(ru) Am 12. Oktober 2008 machte sich die Schalker Traditionsmannschaft auf die Reise nach Usbekistan. Auf Einladung der deutschen Botschaft in Usbekistan und Gazprom Germania trugen die Ex-Profis um Marc Wilmots ein Freundschaftsspiel zugunsten eines Kinderheimes in Taschkent aus. Mit dabei und sozusagen der Reiseleiter bei der Besichtigung von Gasförderstätten ein Mann, dem man nicht zugetraut hätte, noch in Amt und Würden zu stehen: Hans-Joachim Gornig, seines Zeichens Geschäftsführer von Gazprom Germania.
Denn Gornig blies in der letzten Zeit der Wind ins Gesicht. In den letzten Monaten musste der sonst als medienscheu geltende 66-Jährige Rechtfertigungen abgeben und mit ansehen, wie die Hauptzentrale Gazproms ein Revisionsteam zur Tochterfirma Gazprom Germania und somit in Gornigs Zuständigkeitsbereich entsandte. Es klang an, dass man in Russland „not amused“ war über das, was da bei dem Gasunternehmen in Deutschland ans Tageslicht gefördert wurde. Das positive Image, durch Unterstützung für kulturelle oder soziale Veranstaltungen oder Engagement für Kinder und gegen Gewalt in Deutschland verbreitet, bekam nicht unerhebliche Risse.
So wurden in einem Spiegel-Artikel vom 25.08.2008 die Rechercheergebnisse eines sechsköpfigen Journalistenteams, das Gazprom Germania über mehrere Monate unter die Lupe genommen hatte, veröffentlicht. Darin Folgendes: Über eine Reihe von Mini-Firmen soll das Unternehmen Geldzahlungen verschleiert haben, von denen vor allem einer profitierte: Hans-Joachim Gornig. Als Geschäftsführer der Gazprom Germania vergab er Aufträge an ein Unternehmen, an dem er als Privatmann beteiligt war. Durch diese Mini-Firmen, deren Geschäftstätigkeit für die SpiegelAutoren nicht erkennbar war, flossen nicht gerade geringe Summen.
Gazprom-Vize Alexander Medwedew hatte laut Spiegel gesagt, Gazprom wolle lieber „für Batman als für Godzilla gehalten werden“. Schnell machte wohl die Befürchtung die Runde, Godzillas Antlitz schaue zwischen dem durch Schalke-Trikotsponsoring und sozialen Einsatz zusammengenähten Batman-Umhang hervor.
Die „Berliner Morgenpost“ schrieb am 12.9.2008, dass die Firma Gazprom den Fall in Kürze bereinigen werde, und auch der Spiegel-Artikel endete mit dem Verweis, dass aus dem Gazprom Germania-Umfeld verlautbart würde, der Chef habe sich „nun lange genug am Unternehmen verdient gemacht“.
Als Gornig sich gezwungen sah, selbst an die Presse zu gehen, verkündete er, dass die Geschäfte mit „Gasconsult“ (besagter Firma, an der Gornig die Anteile hält) „wie unter fremden Dritten“ und „zu üblichen Marktpreisen“ vonstatten gegangen seien. Die Revisionsfirma habe er selbständig eingeschaltet. Doch ist einmal eine Leitung angebohrt und Gas entweicht, kann es sich an vielen Stellen entzünden. So wurde aus dem Strohfeuer um Strohmänner ein größerer Brandherd. Denn die Riege an führenden Mitarbeitern bei Gazprom Germania hat dem Spiegel zufolge eine nicht minder brisante Vergangenheit bei der Stasi hinter sich.
Felix Strehober, Gazprom-Finanzchef, war Offizier mit besonderem Einsatz für die SED und bespitzelte offenbar auch schon mal seine Kommilitonen. Personalchef Hans-Uve Kreher ging damals als „IM“ sogar noch einen Schritt weiter und hat nach Aktenlage seine eigene Mutter an die Stasi verpfiffen. Gornig selbst war in der DDR Regierungsbeauftragter für Erdgasleitungsbau. Und dann ist da noch Matthias Warning, neben Gerhard Schröder (Bundeskanzler a. D.; für alle, die ihn nicht mehr kennen) in der Gazprom-Pipelinegesellschaft „Nordstream“, der als ehemaliger Industriespion gilt. Im Bericht des Spiegels klingt an, dass es „Putins Methode“ war, „Männer seines Vertrauens“ einzusetzen. Russlandkenner Alexander Rahr vermutet, dass der Ex-KGB-Mann Putin seinen alten Stasi-Freunden zu neuen Jobs verhalf.
Undurchschaubare Verbindungen und ehemalige KGB-/Stasi-Akteure: Vorwürfe, die auch dem Mutterkonzern von Gazprom bekannt vorkommen müssten. Zudem sieht sich „der militärähnlich gedrillte Gazprom-Apparat“ (Spiegel) ständig mit Vorwürfen der Verbindungen zur russischen Mafia konfrontiert. Laut „Stern“ verfolgte gar das FBI diesen Verdacht. An diesem Punkt kommt auch der Fußball wieder ins Spiel. Denn der festgenommene Gennadi Petrow, der den Bayern Manipulation vorwarf, war Kopf der Tambow-Mafia, die nach den Aussagen mehrerer Experten beste Kontakte pflegte zu Wladimir Putin und Zenit St. Petersburg, dem zumindest von offizieller Seite durch die Zusammenarbeit mit Gazprom lancierten Partnerverein des S04.
Mafia-Experte Jürgen Roth berichtete im Spiegel-Interview bereits 2005: „Das Gazprom-Imperium war zumindest in der Vergangenheit über diverse Tochterfirmen eng mit kriminellen Strukturen verhaftet.“
Soweit die Einschätzungen einiger Experten fernab des Balls. Durch das Sponsoring auf Schalke erfreut sich Gazprom hingegen nachweislich wachsender Bekanntheit. Die Rede ist hier von „positiveren Assoziationen dank Schalke“. Imageforschungen für Schalke sind bisher noch nicht bekannt. Auf diversen Webseiten kursieren zwar Gerüchte, ein Rauswurf Gornigs hätte auch die Nicht-Verlängerung des Gazprom-Deals mit Schalke zu Folge, aber noch haben sich alle lieb.
So auch in Usbekistan bei der Reise mit dem Schalker Vorstand und der Traditionsmannschaft des S04. Für Hans-Joachim Gornig muss es entspannend gewesen sein, abzuschalten von den Fragen der Journalisten. Denn von Schalke werden ihm anscheinend keine gestellt.