(axt) Obwohl zahlreiche Anträge zurückgezogen sind, bleiben doch noch einige Anträge auf der Jahreshauptversammlung, über die Ihr abzustimmen habt – ein Überblick.
Anders als vielfach kolportiert ist es nicht ungewöhnlich, dass Schalkes Aufsichtsrat die Satzungsänderungsanträge zur Mitgliederversammlung bewertet. Offen bleibt die Frage, woher der Aufsichtsrat die moralische Begründungen nimmt, Anträge zuzulassen oder eben nicht. Eine Prüfung, ob sie formalen Gesichtspunkten ge- nügen, ist gängig und durchaus vernünftig. Bei Schalke ist das wieder einmal anders: Hier findet eine inhaltliche Prüfung statt.
Wir werden immer mehr
Zugelassen hat der Aufsichtsrat einen Antrag des Aufsichtsrats. In Zukunft soll der Aufsichtsrat bis zu vier Mitglieder kooptieren können. Diese müssten sich dann nicht dem Votum der Mitgliederversammlung stellen. Sponsoren oder Politiker entschieden dann unter Umständen das Schicksal des Vereins. Im Extremfall könnte dann Ralf Jäger und der polizeigewerkschaftlich organisierte Hetzer Rainer Wendt einen Sitz im Aufsichtsrat bekommen, ohne dass die Mitglieder dies verhindern könnten oder auch nur ein Mitspracherecht hätten.
Der Verein begründet unter anderem: „Gerade große Sponsoren oder Kapitalgeber machen ihr Engagement gerne von einem Sitz im Aufsichtsrat abhängig.“ Von der Krim direkt in den Schalker Aufsichtsrat – Gazprom lässt grüßen.
Derzeit besteht der Aufsichtsrat aus elf Mitgliedern: Sechs werden von der Mitgliederversammlung bestellt, einen schickt der SFCV, einen weiteren der Sportbeirat, drei weitere können derzeit koopiert werden.
Fiele nach dem neuen Modell einer der gewählten aus, hätten diejenigen die einfache Mehrheit, die nicht von den Mitgliedern entsandt sind – das Prinzip, dass die Mitglieder demokratisch über das Schicksal eines Vereins bestimmen, wäre dann außer Kraft gesetzt.
Dies, wohlbemerkt, um halt noch einen Sponsoren mit seinem Geld zu holen. Überspitzt könnte man sagen: Demokratie auf dem Altar des Geldes geopfert.
Die Mitglieder sollen bestimmen
Manuel Bohnert hat beantragt, dass der SFCV-Sitz im Aufsichtsrat gestrichen werden soll und die Zahl der kooptierbaren Aufsichtsräte auf zwei reduziert. So sei gewährleistet, dass dieses Gremium auf eine „demokratischere Basis“ gestellt werde.
„Es kann nicht die Aufgabe unseres Vereins sein, einem anderen Verein, namentlich den SFCV, gegenüber allen unabhängigen Fanclubs und nicht organisierten Schalke-Mitgliedern zu bevorzugen“, schriebt Bohnert in seiner Antragsbegründung. „Die Entscheidungshoheit darf einzig und allein bei den Mitgliedern und den daraus legitimierten Vereinsorganen des FC Schalke 04 e.V. liegen.“
Der Aufsichtsrat hat diesen Antrag nicht zugelassen: Das würde dem Verein Entwicklungsmöglichkeiten rauben. Zudem führt der Aufsichtsrat das Sachargument an, dass dies keinen Sinn ergebe, man habe ja keine schlechten Erfahrungen gemacht. Man ist geneigt hinzuzufügen: Bisher. Ausgeschlossen ist das nicht.
Fans sollen Fans vertreten
Der ehemalige Vianogo-Aktivist Frank Zellin möchte den SFCV-Vertreter mit der Aufgabe betrauen, im Aufsichtsrat die Interessen der Fans zu vertreten – wir erinnern uns, auch der SFCV-Vertreter hatte dem Viagogo-Deal zugestimmt. Unter Umständen müsse dieser Vertreter ein Stimmungsbild unter den Fans einholen, bevor er zur Abstimmung schreitet.
Der Aufsichtsrat hat diesem Antrag nicht zugestimmt: Man könne keinem Aufsichtsratsmitglied vorschreiben, wie es sich zu welcher Zeit informiert. Auch dürfe es keine Aufsichtsräte „zweiter Klasse“ geben, denen ein bestimmtes Verhalten vorgeschrieben werde.
Aber Mitglieder zweiter Klasse wären okay gewesen – siehe „Antrag Brömmel“. Bei den Aufsichtsräten ist man sich aber wohl nicht so sicher, dass die Mitglieder „richtig“ wählen lieber kooptieren, so zur Sicherheit. Siehe oben.
