Klaus Fischer

(rk) Auf Schalke ist er eine Legende. Zwar nicht so sehr bekannt als Trainer, aber als „Mister Fallrückzieher“ schoss er 268 Tore in der Bundesliga – davon 182 für Schalke 04 – und liegt damit hinter Gerd Müller weiterhin unangefochten auf dem zweiten Platz der ewigen Torschützenliste. Doch Klaus Fischer half auch zweimal bei den Knappen als Interimstrainer aus.

Cover des Buchs Fallrückzieher
Auf die Frage nach seinem Lieblingsbuch hat Klaus Fischer einmal geantwortet: „Ich lese keine Bücher.“ Aber geschrieben – bzw. schreiben lassen – hat er inzwischen eines mit dem vielsagendem Titel „Fallrückzieher … und mehr“ .

Ende 1949 geboren begann der gelernte Glasbläser Klaus Fischer seine Karriere 1961 im tiefsten Bayern beim SC Zwiesel. Sieben Jahre später wechselte er zu den Löwen nach 1860 München, wo er allerdings nur zwei Saisons spielte. Schon hier bewies er seine Treffsicherheit und schoss in 60 Partien für die Löwen 28 Tore.

Im April 1970 hatte Günter Siebert bei Schalke die Forderung aufgestellt, „wir brauchen einen Mittelstürmer und Torjäger“, und erstmals den Namen Klaus Fischer ins Gespräch gebracht. Der damals 20 Jahre alte Vollblutstürmer war trotz seiner Treffer mit 1860 abgestiegen. Die 60er wollten allerdings ihren Torjäger auf keinen Fall abgeben. Der Schalker Vorstand schaltete jedoch schnell, schließlich war die halbe Bundesliga hinter Fischer her. Günter Siebert und Heinz Aldenhoven fuhren ins verschneite Zwiesel und sprachen mit Fischer und seinen Eltern.

Während der Verhandlung schellte auch der Geschäftsführer von 1860 an der Tür. Siebert und Aldenhoven kletterten durch das Fenster und sprangen in den meterhohen Schnee hinter dem Haus, warteten so lange, bis der Münchener fort war, und verhandelten dann weiter. Mit dem Ergebnis, dass sie am 1. Mai einen rechtsgültigen Lizenzspielervertrag mit dem Mittelstürmer präsentierten. München 1860 stimmte aber Fischer wieder um, der Scheck mit dem Handgeld landete wieder in Gelsenkirchen. Die Schalker fuhren erneut in den Bayerischen Wald. So ging es hin und her, ein Verfahren vor dem DFB drohte, bis die 60er einsahen, dass Schalke 04 am längeren Hebel saß.

Der Skandal und seine Folgen

Schalke baute mit Trainer Rudi Gutendorf in der Spielzeit 1970/71 auf viele große Namen, darunter Nigbur, Burdenski, Fichtel, Rausch, Rüssmann, Sobieray, van Haaren, Scheer, Lütkebohmert, Libuda, Pirkner und Fischer. Fischer knüpfte zunächst an seine hervorragenden Leistungen an und gewann 1971 mit den „Knappen“ den DFB-Pokal. Eine Berufung in die Nationalmannschaft schien nur eine Frage der Zeit zu sein.

Schalkes und auch Fischers Zukunft sahen rosig aus. Wenn, ja wenn da nicht der Bundesliga-Skandal dazwischen gekommen wäre. Knapp 37 Jahre ist es nun her, dass der Bundesliga-Skandal Deutschlands Kickerwelt in die schlimmste Krise seit Ligagedenken trieb. Siege, Niederlagen, Tore und Gegentore: Der naive Glaube an rein sportliche Realitäten war der Skepsis vor gebündelten Scheinen, gekauften Spielen und Spielern gewichen. Und Schalke war mittendrin. Wegen seiner Verstrickung in den Bundesliga-Skandal von 1971 wurde Fischer für die Saison 1972/73 gesperrt – ein Einsatz in der Nationalmannschaft rückte in weite Ferne.

Tor des Vierteljahrhunderts

Nach der Sperre lief er aber sofort wieder zur Normalform auf. Nachdem Klaus Fischer Jahr für Jahr Tore wie am Fließband erzielt hatte und 1976 mit 29 Treffern Torschützenkönig geworden war, berief ihn Helmut Schön doch noch in die DFB-Auswahl. In der Nationalmannschaft spielte er in 45 Spielen von 1977 bis 1982 und erzielte 32 Tore, das ist nach Gerd Müller die beste Quote (0,71) eines Top-10-Stürmers und eines Stürmers mit mindestens 45 Länderspielen. Er nahm an zwei Fußballweltmeisterschaften teil und wurde 1982 in Spanien Vizeweltmeister.

