns bei Euch für das tolle Gespräch. Rudi, Du kannst sicher sein, dass alle Schalker an Dich denken und Dir die Daumen drücken. Glückauf.