Mehr Transparenz
Manuel Bohnert beantragt weiter, dass Mitglieder das Protokoll der Mitgliederversammlung auf der Geschäftsstelle einsehen können sollen. Es soll zudem auf der Vereinshomepage zugänglich gemacht werden.
Der Aufsichtsrat hat diesen Antrag nicht zugelassen. Schon heute könne jedes Mitglied die Protokolle einsehen, wenn es wolle. Das aber ist bis dato „good will“ – ein Recht dazu hat nach der Rechtsprechung nur ein Mitglied, das ein „berechtigtes Interesse“ habe, beispielsweise, weil er oder sie sich zu Wort gemeldet hatte und fürchtet, falsch zitiert worden zu sein. Ein Rechtsanspruch fehlt, kann aber in Vereinssatzungen eingeführt werden. Schaden würde es nicht.
Weiterhin behauptet der Aufsichtsrat: „Und wieso sollten Nichtmitglieder und Anhänger anderer Vereine unsere Protokolle lesen dürfen?“ Dies, wohlbemerkt, von einem Aufsichtsrat, der unlängst verzweifelt versucht hatte, den Ausschluss der Presse von der Mitgliederversammlung zu verhindern, die ungehindert berichtet hätten und von den Anhängern anderer Vereine auch gelesen werden. Außerdem hat der Aufsichtsrat, der elektronische Wahl propagiert, wohl übersehen, dass es auch Zugangsschranken geben kann, so dass gewährleistet wäre, dass nur Mitglieder sich einloggen können.
Form, nicht Inhalt
Stefan Schorlemmer hat sich mit dem Aufsichtsrat einigen können – sein ursprünglicher, abgelehnter Antrag ist modifiziert zugelassen. Die Antragsfrist wird fixiert, so dass die Begründung „zu spät eingereicht“ auf festen Boden gestellt wird.
Den wesentlichen Grund für eine Ablehnung erfährt so die Mitglieder dem Antrag zustimmen ein Antragsteller zukünftig bereits im Ablehnungsschreiben. Bis dato gab es den erst bei der vorgeschriebenen Anhörung zu erfahren – man konnte sich damit schlecht vorbereiten. Außerdem – und das geht über den ursprünglichen Antrag hinaus – werden auch abgelehnte Anträge grundsätzlich im Kreisel veröffentlicht. Die Mitglieder können sich so vorab eine eigene Meinung bilden und den Antrag unter Umständen auch mit Zweidrittel-Mehrheit auf die Tagesordnung heben.
In einem Punkt konnte man sich jedoch nicht einigen: Schorlemmer hatte beantragt, dass der Aufsichtsrat alle fristgemäß eingegangenen Anträge zulassen muss, sofern nicht formale Gründe dagegen sprechen. Die ursprüngliche Begründung des Aufsichtsrat: „Damit würde dem Aufsichtsrat die Möglichkeit genommen Anträge auch inhaltlich zu prüfen. Die Folge: Auch völlig sinnentleerte Anträge müssten auf der JHV behandelt werden, sofern sie formal in Ordnung sind und nicht gegen die Satzung verstoßen.“ Wie viele der allein für diese JHV abgelehnten Anträge wirklich „sinnentleert“ waren, kann man ja schnell nachlesen.
Aber, wie man der Homepage von „Schalke.V.ereint“ entnehmen kann: „Es besteht jedoch das Angebot von Vorstand und Aufsichtsrat, hier für 2015 gemeinsam an einer akzeptablen Lösung zu arbeiten – vielleicht gelingt es ja.“
Weniger ist mehr
Frank Zellin stellt auch den Antrag, das Quorum für eine außerordentliche Mitgliederversammlung von zehn auf fünf Prozent der Mitglieder zu senken – seine Erfahrungen bei dem gescheiterten Versuch, eine solche für den Viagogo-Deal durchzudrücken, klingen hier an. Schließlich habe der Verein massiv an Mitgliedern gewonnen.
Der Aufsichtsrat überlässt diese Entscheidung ebenfalls nicht den Mitgliedern, sondern lässt den Antrag einfach nicht zu. Nachvollziehbar noch der Beginn der Begründung: „Nur weil unser Verein mehr Mitglieder als früher hat, muss sich doch nicht der prozentuale Anteil für eine Entscheidung ändern.“ Allerdings die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder, wenn es nach dem Aufsichtsrat geht, ist man geneigt hinzuzufügen. Weiter der Aufsichtsrat in seiner so genannten Begründung: „Mit der Logik des Antragstellers könnte man auch fordern, dass für Satzungsänderungen nicht mehr zwei Drittel aller Stimmen nötig sind, sondern nur noch die einfache Mehrheit.“ Könnte man fordern. Hat er aber nicht.
