(axt) Es ging in der „Causa Hopp“ um mehr als einen Menschen im Fadenkreuz. Während zahlreiche Sender, die an dem Produkt Bundesliga hängen, hysterisch kommentierten, lohnt sich ein Blick auf die Hintergründe.
30. September 2007:
„Schade, dass so eine Mannschaft einen der 36 Plätze im Profifußball wegnimmt“, sagte der damalige Manager von Mainz 05, Christian Heidel. Hopp reagierte da schon drastisch in einem Brief an Mainz 05, DFL und DFB, in dem er ein scharfes Vorgehen gegen Heidel forderte. „Jedermann ist glücklich darüber, dass der Deutsche Fußball-Bund und die DFL mit konsequenter Härte gegen Rassismus vorgehen. Wir würden uns wünschen, dass man Diskriminierung, wie sie Herr Heidel betreibt, mit der gleichen Konsequenz verfolgt.“ Heidel blieb gelassen: „Ich kann nicht eine Zeile finden, mit der ich diskriminiere oder zur Gewalt aufrufe. Ich habe nur das Modell Hoffenheim kritisch hinterfragt, das muss in einer freien Gesellschaft möglich sein.“
21. September 2008:
Beim ersten Spiel des BxB gegen Hoppenheim taucht das erste Mal ein Banner mit Hopp im Fadenkreuz auf und dem Spruch: „Hasta la Vista, Hopp!“ Die Staatsanwaltschaft ermittelt, stellt das Verfahren nach einer persönlichen Entschuldigung des Beschuldigten aber ein.
25. November 2009:
BxB-Boss Hans-Joachim Watzke kritisiert Hopp für sein „Engagement“ bei Hoffenheim. Am gleichen Tag fordert die AG aus Nordlüdenscheid ihre Fans auf, Hopp weder zu beschimpfen noch zu diffamieren.
16. August 2011:
Die TSG Hoffenheim gesteht nach langem Leugnen, dass sie mehrfach Fans in den Gästeblöcken mit „lauten, schrillen Tönen“ beschallt hat, wenn diese gegen das System Hopp protestiert haben. „Wir werden die Sachlage klären und dann abwägen, ob wir ein Verfahren einleiten werden“, verkündete der Vorsitzende des DFB-Kontrollausschusses. Er könne sich allerdings „kaum vorstellen, dass es hier in irgendeiner Weise Punktabzüge für die Hoffenheimer geben könnte.“ Mehrere Fans hatten Strafanzeige wegen Körperverletzung erstattet.
„Das Fadenkreuz ist schlimmer als schlimm. Das Fadenkreuz bedeutet, schieß auf ihn.“ Schreibt Chefpopulist Franz Josef Wagner in der „Bild“-Zeitung. Wirklich? Ein Blick in den Duden hätte geholfen – nicht nur ihm, auch manchem Fußballkommentatoren: „Fadenkreuz: an der Linse von optischen Geräten angebrachte Markierung in Form zweier senkrecht aufeinanderstehender Fäden oder eingeätzter dünner Striche zum genauen Visieren. jemanden im Fadenkreuz haben (jemanden scharf beobachten)“.
Beispiele: „Chávez sieht Venezuela im Fadenkreuz – Armee und Bevölkerung sollen sich auf möglichen US-amerikanischen Angriff vorbereiten“; „Die Schweiz und Österreich im Fadenkreuz des militärischen Nachrichtendienstes der DDR?“; „Hochschulen im Fadenkreuz der Privatisierung. Wird der Ausverkauf demokratischer und öffentlicher Hochschulen durch Lobbyorganisationen vorangetrieben?“
„Genau visieren“, „scharf beobachten“ – auch so kann es gemeint gewesen sein. Man muss nicht gleich „Die wollen den ermorden!“ ins Mikrofon rufen oder in seine Kolumne schreiben. Zumal Sprache ja genau das Metier von Journalisten ist.
Quellen: Duden, Redensarten-Index
16. Februar 2012:
Nachdem man lange nichts gehört hat, kommt der DFB-Kontrollausschuss zu dem Urteil, es habe sich um einen „Lausbubenstreich“ aus Hoffenheim gehandelt. Der Verein wird nicht bestraft. Fanszenen kontern mit dem Banner „Dietmar Hopp, du Sohn einer Hupe.“
16. August 2017:
DFB-Präsident Reinhard Grindel erklärt, man setze Kollektiv-strafen aus.
22. September 2018:
Im Sinsheimer Gästeblock zeigen BxB-Fans erneut ein Banner mit Hopp im Fadenkreuz, dazu das Spruchband: „Strafverfahren & Hausverbote wegen beleidigenden Gesängen? Was soll die Scheiße, du Hurensohn?“ In den vergangenen Jahren hat der Hoffenheimer Unsouverän mehr als 60 Fans wegen Beleidigung angezeigt und strafrechtlich verfolgen lassen. Zu den Prozessen erschien er nicht; den Gerichten lag auch keine ladefähige Adresse vor. Man wolle nicht, so seine Anwälte, dass diese in den Akten auftauche.
