(axt) Die Kampfbagger waren schon in Stellung gebracht, Vorstand, Fanclubverband und Mitglieder, die sich in „Schalke.V.ereint“ organisiert hatten, standen sich gegenüber. Doch dann siegte die Vernunft.
Die Initiative „Schalke.V.ereint“ ist damit ihrem Namen gerecht geworden: Sie hat sich nicht in eine Schlammschlacht mit dem SFCV verzettelt, der unter dem Titel „Schluss mit lustig“ einen rhetorischen Angriff gestartet hat. Vielmehr hat sie diese Einigung angestrebt, der der SFCV dann nach Gesprächen mit dem FC Schalke 04 e.V. gefolgt ist, wie Antragsteller Reinhard Brömmel bestätigt: „Der FC Schalke 04 ist auf mich zugekommen, da es das Angebot der anderen vier Antragsteller gab, alle Anträge zurückzuziehen, sofern auch ich mich dem anschließen würde.“
Hieß es vorher noch, der Antrag stamme nicht vom SFCV, sondern nur von Brömmel, der Mitglied des SFCV-Aufsichtsrats ist, erfahren wir jetzt von ihm: „Nach Rücksprache mit dem Vorstand des SFCV bin ich diesem Vorschlag entgegen gekommen.“ Damit verkündeten „Schalke.V.ereint“ und der S04-Vorstand Anfang April auf ihren Internetseiten, dass alle Anträge zur Mitgliederversammlung zurückgezogen werden, die den Wahlausschuss betreffen. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe soll nun einen Vorschlag unterbreiten, wie der Wahlausschuss reformiert werden soll.
In der Vergangenheit hatte sich Unzufriedenheit breit gemacht: Der Wahlausschuss ist das Gremium, das die Aufsichtsratskandidaten zulässt. Dabei kann er maximal – so steht es in unserer Satzung – die doppelte Anzahl von Kandidaten zulassen. Die Crux: Er muss seine Entscheidungen nicht begründen. Das hat auch einen guten Grund, geht es doch hier im Zweifel um die persönliche Eignung der Kandidaten, was primär nicht in die Öffentlichkeit gehört. Leider gibt es aber auch keine schriftliche Begründung, die niedergelegt werden muss, und auch der Kandidat erfährt nicht, was genau gegen ihn spricht. Das macht es schwierig, einen solchen Beschluss anzufechten.
Ganz abschaffen wollte Günther Reipen mit seinem Antrag den Wahlausschuss: Während er früher als „Filter“ diente, um Sonnenkönige zu verhindern, stelle er heute ein Hindernis dar. Darum sollte es reichen, wenn 50 Mitglieder einen Kandidaten vorschlagen. Der Aufsichtsrat hatte den Antrag zugelassen, aber Ablehnung empfohlen: Eine Prüfung der Eignung der Kandidaten sei auf der Jahreshauptversammlung nicht möglich.
Reinhard Brömmel, Funktionsträger in der „unabhängig“ agierenden Fanvertretung SFCV, hatte es einfacher: Sein Antrag wurde zugelassen und ursprünglich vom Aufsichtsrat sogar den Mitgliedern zur Zustimmung ans Herz gelegt. Neben einem rollierenden System für die Mitglieder – nicht dumm – ging der Antrag deutlich weiter. Der Vorstand sollte die Kandidaten für den Wahlausschuss zulassen. Die Kandidaten hätten mindestens zehn Jahre dem Verein angehören müssen – für einen Aufsichtsrat reicht übrigens ein Jahr. Und nur zwölf hätten antreten dürfen, und zwar nach Reihenfolge ihrer Vereinszugehörigkeit. Ob das vor einem Gericht Bestand gehabt hätte, wäre anzuzweifeln: Die Dauer der Vereinszugehörigkeit als Ausschlusskriterium für das passive Wahlrecht wäre mindestens schwierig, weil damit nicht mehr alle Mitglieder die gleichen Rechte inne hätten.
Und noch besser: Dem Wahlausschuss hätte qua Amt ein Mitglied des SFCV angehören sollen. Schließlich sei dies ja auch beim Aufsichtsrat so: Hier sitzt ein SFCV-Mitglied als „Fanvertreter“. Interessant dabei: Um Mitglied im SFCV zu sein, muss man nicht einmal Mitglied des S04 sein, kann aber dennoch zum einen Aufsichtsrat, zum anderen im Zweifel das „Zünglein an der Waage“ sein, wenn es darum geht, Kandidaten für den Aufsichtsrat zuzulassen. Dass die Position des SFCV als alleinigem Vertreter der „Fans“ umstritten ist, ist bekannt. Bei UGE und Supporters Club müssen übrigens die Mitglieder dieser Vereine auch Mitglied beim S04 sein. Für diese wurde jedoch kein Posten beantragt.
Zu verstehen war der Antrag zweifelsohne als rasch zusammengezimmerter Gegenpart zu den Anträgen anderer Mitglieder zur Reform des Wahlausschusses: Diese lagen, so heißt es, einen Tag früher vor als der, der als einziges den Weg durch den Aufsichtsrat geschafft hatte. Ob dies auf „Wunsch“ des S04-Vorstands geschah, wird darum auch munter spekuliert.
