Eins, zwo, drei, Unterkörper frei!

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(axt) ,,Intensive Körperkontrollen”, bei denen Fans sich ausziehen müssen, werde es auch weiterhin in der Arena geben können, sagt Schalkes Sicherheitsbeauftragter Volker Fürderer. Aber: ,,Das ist die absolute Ausnahme und wird auch immer eine Ausnahme bleiben.”

Zwei Mal in elf Jahren Arenageschichte habe man zu dieser Maßnahme gegriffen. Von vielen Heimfans unbemerkt mussten sich Fans aus Montpellier ,,intensiven Körperkontrollen” unterziehen, wie es im Jargon heißt, vulgo: Einige unserer ,,Gäste” mussten in Zelten sämtliche Kleidungsstücke fallen lassen, wie aus Fankreisen berichtet wird. Fürderer kann dies nicht bestätigen, weil er bei den Kontrollen nicht anwesend gewesen sei, er gehe jedoch ,,davon aus”, dass auch die Unterhose gefallen ist.

,,Bei Montpellier hatten wir eine Sondersituation, weil es von Seiten des Vereins Hinweise gab, dass die französischen Fans massiv versuchen werden, Pyrotechnik einzubringen”, erläutert Fürderer. ,,Das haben wir zum Anlass genommen, die Situation einmal zu prüfen und sind dann in Abstimmung mit der Polizei zu der Entscheidung gekommen, Kontrollen durchzuführen, die über das normale Maß hinausgehen.”

Die Auswahl, welche Fans sich so untersuchen lassen mussten, haben laut Fürderer Polizei und Verein aus Frankreich gefällt. Durchgeführt habe die ,,Maßnahme” der Ordnungsdienst in Anwesenheit der Polizei, so Fürderer: ,,Grundsätzlich ist es so, dass der Fan das ablehnen kann, wenn er es nicht möchte, dann müsste es die Polizei ausführen. Das hat aber, soweit ich weiß, keiner in Anspruch genommen.”

Ob dies in Kenntnis der Rechtslage in Deutschland geschehen ist, wird offen bleiben. In einem Fall hat das Oberverwaltungsgericht Saarbrücken letztinstanzlich geurteilt, dass solche Kontrollen grundsätzlich möglich sind, aber unter strenger Abwägung von Grundrechten. In dem Fall, den die Saarbrücker zu verhandeln hatten, war dieser Eingriff in die Menschenwürde jedenfalls in der Form rechtswidrig: Ein weiblicher Fan aus Dresden hatte gegen den erzwungenen Strip vor dem Besuch des Pokalspiels in Saarbrücken vor Gericht gebracht.

Dabei setzte das Oberverwaltungsgericht den rechtlichen Rahmen für ,,intensive Körperkontrollen”: ,,Allerdings ist bei der Entscheidung über eine mit einem Entkleiden verbundene Untersuchung unter den vorliegenden Gegebenheiten der Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes besondere Beachtung zu schenken. Während Durchsuchungen, die sich auf eine Nachschau in den am Körper getragenen Kleidungsstücken beschränken oder mittels Abtastens des bekleideten Körpers erfolgen – im letzten Fall jedenfalls, sofern sich die Intensität des Abtastens in Grenzen hält -, von den betroffenen Personen in aller Regel nicht als sonderliche Belastung empfunden werden und – wohl auch von der Klägerin – als übliche Begleitumstände des Besuchs von Fußballspielen oder sonstigen Großveranstaltungen in Kauf genommen werden, stellt sich eine mit einem praktisch vollständigen Entkleiden verbundene körperliche Durchsuchung als schwerwiegender Eingriff in die Intimsphäre und damit in das durch Art. 2. Abs. 1 GG gewährleistete Persönlichkeitsrecht dar und berührt zudem die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG)”.

