Englands Boss Capello macht weiter wie bisher, während ein Schalker Spieler auf einen Anruf wartet. Die Nachricht aus England ist, dass ein Schalker Spieler hier in den Nachrichten ist. Lewis Holtby, geboren in Erkelenz in der Nähe von Mönchengladbach, mag zwar Kapitän von Deutschlands U21 sein, aber Lewis Holtby ist ein sehr englischer Name. Geboren von einer deutschen Mutter, Heidi, ist Holtbys englischer Vater ein Veteran des Falklandkrieges, und war in der Nähe von Mönchengladbach in Rheindahlen stationiert. Holtby nennt seinen Vater als seinen größten Einfluss.
„Wir lieben uns, wie wir das Spiel lieben“, sagt er. „Er spielte selbst für die Armee und in Deutschlands unteren Ligen. Er ist immer bei meinen Spielen, und als ich jünger war, hatten wir viel Spaß, uns die Premier League anzusehen. Er weckte in mir die Liebe zum Fußball und hatte maßgeblichen Einfluss daran, dass ich ein Everton-Fan wurde.“ Holtby ging zum 1995er Cup-Finale ins Wembley-Stadion, als Paul Rideouts Tor Manchester Uniteds Niederlage besiegelte. Der Kapitän der deutschen U21 war für die Fußballmedien hier Thema, weil er durchaus auch für England spielen könnte.
Die Diskussion entzündete sich an der aktuellen Lage von Englands Team. Trainer Fabio Capello wurde für sein Gehalt von sechs Millionen Pfund ebenso heftig kritisiert wie für Englands schwachen Auftritt bei der Weltmeisterschaft in diesem Sommer. Dies mündete in Rufen nach frischem Blut in der Nationalmannschaft und in Forderungen, dass der sture Italiener seine Suche nach einem möglichen Talent ausweiten solle. Capellos Beschluss, seinen Posten nach der 2012er Europameisterschaft zu räumen, hat nicht geholfen seine Kritiker davon zu überzeugen, dass er sein hohes Gehalt zu Recht verdiene. Weit davon entfernt, ein neues englisches Talent zu suchen, setzt er für die Euro so sehr auf die alte Garde, dass er Emile Heskey überreden wollte, beim Qualifikationsspiel gegen Montenegro weiterzumachen, obwohl er seinen Rückzug aus dem internationalen Fußball angekündigt hatte.
Abseits Capellos Scheuklappenblick hat England eine Anzahl junger Spieler, die Fortschritte machen, die es lohnenswert machen, sie sich einmal genauer anzusehen. Arsenals Mittelfeldspieler Jack Wilkshire ist ein Perspektivspieler: Sowohl kämpferisch als auch kreativ entwickelte er sich in der vergangenen Saison bei den Bolton Wanders, um dieses Jahr zu den Gunners zurückzukehren. Obwohl ihn viele als Zukunftsoption im Mittelfeld sehen, hat der italienische Trainer diese Perspektive nicht gesehen und ihn nicht in die Nationalmannschaft berufen. Es gibt wohl einige Vorbehalte gegen frisches Blut in der englischen Nationalmannschaft, in jedem Fall fehlt das Vertrauen.
Das kontrastiert mit Deutschlands Nationalmannschaft, bei der Joachim Löw mehr als willens war, junge Spieler zu bringen, die sich in der U21 bewährt haben. Das, so die Kritiker in England, ist der entscheidende Unterschied zwischen England und Deutschland. Das hat eine klare Fußballphilosophie auf allen Altersstufen, und es reicht nicht aus, ein gutbezahlter Star zu sein, um sich in der Aufstellung wiederzufinden. Im Gegensatz dazu reicht es in England aus, ein gutbezahlter Star zu sein, um seinen Namen in der Aufstellung wiederzufinden.
Sicher wird sich England für die Spiele in Polen und der Ukraine qualifizieren, aber wie lautet der Plan für Brasilien 2014? Es kann für das englische Team nicht gesund sein, wenn der Trainer seine Zukunft auf 2012 begrenzt. Capellos Focus liegt auf kurzfristigen Erfolgen. Das ist schon klargeworden, als er den 33 Jahre alten Stürmer Kevin Davis von den Bolton Wanderers in das Aufgebot für das Qualifikationsspiel gegen Montenegro berief. Davis hatte eine passable Karriere im Premier-League-Fußball, sein kampfbetonter Stil passte gut zu Boltons Spielweise. Allerdings hat er 2009/10 mehr gelbe Karten als Tore gesammelt, so dass seine Berufung im „hohen“ Alter kaum eine inspirierte Wahl war. Wurzel des Problems ist, dass die Entwicklung des englischen Teams nicht funktioniert, zumindest nicht schnell genug. Capello schien die Lektionen aus der desaströsen Weltmeisterschaft gelernt zu haben, als er den von allen favorisierten Keeper Joe Hart und dessen Teamkollegen Adam Johnson für ein Freundschaftsspiel gegen Ungarn im August berufen hat. Aber seitdem scheint er wieder in seine alte Routine zu fallen.