2. November 2018:
Das DFB-Sportgericht verhängt ein „Stadionverbot auf Bewährung gegen BVB-Fans in Hoffenheim“. Bei Verstoß gelte diese Kollektivstrafe bis 2022. Dazu kommen verschärfte Kontrollen in Sinsheim.
25. Juli 2019:
Die Fifa veröffentlicht ihren Drei-Stufen-Plan, wie bei rassistischen Vorfällen zu handeln ist. Der DFB adaptiert die Regelungen, bringt sie aber in der Folge nicht zum Einsatz.
20. Dezember 2019:
Der BxB tritt in Sinsheim an, es gibt wieder Anti-Hopp-Spruchbänder: „@Hopp: Wir scheißen auf dich“, „Du Hurensohn!!!“ und „Wir wünschen allen ein frohes Fest und dir dein letztes!“ 14 BxB-Anhänger hatten zuvor ein Hausverbot für das Spiel bekommen.
21. Februar 2020:
Das hat Konsequenzen für die Nordlüdenscheider Aktiengesellschaft: 50.000 Euro Strafe – und zwei Jahre Ausschluss der Fans aus dem Sinsheimer Gästeblock.
22. Februar 2020:
Gladbacher Fans zeigen ebenfalls ein Fadenkreuz-Plakat. Auch Gladbachs Manager Max Eberl vergleicht dies mit den rassistischen Attentaten von Hanau.
29. Februar 2020:
Bei Hoffenheims Heimspiel gegen Freiburg gibt es zu Beginn der zweiten Halbzeit Schmähungen nicht gegen den Gast, sondern gegen Hopp. Die Fanszene präsentierte zahlreiche Banner mit Kritik am DFB. Bayern-Ultras halten in Hoffenheim ihre Meinung hoch: „Alles beim alten: Der DFB bricht sein Wort. Hopp bleibt ein Hurensohn!“ Weitere Fanszenen solidarisieren sich; mehrere Spiele bis hin zur 3. Liga werden unterbrochen.
1. März 2020:
Der DFB-Kontrollausschuss ermittelt, ebenso die Berliner Polizei gegen Union-Anhänger. Hopp in „Sport 1“: „Wenn ich nur im Entferntesten wüsste, was diese Idioten von mir wollen, dann würde es mir alles leichter fallen das zu verstehen. Ich kann mir nicht erklären, warum die mich so anfeinden. Das erinnert an ganz dunkle Zeiten.“ Auf welche er anspielt, bleibt offen. Bereits 2012 hatte er Gespräche mit BxB-Fans für „sinnlos“ erklärt und dass er sich weigere, welche zu führen.
4. März 2020:
Der DFB verschärft den Drei-Stufen-Plan – und stellt die Schmähungen gegen Hopp und die rassistischen Attentate von Hanau auf eine Stufe: „Für den DFB war es unerträglich, drei Tage nach den rassistischen Morden von Hanau in Fußballstadien in Deutschland Banner zu sehen, auf denen ein Mensch im Fadenkreuz steht.“ Der DFB betont: „Es handelt sich bei den Vorgängen am Wochenende keinesfalls um eine ,Lex Hopp’.“ Gleichzeitig erläutert der DFB, warum die „Unparteiischen“ im Fall Jordan Torunarigha untätig geblieben sind: „Der Schiedsrichter wurde erst nach Ende der regulären Spielzeit, vor der Verlängerung, über den Vorfall unterrichtet, der sich etwa in der 70. Spielminute zugetragen hat. Der DFB muss sich aber die Frage gefallen lassen, ob der Fußball in der Vergangenheit immer alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um rassistischen und diskriminierenden Äußerungen unmissverständlich entgegenzutreten und die Betroffenen zu schützen.“ Diese Frage beantwortet der DFB allerdings nicht, sondern verweist – ausgerechnet – in exakt einem Beispiel auf einen Fall, bei dem die Fans eine sehr tragende Rolle gespielt haben: „Als Leroy Kwadwo während eines Drittligaspiels rassistisch beleidigt wurde, sendeten die Fans, Preußen Münster und die Würzburger Kickers, die Schiedsrichterin Katrin Rafalski und der DFB sowie im Anschluss die gesamte 3. Liga eine klare Botschaft.”
11. März 2020:
Wegen der Covid-19-Pandemie findet das erste und einzige Mal in der Geschichte der Bundesliga ein Geisterspiel statt. Die Hysterie um Spruchbänder hat sich damit erst einmal erledigt – und das Thema bleibt nicht ausdiskutiert.