Der Senat legte dar, dass ein allgemein formuliertes Profil möglicher Täter mit dem Wortlaut ,,könnte als Transporteur verbotener Gegenstände dienen” nicht reiche, diesen Eingriff in Grundrechte zu rechtfertigen: ,,Hierfür hätte es ausgehend von dem Umstand, dass sich die allein nach den Kriterien potentieller Transporteure zur Durchsuchung ausgewählter Personen aller Voraussicht nach zum wohl deutlich überwiegenden Teil nach Abschluss der Maßnahme als harmlose Spielbesucher, das heißt letztlich als Nichtstörer erweisen und eine mit Entkleiden verbundene Durchsuchung für diesen Personenkreis einen schwerwiegenden Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht darstellen würde, einer Vorgabe dahin bedurft, zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ein Entkleiden nur dann zu fordern, wenn und soweit ein Abtasten kein eindeutiges Ergebnis erwarten ließ, ein danach gerechtfertigtes Entkleiden in der Regel allenfalls bis zur Unterwäsche gehen durfte und ein Freilegen des Intimbereichs nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen – etwa bei auffälligen Reaktionen der durchsuchten Personen oder bei besonderer Beschaffenheit von Unterwäsche (zum Beispiel Push-Up-BH) – zulässig und dann unter größtmöglicher Schonung der Intimsphäre durchzuführen ist. Durch ein solches gestuftes Vorgehen lässt sich die Verhältnismäßigkeit gegenüber Personen wahren, die zwar die Kriterien potentieller Transporteure erfüllen, sich aber aller Voraussicht nach jedoch gleichwohl überwiegend als Nichtstörer herausstellen werden.”

Gefunden wurde bei den untersuchten Fans aus Montpellier nichts, wie Volker Fürderer einräumt. ,,Das zeigt auch, dass so ein Szenario präventiven Charakter hat. Grundsätzlich kann man festhalten, dass es immer Mittel und Wege gibt und die Fans sehr findig sind, diese Dinge mit in die Arena zu bringen, auf welchem Weg auch immer. Nichtsdestotrotz werden wir selbstverständlich immer die­se Kontrollen durchführen.” Manch einer sagt, dann solle man einfach nicht zum Spiel gehen, wenn man sich nicht entkleiden möchte.

Für solche Behauptungen zeigten die Saarbrücker Richter wenig Verständnis: ,,Nach Ansicht des Senats stellt der Besuch eines Fußballspiels für einen hieran interessierten Bürger ein legitimes Verhalten dar, das nicht generell von seiner Bereitschaft abhängig gemacht werden darf, einen schwerwiegenden Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht hinzunehmen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Maßnahme nicht erfüllt sind.”

Patrick Arnold, Schalkes Fanbeauftragter, zöge sich nicht aus. ,,Natürlich kann man sagen, wenn ich nichts zu verbergen habe, dann kann ich mich auch durchsuchen lassen, aber ich würde nicht meine Hose öffnen. Wir regen uns seit Jahren auf, dass in Leverkusen Fans – für meinen Geschmack wahllos -, Schuhe ausziehen müssen, und wer das Spielchen nicht mitmacht, darf nicht ins Stadion.” Niemand habe grundsätzlich etwas gegen Kontrollen, aber ,,wenn Kontrollen auftauchen, die Persönlichkeitsrechte verletzen und willkürlich wirken, kann man das nicht mittragen.”

,,Dass das keine 100-prozentige Geschichte ist, ist auch klar”, meint Fürderer. Das zeigt auch das Beispiel Montpellier: ,,Wir haben darüber hinaus Spürhunde im Einsatz gehabt, trotzdem sind zwei Fackeln gezündet worden. Ich gehe aber davon aus, dass deutlich mehr gezündet worden wären, wenn wir dieses Szenario nicht aufgebaut hätten, weil ich vor Ort auch gesehen habe, wie viele Fans umgedreht und noch einmal in den Bus gegangen sind.”

,,Wenn ich eine Maßnahme mache, dann muss ich doch auch den Nutzen hinterfragen und mir das Ergebnis angucken”, kommentiert Arnold. Selbst wenn der Verein Montpellier die Maßnahme mitgetragen hat, dürfe man nicht alle Fans unter Generalverdacht stellen, meint er. ,,Man hätte die Möglichkeit, 600 Fans am Eingang vernünftig zu kontrollieren. Wenn die Leute nur Anstoß an dem Zelt nehmen, ist es fast fahrlässig, dieses Fass aufzumachen.”