Bekannt wurde Klaus Fischer vor allem auch durch seine legendären Fallrückzieher, die ihm meist Rüdiger Abramczik auflegte. Sechsmal wurden seine Treffer von den Zuschauern der ARD-Sportschau zum Tor des Monats gewählt. Eines davon erzielte er 1977 im Länderspiel Deutschland – Schweiz (4:1), das Tor des Jahres, das später auch Tor des Jahrzehnts und Tor des Vierteljahrhunderts wurde. Nur in der Popularität und Bedeutung rangiert Klaus Fischers legendärer Fallrückzieher hinter dem 3:2-Siegtreffer von Helmut Rahn im WM-Finale von 1954. Sonst wäre er bei der Wahl zum Tor des Jahrhunderts ebenfalls auf Platz eins gelandet. Bei der Wahl zu „Unsere Besten Sportler“ (ZDF, Johannes B. Kerner) landete Klaus Fischer auf dem 32. Platz.

Sein wohl wichtigstes Tor, das 3:3 im Halbfinale der Weltmeisterschaft 1982 gegen Frankreich, schoss er ebenfalls per Fallrückzieher. Damit zog Deutschland ins Elfmeterschießen ein, das es für sich entschied und so ins Endspiel kam. Dort musste sich das Team von Jupp Derwall Italien mit 1:3 geschlagen geben.

Angesprochen auf seine Fallrückzieher-Technik sagt Fischer heute: „Diese Technik kann man nicht lernen. Auch ich habe diesen speziellen Fallrückzieher nie trainiert und nicht gelernt. So etwas kann man oder man kann es nicht. Wie will man lernen, was ,kleines dickes Müller’ konnte oder die Dribblings von Stan Libuda? Und selbst wenn Pelé einen solchen Fallrückzieher in einem Kinofilm hinbekommen hat, entscheidend ist immer im Spiel!“

1980 musste Fischer nach einem Schienbeinbruch ein halbes Jahr pausieren, verpasste dadurch die Teilnahme an der EM und konnte nach seinem Comeback in die Schalker Formation den Abstieg nicht mehr abwenden. Fischer wechselte zum 1. FC Köln (DFB-Pokalsieger 1983) und machte 1982 im WM-Finale gegen Italien sein letztes Länderspiel. 1984 verlässt er Köln und wechselt zum VfL Bochum, wo er 1988 noch einmal im DFB-Pokalfinale stand. Im gleichen Jahr beendete Klaus Fischer seine aktive Laufbahn.

Cover SCHALKE UNSER 57
SCHALKE UNSER 57

Warten auf Aleks

Klaus Fischer trainierte daraufhin zunächst die Schalker Amateurmannschaft, die Profis coachte zu dieser Zeit Peter Neururer. Doch Eichberg wollte einen neuen Trainer mit Aufstiegsgarantie und da schien Aleksandr Ristic der ideale Coach zu sein. Als Ernst­Happel-Schüler brachte er auch die entsprechende Schlitzohrigkeit mit. Zudem hatte er bei den Medien einen guten Ruf, war er doch immer für einen lockeren Spruch auf seinem Pattex-Stuhl bei der Fortuna in Düsseldorf zu haben.

Die Schalker Fans aber waren richtig sauer über den Neururer­Rausschmiss und empfingen ihren Präsidenten mit Schimpftiraden à la „Wir sind Schalker, Eichberg nicht.“

Die Vertragsverhandlungen zogen sich hin und wurden in der Presse breitgetreten. Ristic dementierte sogar zunächst Meldungen, nach denen er zukünftig auf der Schalker Trainerbank Platz nehmen sollte. Amateur- und Co-Trainer Klaus Fischer übernahm zusammen mit Manager Helmut Kremers für die letzten Spiele in 1990 das Training: Gegen Rot-Weiß Essen gab es einen 3:1-Sieg, gegen Darmstadt 98 (2:2), Saarbrücken (1:1) und Blau-Weiß 90 Berlin (1:1) allerdings nur Remis.

Kurz vor Weihnachten spielte Günter Eichberg Weihnachtsmann und legte den Schalke-Fans das „Geschenk“ Aleks Ristic unter den Christbaum. Klaus Fischer rückte wieder zurück ins Glied. Unter Ristic gelang dann tatsächlich der lang ersehnte Aufstieg in die erste Liga. Das „Eichberg-Fieber“ hatte inzwischen weite Teile Deutschlands erreicht, die Schalker Geschäftsstelle konnte massenweise Mitgliedseintritte verbuchen.

Bye-bye Aleks

Doch auch unter „König Aleks“ war nicht alles Gold, was glänzt. Auf dem Spielfeld lief es nach der Winterpause in der Saison 1991/92 gar nicht mehr. Einem 0:1 in Karlsruhe folgten in einem niveauarmen Spiel ein 0:0 gegen Werder Bremen, ein 0:2 bei Hansa Rostock und ein mageres 0:0 gegen Fortuna Düsseldorf. Die Talfahrt des FC Schalke 04 schien bedrohlich zu werden.

