Logo Fanclub Andersrum auf Schalke

„Es geht darum, dass niemand diskriminiert wird“

(rk) Die Schalker Fanszene ist bekanntlich bunt. Es gibt die organisierten und unorganisierten Fanclubs, die Ultras Gelsenkirchen, den Supporters Club und die Schalker Fan-Initiative. Jetzt wird sich am 6. Mai ein etwas anderer Fanclub gründen, der auch noch so heißt: „Andersrum auf Schalke“. Dahinter verbirgt sich der erste schwul-lesbische Schalke-Fanclub. SCHALKE UNSER sprach mit dem Gründungsmitglied Volker über das „Andersrum-Sein“ auf Schalke, schwule Fußballprofis und den Schiedsrichterskandal um Manfred Amerell.

SCHALKE UNSER:
Schwul-lesbische Fanclubs gibt es seit geraumer Zeit auch schon bei anderen Vereinen. Beim 1. FC Köln gibt es etwa den Fanclub „Andersrum Rut-Wieß“, in Berlin die „Hertha-Junxx“ und beim Verein aus der Nähe von Lüdenscheid die „Rainbow-Borussen“. Was bewegt euch, den ersten
schwul-lesbischen Schalke-Fanclub zu gründen?

VOLKER:
Anfang September letzten Jahres gab es im Fanladen der Schalker Fan-Initiative zusammen mit dem Schalker Fanprojekt und „The Point“ eine Veranstaltung zum Thema „Homophobie im Fußball“. Hier wurde auch die von Felix Magath und Jupp Schnusenberg unterzeichnete „Erklärung gegen Diskriminierung im Fußball“ überreicht. Jörg, Holger und ich hatten dann gemeinsam die Idee, endlich auch für den geilsten Club der Welt wahr zu machen, was bei vielen deutschen Vereinen schon möglich war. Ich möchte aber sagen, dass wir von Anfang an ein vielfältiger Club sein wollten, das heißt wir sind „offen“ andersrum, auch heterosexuelle Schalke Fans sind willkommen. Unsere Ziele sind Toleranz und Akzeptanz. Der allerwichtigste Grund für unseren Fanclub ist aber natürlich die Liebe zum FC Schalke 04.

SCHALKE UNSER:
Wollt ihr mit eurem „Outing“ auch schwule Fußballprofis, die es ja mit Sicherheit gibt, ermutigen, ebenfalls offensiv mit ihrer Sexualität umzugehen?

VOLKER:
Natürlich ist das ein Hauptgrund aller schwul-lesbischen Fanclubs, die sich bereits unter queerfootballclubs.com zusammengeschlossen haben. Uns ist bewusst, dass wir da noch weit entfernt sind, aber der Weg geht mit Sicherheit über die Massen auf den Tribünen, über uns. Da können wir Flagge zeigen und Ängste abbauen.

Cover SCHALKE UNSER 66
SCHALKE UNSER 66

SCHALKE UNSER:
Ein Klima, in dem sich ein Schwuler als solcher darstellen und sein Leben so leben kann, ist im Profifußball nicht nur begrüßenswert, sondern längst überfällig. Mit Philipp Lahm hat ein Fußballprofi in einem Schwulenmagazin klar Stellung bezogen: „Wenn ein Spieler schwul ist, ist er trotzdem mein Mannschaftskollege, und für mich würde sich im Umgang mit ihm nichts ändern.“ Braucht unsere Liga mehr solcher Profis, die für Toleranz werben?

VOLKER:
Philip Lahm hat schon mehrfach dazu Stellung bezogen, was er unter Toleranz und Mannschaftskollegialität versteht. Das ist toll und beispielhaft. Es braucht natürlich das couragierte Auftreten vieler Profi­ und auch Amateurfußballer gegen Diskriminierung. Die meisten haben natürlich Angst, dann in eine Ecke gedrängt zu werden, in die sie nicht hingehören. Also verhalten sie sich lieber ruhig. Es ist noch viel Aufklärung nötig – auch ein Grund, warum es uns gibt.

SCHALKE UNSER:
Rudi Assauer hat sich erst jüngst zu diesem Thema geäußert. Auf die Frage, was er tun würde, wenn sich ein Spieler als schwul outete, gab er zur Antwort: „Ich würde ihm sagen: ‚Du hast Mut gezeigt, aber suche Dir etwas anderes!’ Weil die, die sich outen, plattgemacht werden.“ Was würdet ihr unserem Ex-Manager entgegnen?

VOLKER:
Ich würde dem Rudi Ähnliches entgegnen wie bei den meisten Statements von ihm in den letzen Jahren: Lieber Rudi, du hast uns das tollste Fußballstadion Deutschlands beschert. Du hast uns zu Titeln und Pokalen geführt. Ohne dich wäre der FC Schalke 04 nicht das, was er heute ist, aber wie junge Menschen in einer modernen Gesellschaft – und hierzu gehört gerade in Deutschland der Fußball – leben können sollten, davon hast du keine Ahnung. Fußballspielen und „Anders(rum) sein“ – das passt sehr wohl zusammen. Jetzt mal ehrlich, wenn ein Ur-Schalker irgendwie anders und speziell ist, dann doch wohl Rudi Assauer. Und wir waren doch bei ihm auch immer tolerant, oder?