Matthias Feck hatte beantragt, die Zahl der Kandidaten für die Aufsichtsratswahl zu erhöhen: Derzeit muss der Wahlausschuss mindestens so viel zulassen, wie Posten zu vergeben, maximal aber die doppelte Anzahl. Feck wollte mindestens die doppelte und maximal die dreifache Zahl einführen. Der Aufsichtsrat hatte diesen Antrag abgelehnt – mit der Begründung: „Der Wahlausschuss würde gedrängt, Kandidaten zuzulassen, selbst wenn er sie nicht für geeignet hielte: Das ergibt keinen Sinn.“ Eine gute Begründung für eine falsche Sache: Das war nicht Inhalt des Antrags. Schon jetzt muss im Zweifelsfalle der Wahlausschuss „ungeeignete“ Kandidaten zulassen, wenn beispielsweise alle nicht das Gelbe vom Ei sind, aber eben zwei Posten zu besetzen.
Auch Dr. Stephan Kleier wünschte sich mehr Auswahl: Es sollte nicht mehr „höchstens“ die doppelte Zahl an Kandidaten für die zu besetzenden Posten zugelassen werden, sondern genau diese Zahl. „Dadurch ist sichergestellt, dass die Mitgliederversammlung für jeden Sitz im Aufsichtsrat eine Auswahl treffen kann.“ Auch dieser Antrag war vom Aufsichtsrat nicht zugelassen worden. Es gebe keine inhaltliche Änderung, schließlich könne der Wahlausschuss ja die doppelte Zahl zulassen. Dabei übersah der Aufsichtsrat die Kleinigkeit, dass er dies eben jetzt nicht muss.
In eine ähnliche Richtung wie Feck und Kleier ging Jan Henke mit seinem Antrag: Hier sollten abgelehnte Kandidaten die Chance bekommen, doch noch anzutreten, wenn die Mitgliederversammlung mit einfacher Mehrheit dafür stimmt. Auch diesen Antrag hatte der Aufsichtsrat nicht zugelassen: „Dieser Antrag impliziert, dass die Mitglieder des Wahlausschusses unfähig sind, die Qualität der Bewerber zu überprüfen, oder dass sie dies nicht im Sinne der Mitglieder der JHV tun. Soll heißen: Die Mitglieder der JHV haben die falschen Leute in den Wahlausschuss gewählt.“ Pikant dabei: Der Aufsichtsrat unterstützte jedoch den Antrag Brömmels, wie er in genau dieser Begründung schrieb. Hier säße jedoch jemand im Wahlausschuss, der sich eben nicht dem Votum der Mitglieder hatte stellen müssen. Vermutlich, um ihn vor „falsch“ abstimmenden Mitgliedern zu schützen.
Der Wahlausschuss ist dennoch umkämpft: Fan-Ini, Supporters Club und Ultras Gelsenkirchen schicken ebenso Kandidaten ins Rennen wie der Fanclubverband. Letzterer macht aggressiv Werbung dafür. Interessant dabei: Der eine oder andere Kandidat des Verbands, der gerne die Position einer „unabhängigen“ Interessenvertretung der Fans für sich reklamiert, hat Teile seiner Vorstellungsvideos in der Arena gedreht.
Dies sei selbstverständlich allen Kandidaten möglich gewesen und ihnen auch angeboten worden, betont der FC Schalke 04 e.V. auf Anfrage. Allerdings berichten Kandidaten, dieses Angebot habe sie erst erreicht, nachdem die Videos gedreht waren, und sie kritisch nachgefragt hätten. Der SFCV hat dennoch eine Sonderstellung inne: Da man mit dem SFCV als Fanvertretung zusammenarbeite, habe er Zugang zur Arena, ohne um Erlaubnis zu fragen.
Das wirft die Frage nach dem ominösen Kooperationsvertrag auf, der zwischen SFCV und FC Schalke 04 e.V. bestehen soll und dessen Inhalt immer wieder Anlass zu Spekulation bietet. Der Verein will weder die Existenz dieses Vertrags bestätigen noch Inhalte dazu nennen – sofern es ihn denn gebe. „Eine juristische Begründung, warum der SFCV in der Arena drehen darf, müssen wir nicht herleiten.“
Dennoch sieht der Verein den SFCV definitiv als Partner, mit dem eine gute Zusammenarbeit bestehe. Mittlerweile erfahren wir auch durch das „Sprachrohr“, dem Blättchen des SFCV: „All diese Aufgaben kann der SFCV natürlich nicht ehrenamtlich, sondern nur durch hauptamtliches Personal erledigen. Dafür benötigt man natürlich Geld. Die Finanzierung dieser Aufgaben geschieht teilweise durch die Mitgliedsbeiträge, aber auch durch die Unterstützung von Schalke 04.“
Es fließt also Geld. Von daher wird sich den Mitgliedern auf der Jahreshauptversammlung die Frage stellen, wie unabhängig mögliche SFCV-Vertreter im Wahlausschuss von Vorstand und Aufsichtsrat sein könnten, über deren Zusammensetzung sie indirekt entscheiden.
Auf der Plattform „Starkes Schalke“, offiziell vom Verein eingerichtet, machte dieser auch Werbung für die sechs SFCV-Kandidaten und rät den Mitgliedern, sie zu wählen. Wohlbemerkt ungeachtet der Tatsache – oder genau wegen dieser -, dass finanzielle Zuwendungen an den SFCV fließen. Nach Protesten der Mitglieder hat die Seite „Starkes Schalke“ diese Wahlempfehlung rasch zurückgezogen.