Im Endspurt der Bundesliga ging den Königsblauen anscheinend die Luft aus. Auch gegen die Stuttgarter Kickers verlor man zu Hause mit 1:2. Die Nerven lagen blank. Da misslangen die einfachsten Dribblings, die Bälle rutschten selbst gestandenen Spielern wie Günter Güttler vom Fuß. Zudem patzte Torhüter Jens Lehmann, der mit seinem verunglückten Abschlag den Stuttgartern nach 15 Minuten das 1:0 als verspätetes Ostergeschenk auf dem silbernen Tablett präsentierte.

Und dann der nächste Paukenschlag: Der FC Schalke 04 trennte sich wieder von Berater Günter Netzer. Eichberg nannte als Begründung, dass sich die Schalker Vereinsführung entschlossen habe, die „Experimentierphase“ über neue Wege des Managements abzubrechen, weil dieses Modell nicht erfolgreich gewesen sei. „Telefon-Manager“ Netzer hatte also ausgedient.

Aber das war lange noch nicht alles: Schalke feuerte kurz drauf auch noch Trainer Ristic. Kurz nach 18 Uhr platzte die Bombe im Schalker Trainingslager in Billerbeck: Abgeschottet von der Außenwelt hatte sich der Vorstand in stundenlangen Verhandlungen im Hotel Weißenburg zu diesem Schritt durchgerungen. Pressesprecher Andreas Steiniger verkündete den einstimmigen Vorstandsbeschluss in einer Kurzmitteilung: „Schalke hat sich von Trainer Ristic getrennt. Es gibt keine weiteren Stellungnahmen.“

Retter in der Not

Die langanhaltende sportliche Misere dürfte der Hauptgrund für den Trainer-Rausschmiss gewesen sein, aber der gewiefte Taktiker Ristic wies auch so manche menschliche Schwäche auf. Günter Güttler: „Im menschlichen Bereich gab es mit dem Trainer erhebliche Probleme. Er behandelt Menschen wie Material.“ Als großer Hoffnungsträger kehrte Ex-Kapitän Andreas Müller in den Kader zurück. Auf ausdrücklichen Wunsch von Präsident Eichberg reiste Müller der Mannschaft nach Dresden nach. Plötzlich war seine Kapselverletzung auskuriert.

Und Eichbergs Imperium geriet ins Wanken. Er, der sich allzu gern als der starke Mann von Schalke feiern ließ, musste eingestehen, dass seine zu großen Taten Auserwählten, Ristic und Netzer, ein persönlicher Irrtum waren. Mit sofortiger Wirkung übernahm Assistent Klaus Fischer das Abendtraining und sollte auch am nächsten Samstag in Dresden auf der Bank sitzen. Und auch der Trainerwechsel half bei Dynamo Dresden nicht (1:2). Doch Schalke wäre nicht Schalke, wenn man in Krisen nicht zusammenrücken würde.

Die Fans hatten schon immer ein besonderes Gespür dafür, und so kamen zum nächsten Heimspiel 51.200 Zuschauer ins Parkstadion, die ein packendes, streckenweise sogar hochklassiges Derby gegen den VfL Bochum mit einem verdienten 2:1-Sieger Schalke 04 sahen. Damit war der Klassenerhalt nur noch theoretisch gefährdet und auch Schatzmeister Rüdiger Höffken hatte frohe Kunde: „Wir haben die Lizenz sowohl für die 1. und 2. Bundesliga sicher“.

Beim 1. FC Köln war Schalke allerdings nur Sparringspartner (3:0). Beim 2:0-Erfolg im letzten Spiel der Saison über Kaiserslautern vor 61.200 Zuschauern beim Liga-Finale wurde Schalke noch einmal mit Lob überhäuft. Mit Platz 11 hatte die Mannschaft ihr Saisonziel in letzter Minute doch noch – auch dank Klaus Fischer – erreicht.

Dass der Schalker Kreisel rotierte, war jedem bekannt. Dass sich das Schalker Trainerkarussel noch schneller drehte, war allen klar, als der neue Trainer für die Saison 1992/93 vorgestellt wurde. Es war kein geringerer als Udo Lattek.

Der damals 57 Jahre alte Fußball-Lehrer, mit 14 nationalen und internationalen Titeln erfolgreichster Vereins-Trainer der Welt, war Wunschkandidat von Präsident Eichberg. Wieder rückte Klaus Fischer zurück ins zweite Glied, wo er bis 1994 die Amateurmannschaft weiter trainierte und inzwischen auch die Fußball-Lehrer-Lizenz an der Sporthochschule Köln erwerben konnte. 1997 gründete der zweimalige Familienvater eine Fußballschule, die für fußballbegeisterte Jungen und Mädchen im Alter von acht bis 15 Jahren ein Intensivtraining bietet.