SCHALKE UNSER:
Weder Ole von Beust noch Klaus Wowereit noch St. Pauli-Präsident Corny Littmann kommen als Schwule tuntig rüber. Verwechselt Rudi Assauer hier nicht schwulsein mit weichsein? Wäre es in diesem Zusammenhang nicht eine interessante These, dass Oliver Kahn schwul sein könnte?

VOLKER:
Jetzt sind wir aber ein richtiges Klischee angegangen. Da werden schwule Promis aufgezählt und bemerkt: Die kommen ja gar nicht schwul rüber. Nach aller Wahrscheinlichkeit ist immer noch festzustellen, dass jeder zehnte Mann schwul ist. Jeder zehnte Zuschauer (von 62.000), jeder zehnte Verwaltungsangestellte des S04, jeder zehnte Spieler (also mindestens drei bei unserem derzeitigen Kader). Und wir merken gar nichts tuntiges? Ja, weil alle ungeoutet sind und weil Schwulsein und weich oder tuntig sein nichts miteinander zu tun haben. Im übrigen interessiert es mich nicht, ob Olli Kahn schwul ist. Ich hoffe aber mal nein.

SCHALKE UNSER:
Oft wird Schwulenfeindlichkeit hauptsächlich als Problem der Fankurve dargestellt. Wie sind eure Erfahrungen in der Nordkurve oder auch auswärts?

VOLKER:
Dazu muss ich sagen, dass ich insofern ungeoutet bin, dass nur meine direkten Freunde und meine Familie Bescheid wissen. Die nächsten Monate und Jahre werden zeigen, wie tolerant Schalke wirklich ist. Wir werden uns mit Sicherheit nicht in die Böklunder-Fanbox stellen und sagen: „Wir sind schwule Schalker und das ist auch gut so!“ Ich bin ja schließlich nicht der regierende Bürgermeister von Berlin. Es ist auch im Stadion ziemlich unerheblich, ob wir schwul sind. Wir wollen weder provozieren noch nerven. Es geht darum, dass niemand diskriminiert und beleidigt wird mit Schimpfworten, zum Beispiel als „schwule Sau“.

SCHALKE UNSER:
In der Schiedsrichter-Affäre um Manfred Amerell geht es um den Vorwurf der sexuellen Belästigung. Habt ihr hier auch den Eindruck, dass zwei vollkommen unterschiedliche Paar Stiefel miteinander verglichen werden? Werden hier nicht Schwule mit „sexuellen Belästigern“ in einen Topf geworfen? Das eine ist eine sexuelle Orientierung, das andere eine Straftat.

VOLKER:
Genauso ist es. Die Frage die sich stellt, ist noch, ob es ein Abhängigkeitsverhältnis gab. Ansonsten kann ein Schwuler genauso ein Belästiger sein wie ein Heterosexueller, oder die beiden hatten einfach ein sexuelles Verhältnis, das auf unschöne Art beendet wurde. Alles andere ist nur ein Racheakt. Das ist allerdings meine persönliche Meinung, urteilen müssen hier die Gerichte. Interessant ist doch, dass wir es hier mit Homosexualität unter Schiedsrichtern zu tun haben. Und wir reden immer von Fans und Spielern.

SCHALKE UNSER:
Auf der Trauerfeier für Robert Enke hat DFB-Präsident Theo Zwanziger dazu aufgerufen, das Kartell der Tabuisierer zu brechen. Auf der anderen Seite wurde der schwule holländische Schiedsrichter John Blankenstein, der bei der WM 1990 pfeifen sollte, von der Fifa wieder zurückgezogen, weil er angeblich Jahre zuvor in Fifa-Uniform in einer Schwulenbar gesehen worden sei. Was müsste der DFB eurer Ansicht nach tun, um die Tabus tatsächlich zu durchbrechen?

VOLKER:
1990? Das ist zwanzig Jahre her. Seitdem ist nun schon wirklich einiges geschehen. Auch der DFB hat die Erklärung gegen Diskriminierung im Fußball unterzeichnet. Theo Zwanziger hat zugesichert, jeden zu unterstützen, der sich outet. Wir müssen die Verantwortlichen an ihren Worten messen. Der DFB informiert, veröffentlicht und unterstützt Aktionen. Den Rest müssen wir tun: in den Stadien, in den Fankneipen und am Arbeitsplatz. Auch wir sind der DFB und die Tabus sind in unserer Gesellschaft.

SCHALKE UNSER:
Volker, vielen Dank für das Gespräch, alles Gute für euren Fanclub, Glückauf.