Die Zeugen Schalkes
Ebenfalls auf den Vianogo-Erfahrungen fußt zweifelsohne Zellins weiterer Antrag, dass Mitglieder Unterschriften für eine außerordentliche Mitgliederversammlung auf dem Vereinsgelände sammeln können dürfen. Zudem sollten in Vereinszeitschrift und -Internetseite Hinweise dazu erfolgen.
Der Aufsichtsrat hat auch dies nicht zugelassen: „Was ist Vereinsgelände?“, fragt er mit Blick auf die unklaren Grenzen. Wenn es jedoch darum geht, Stadionverbotler fernzuhalten, weiß der Verein das sehr genau, wie er sich neulich erst gerichtlich erklären lassen musste.
Und man darf eines nicht vergessen: Satzungsgemäß steht es den Mitgliedern zu, für Vereinszwecke – das Sammeln von Unterschriften für eine Mitgliederversammlung des Vereins ist unstrittig ein Vereinszweck – zu nutzen. Nur genutzt hat es nichts; der Verein hat diese Mitglieder des Geländes verwiesen und ihnen ein Tageshausverbot erteilt. Das hätte man nach DFL-Richtlinien auch Stadionverbot nennen dürfen, aber das wollte der Verein so nicht gesagt haben.
Und weiter im Tenor des Aufsichtsrats: „Auch hätte eine solche Satzungsänderung zur Folge, dass jeder möglicherweise noch so unsinnige Antrag, schlimmstenfalls mit rassistischen oder diskriminierenden Inhalten, in den Vereinsmedien veröffentlicht würde.“ Nein, würde er nicht. Das verbietet die Satzung ja gerade, das ginge sogar mit einer formalen Begründung. Nicht einmal eine inhaltliche müsste der Aufsichtsrat dafür bemühen. Das ist mehr Stimmungsmache als Begründung.
Allerdings darf man bezweifeln, ob es einer Satzungsänderung in einem so spezifischen Punkt bedarf. Hilfreicher wäre es gewesen, wenn der Ehrenrat satzungsgemäß gehandelt hätte und das Verhalten des Vorstands gerügt hätte, Mitglieder mit Polizeigewalt vom Gelände zu entfernen, die ihre Mit- gliedsrechte in Anspruch neh- men. Hat der Ehrenrat aber nicht.
Mehr Unabhängigkeit
Wohl nicht zuletzt deshalb muss über den Ehrenrat nachgedacht werden: Detlef Dahlbeck und Roman Kolbe beantragen, dass auch die Mitglieder des Ehrenausschusses einzeln durch die Mitgliederversammlung zu wählen sind, und nicht als Vorschlag des Aufsichtsrats en block. Schließlich fungiere der Ehrenrat als internes Schiedsgericht und stehe im Zweifel auch dem Aufsichtsrat als Streitpartei gegenüber. Wenn nur der Aufsichtsrat die Mitglieder des Ehrenrats vorschlage, sei ein Interessenkonflikt unter Umständen nicht zu vermeiden. Man hat es ja genau bei der Unterschriftensammlung gesehen.
Der Aufsichtsrat hatte den Antrag zugelassen, aber Ablehnung empfohlen: Das sei ja dann ein Wahlgang mehr, der nur Zeit koste. Das aber ist nun einmal das Prinzip Demoratie. Außer vielleicht, wenn einzelne etwas enger mit Putin befreundet sind.
Außerdem wollten die Antragsteller, dass abgelehnte Kandidaten von der Versammlung zugelassen werden können; dies lehnt der Aufsichtsrat ebenso wie für den Wahlausschuss beim „Antrag Feck“ ab.
Leitbild stärken
Thorsten Altfeld und der Aufsichtsrat hatten sich vor der Drucklegung auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt: In der Verfahrensordnung des Ehrenrat soll das Leitbild zum Tragen kommen; Entscheidungsträger müssen es berücksichtigen. Dies ist in der Satzung schon gegeben, zieht sich aber nicht als roter Faden durch dieselbe.
Nazis raus
Renate Reinartz stellt den Antrag, bereits im §2 der Satzung einen Antirassismus-Absatz einzufügen. Der Vorstand unterstützt diesen Antrag: „Der Kampf gegen Homophobie und Rassismus ist uns so wichtig, dass wir ihn in die Satzung aufnehmen wollen.“ Darin ist der Aufsichtsrat zu unterstützen, es sei allerdings erwähnt, dass rassistisches Handeln bereits jetzt in der Satzung geregelt ist: als Grund für einen Vereinsausschluss.
Schalke hilft
Sebastian Buntkirchen möchte die Förderung Jugendlicher und Hilfsbedürftiger in der Satzung verankert sehen. Der Aufsichtsrat unterstützt diesen Antrag.