Welches Profil sollten die Mitglieder des Aufsichtsrates mitbringen? SCHALKE UNSER geht dieser Frage auf die Spur.
Die Aufgaben eines Aufsichtsratsmitglieds des FC Schalke 04 sind in §7.5 der Satzung beschrieben. Im Wesentlichen geht es darum, dass der Aufsichtsrat den Vorstand (Peter Peters, Alexander Jobst, noch Horst Heldt / zukünftig Christian Heidel) im Auftrag der Mitgliederversammlung unterstützt und kontrolliert. Die Vorstände werden vom Aufsichtsrat bestellt und abberufen. Zudem bedürfen wirtschaftlich bedeutende Geschäfte des Vorstands der Zustimmung des Aufsichtsrats.
Damit sind die Aufgaben des Aufsichtsrats auch schon vollständig umschrieben. Die Arbeiten eines Aufsichtsrats sind ganz überwiegend im Hintergrund und ohne Einbindung der Öffentlichkeit und Medien zu erledigen. Die Kommunikation, insbesondere zu sportlichen Aspekten wie der sportlichen Situation, Transfers oder Trainerentlassungen bzw. Trainerverpflichtungen, obliegt einzig und allein dem Vorstand Sport und Kommunikation (zukünftig Christian Heidel). Zwar ist der Vorsitzende des Aufsichtsrats auch gleichzeitig dessen Sprecher. Das heißt aber nicht, dass er alles kommentieren und mit jedem besprechen darf. Wie ein Aufsichtsrat professionell arbeitet, zeigen uns fast alle Wettbewerber: Kaum jemand kennt deren Aufsichtsratsvorsitzenden aus den Medien.
Als Rechtfertigungsargument für operative Eingriffe in das Geschäfts des Vorstands wird zuweilen – selbst von Finanz-Vorstand Peter Peters – angemerkt, dass der Aufsichtsrat aufgrund der relativ niedrigen Summe von 300.000 Euro, ab der er alle Geschäfts des Vorstands genehmigen muss, in eine operative Tätigkeit geradezu „gedrängt“ werde. Dabei handelt es sich allerdings um ein grundlegendes Missverständnis. Der Aufsichtsrat wird keineswegs in eine operative Tätigkeit gedrängt, denn er ist weiterhin ausschließlich für die Genehmigung der vom Vorstand vorgeschlagenen Geschäfte zuständig. Der Aufsichtsrat soll die Geschäfte nicht selbst führen, sondern die Geschäftsführung des Vorstands kontrollieren und ab 300.000 Euro auch genehmigen. Damit ist ihm die ständig zu beobachtende Einmischung in das Tagesgeschäft „eigentlich“ verboten.
Beispiel: Wenn ein Trainer entlassen bzw. beurlaubt und ein neuer Trainer eingestellt werden soll, dann ist es die Aufgabe des Sport-Vorstandes, einen neuen Trainer zu finden. Dieses Geschäft muss dem Aufsichtsrat vorgeschlagen werden, da es die zustimmungspflichtige Grenze überschreitet. Der Aufsichtsrat kann dann dieses Geschäft genehmigen oder auch ablehnen. Er darf aber nicht selbst mit einem neuen Trainer verhandeln, weil dann der Aufsichtsrat seine eigene Tätigkeit kontrollieren müsste. Dieses Beispiel lässt sich auch auf nahezu jeden Transfer eines Profi-Spielers übertragen.
Die bisherige Praxis sieht allerdings offenbar anders aus. Der umstrittene Eilausschuss des Aufsichtsrats – aktuell bestehend aus Clemens Tönnies (Unternehmer, gelernter Fleischtechniker und Kaufmann) und Peter Lange (Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler) – interpretiert seine Rolle weitaus operativer. Auch wenn sich der Eilausschuss angeblich in jüngster Zeit vom Sportbeirat (Ebbe Sand, Mike Büskens, zuvor auch Huub Stevens) beraten lässt, sind die Verantwortlichkeiten weiterhin nicht hinreichend klar voneinander getrennt.
Um zu vermeiden, dass der Aufsichtsrat operative Tätigkeiten übernimmt, dabei möglicherweise sogar sportliche Entscheidungen außerhalb seines Verantwortungsbereiches trifft, sollte der Aufsichtsrat ein Budget freigeben, in dessen Rahmen der Vorstand frei handeln kann. Der Aufsichtsrat mischt sich damit nicht mehr in die sportliche Kompetenz ein, sondern gibt lediglich den finanziellen Rahmen vor. Auch führt dies dazu, dass der Aufsichtsrat seine Arbeit im Hintergrund erledigt und der Vorstand seine Verantwortlichkeit klar zugewiesen bekommt.
Welches Profil sollten die Mitglieder des Aufsichtsrates mitbringen?
Das Profil eines Kandidaten für den Aufsichtsrat leitet sich direkt aus seinen Aufgaben ab. Um die Arbeit eines Vorstands zuverlässig bewerten zu können, sind Kompetenzen aus den Bereichen Wirtschaft, Recht und Steuern erforderlich. Wünschenswert sind sicherlich auch berufliche Erfahrungen auf den Ebenen von Vorstand und Aufsichtsrat sowie weiterer Gremienarbeit. Schaut man in die Aufsichtsräte anderer Vereine/Kapitalgesellschaften, so finden sich dort auch eben deshalb häufig Vertreter der Berufsgruppen von Unternehmern, Juristen, Steuerexperten oder Wirtschaftsprüfern.
Es scheiden sich die Geister daran, ob sportliche Kompetenz im Aufsichtsrat sinnvoll oder gar hinderlich ist. Unseres Erachtens wird sie jedenfalls dann hinderlich, wenn im Aufsichtsrat dadurch ein „zweiter Sport-Vorstand“ entsteht, der dem eigentlichen Sport-Vorstand in seine Verantwortlichkeit hineinregiert. Ganz schlimm wird es, wenn sich dabei die Expertise im Aufsichtsrat aus „profundem Halbwissen“ zusammensetzt. Es kann eigentlich nur noch nach hinten losgehen, wenn sogar Transfers am Sport-Vorstand vorbei getätigt oder unnötige Trainerdiskussionen begonnen werden.
Ein wichtiges Kriterium für einen Aufsichtsrat ist es auch, als Mannschaftsspieler zu agieren. Man sollte sich natürlich dessen bewusst sein, dass Mitglieder des Aufsichtsrats in der Regel gestandene Persönlichkeiten sind, die Zeit ihres Lebens Machtkämpfe ausgefochten haben. Dennoch muss ein Mitglied des Aufsichtsrats die Fähigkeit besitzen, seine persönlichen Interessen den Vereinsinteressen unterzuordnen. Dazu gehört eben auch, dass er sich nicht im Scheinwerferlicht der Medien inszeniert, sondern im Hintergrund agiert.
Schauen wir mal zu anderen Klubs: Beim BVB ist auch ein Unternehmer Vorsitzender des Aufsichtsrats. Gerd Pieper, Inhaber der gleichnamigen Parfümerie-Kette, ist allerdings fast nie in der Bild-Zeitung oder im Sport 1-Doppelpass zu sehen. In München ist Karl Hopfner, zuvor langjähriges Vorstandsmitglied des FC Bayern, Aufsichtsratsvorsitzender und bei Borussia Mönchengladbach ist es der Medizin-Professor Dr. Reiner Körfer. Alles drei sind sicher auf ihre Art und Weise starke Persönlichkeiten, haben aber nicht den Geltungsdrang, in ihrer Rolle als „Boss“ im Rampenlicht zu stehen.