Mit Schalke im Reich der Mitte

Schalke startet zur Zeit seine zweite China-Reise. Im letzten Jahr war Bea mit dabei – auf eigene Faust, alles selbst organisiert. Von ihr stammt der folgende Reisebericht. Eine Reise in ein fremdes Land mit fremder Sprache und fremder Kultur. Ein Land, das Schalke nicht kennt, aber nun kennenlernen soll. Ob das wirklich gelingen kann?

„Trainingslager“
2. bis 8. Juli 2016

China im Juli bei Temperaturen zwischen 40 und 50 Grad Celsius sowie einer Luftfeuchtigkeit nahe 100 Prozent ist gewiss  kein reines Vergnügen. Immerhin wehte bei unserer Landung in Hong Kong am 2. Juli ein laues Lüftchen und machte alles etwas erträglicher. Außerdem hatte die Reise ja einen Grund: die Promotour des FC Schalke 04 und damit eine Premiere.

Der ursprüngliche Plan war gewesen, dass die Mannschaft auch zunächst in der ehemaligen britischen Kolonie einen Zwischenstopp einlegen sollte. Dass dieser jedoch nur dazu dienen sollte, den Flieger zu wechseln und nach Guangzhou weiter zu reisen, war uns vorab nicht übermittelt worden – wie so manche andere Planänderung auch nicht.

So genossen wir die zwei Tage in Hong Kong auch ohne Fußball und Schalke. Wir waren völlig fasziniert von der Stadt: fremde Farben, fremde Gerüche, fremde Klänge. Trotz eines ungeheuren Menschengewimmels erschien uns alles strukturiert, Sauberkeit und Ordnung ließen sich mit vielen europäischen Großstädten vergleichen. Es gab keine Verständigungsschwierigkeiten, neben dem landestypischen Speisenangebot waren internationale Restaurantketten zu finden und die abendliche Lightshow im Hafen sucht sicherlich ihresgleichen. Der Ausflug auf den „Victoria’s Peak“ weit oberhalb der Stadt war wie eine Reise in eine Parallelwelt; unendlich scheinende Parkanlagen mit hohem Baumbestand und insgesamt exotischer Flora und Fauna, dazu der von mehreren Positionen mögliche Blick über unzählige Wolkenkratzer, die uns zu Füßen lagen, bleiben unvergessen.

Wir dachten, dies sei China.

Wie sehr wir uns getäuscht hatten, stellten wir spontan fest, als wir am 4. den Bahnhof von Guangzhou erreichten. Die klimatischen Bedingungen im Landesinneren waren schier unerträglich, ebenso wie der Gesamteindruck dieser Industriestadt. 

Überall begegnete uns bittere Armut. Bis heute ist mir nicht klar, wie die Menschen unter den teils menschenunwürdigen Bedingungen leben können. Das Bildungsniveau ist erschreckend niedrig und kann nur bedingt durch Fleiß wettgemacht werden.

Überall begegneten wir auch Analphabeten, die selbst ihre eigenen Schriftzeichen nicht lesen konnten. So wurde jede Taxifahrt ebenso zum Erlebnis wie die Bestellung einer Mahlzeit. Selbst im „Business Hotel“ war keine Kommunikation möglich.

Irgendwie haben wir es dennoch geschafft, am 5. rechtzeitig vor Anpfiff das „Guangdong People’s Stadium“ zu erreichen, wo um 19:30 Uhr das Spiel gegen Guangzhou R&F angepfiffen wurde. Vor dem „Stadion“ trafen wir auf eine Handvoll kreischender Teenies in teilweise königsblauen Trikots, die uns „echte Schalker“ als Exoten betrachteten. Auch hier war keine Kommunikation möglich, einzelne Worte, die wir der Gruppe zuriefen, wie „Fährmann“, „Höwedes“ oder „Glückauf!“ erzeugten keinerlei Reaktion. Immerhin versuchten einige fliegende Händler, ihre Waren an den Mann zu bringen – aktuelles Trikot + Hose + Stutzen gab es zum Preis von 5 Euro, wobei durchaus Verhandlungsbereitschaft signalisiert wurde.

Die Spielstätte selbst entpuppte sich als besserer Bolzplatz mit Sitzbankreihen, eingepfercht zwischen Wohnsilos von immenser Höhe. Das Cateringangebot war im wahrsten Sinne des Wortes umwerfend, denn es gab exakt – nichts. Bei 46 Grad ohne einen Schluck Wasser in der prallen Sonne zu sitzen, hätte wohl bei uns zu dem einen oder anderen Kollaps geführt. Das Mitbringen von Getränken war strengstens untersagt, so verließen wir also zunächst das Stadion wieder, um einen nahe gelegenen Lebensmittelladen aufzusuchen und uns mit zahlreichen Wasserflaschen einzudecken, die wir dann hineinschmuggelten.

Die eher wenigen anwesenden chinesischen Zuschauer verfolgten das Spiel mit begrenztem Interesse und gingen auch weit vor dem Abpfiff. Vielleicht war dies auch dem Spielverlauf geschuldet, denn Schalke war haushoch überlegen und entschied die Begegnung deutlich für sich.

Tags darauf besuchten wir das Handelsviertel der Stadt. Es war bedrückend, was uns dort an Armut und Dreck begegnete. Ein latenter Gestank verfolgte uns und wie die ansässigen Händler ihr Angebot überblicken können, wird auf ewig deren Geheimnis bleiben. Die Waren, zu unübersichtlichen Stapeln aufgetürmt, dienten nicht nur zum Verkauf, sondern ebenso als Sitzplatz, Schlafstätte oder Wickelkommode. Immerhin haben wir dabei erfahren, zu welchen Ursprungspreisen auch teure Markenjeans hergestellt werden.

Am 7. fuhren wir mit einem vom Verein organisierten Shuttlebus nach Foshan zum dortigen „Century Lotus Stadium“, das Match gegen den chinesischen Serienmeister Guangzhou Evergrande fand dort statt.

Immerhin gab es hier eine deutlich bessere Organisation, insgesamt entspricht das Stadion durchaus europäischen Vorstellungen. Dennoch waren wir froh, dass nach unentschiedenen 90 Minuten Spielzeit auf eine Verlängerung verzichtet wurde, die Hitze war mittlerweile unerträglich geworden. Es folgte sofort das Elfmeterschießen, das Evergrande für sich entscheiden konnte. Bei dieser Gelegenheit erfuhren wir dann auch, dass es sich bei den Spielen unserer Mannschaft um ein Turnier gehandelt hatte.

Unseren letzten Tag in Guangzhou nutzten wir auch zu einem Besuch des Canton Tower. Von der Aussichtsplattform in 460 Metern Höhe hätten wir einen großartigen Blick genießen können, wenn nicht der allgegenwärtige Smog uns daran gehindert hätte. Der Besuch eines Tempels mitten in der Stadt zeigte uns dann zum Abschluss ungeheuren Prunk und schenkte uns einen Moment des Innehaltens inmitten eines ungeheuren Molochs.

1 Kommentar zu „Mit Schalke im Reich der Mitte“

  1. Klaus-Peter Knort

    Glückauf, Danke für diesen realistischen Bericht und die wahren Eindrücke. In den offiziellen Geschichten ist immer alles so schön und toll was Schalke so schreibt.

    BWG
    Klaus-Peter

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