Das bringt uns zurück zu Lewis Holtby. Warum all die Aufregung um einen Spieler, den Schalke für drei Millionen Euro gekauft hat und dann nach Bochum und Mainz ausleiht? Gut, vielleicht ist Holtby nicht die Antwort auf Englands Probleme, aber der Punkt ist, dass Holtby mit den 05ern Eindruck schindet. Da sein Vater Königin und Vaterland gedient hat, könnte Holtby kaum englischer sein. Also sollte der britische Fußballverband, die FA, auf ihn aufmerksam geworden sein. Doch weit gefehlt – unglaublicherweise scheint es zweifelhaft, dass die FA überhaupt von Holtby gehört hat. Manch „ausländischer“ Spieler wurde schon mit Englands Aufgebot in Verbindung gebracht: Tottenhams italienischer Torwart Carlo Cudicini, Arsenals Manuel Almunia und Evertons Mittelfeldspieler Mikel Artete. Alle drei leben seit fünf Jahren in England, obwohl die FIFA entschieden hat, dass Arteta nicht für England auflaufen kann, weil er keinen britischen Pass besaß, als er für Spaniens Junioren aufgelaufen ist. Manchester Uniteds Owen Hargreaves scheint eine bemerkenswerte Ausnahme zu sein: geboren in Kanada, hat er eine walisische Mutter, einen englischen Vater und eine deutsche Fußballausbildung.
Vielleicht ist es zu viel, Capello zu bitten, er solle einmal in Deutschland einen „deutschen U21-Spieler“ scouten, aber mit seinem enormen Gehalt gibt es sechs Millionen Gründe, warum er einen Flug buchen oder zum Telefon greifen sollte, um mit Holtby über Englands Nationalmannschaft zu sprechen. Ich kann schon fast das ungläubige Heulen aus Deutschland hören, dass England versucht, Deutschlands U21-Kapitän zu wildern, aber so, wie die Dinge stehen, kann er noch für beide Nationalmannschaften antreten, und hey, ich mag die Idee, einen Schalker Spieler die drei Löwen tragen zu sehen. Das Interesse war so groß, dass der Radiosender „Talk Sport“ beschloss, Capello zu helfen und selbst beim deutschen U21-Kapitän anzurufen. Da sagte Holtby: „Ich trage beide Länder in meinen Herzen. Als Kind habe ich England unterstützt, aber ich bin kein Verräter. Ich muss Deutschland ehren und respektieren. Ich liebe England, aber Deutschland hat mich mit dem Kapitänsamt geehrt, und ich muss diese Anerkennung zurückgeben. Es ist bizarr. Ich habe England immer unterstützt, aber ich spiele nun für Deutschland. Ich muss zugeben, als England 5:1 in München gewonnen hat, war ich wirklich ein Englandfan. Ich war elf und hatte mein T-Shirt an, alles.“ Er gab sogar zu, Englands Hymne mitgesungen zu haben, als er neulich für Deutschland gegen Nordirland angetreten ist.
„Dieses Jahr habe ich das WMSpiel zwischen Deutschland und England mit meinem Vater angesehen. Er hat auf seinen Fingernägeln gekaut, und ich saß ruhig und entspannt da und habe auf ein gutes Spiel gehofft, bei dem der Beste gewinnt. Danach war mein Vater traurig, und als das Lampard-‚Tor’ nicht gegeben wurde, war er pikiert. Für mich persönlich wäre es schwierig, an einem Tag für Deutschland und am nächsten für England zu spielen. Von der deutschen Nationalmannschaft gekommen zu sein und dann in einem Team voller Engländer zu spielen … nun, es ist nicht so, als ob man den Verein wechselte. Ich muss Deutschland Respekt zollen für das, was es für mich getan hat, wie es mir geholfen hat, mich zu entwickeln. Das ist eine Entscheidung, die ich wohl schon getroffen haben. Aber beides zu tun, wäre eine Ehre. Meine Familie ist über ganz England verteilt. Mit einigen telefoniere ich jede Woche und die Bindungen sind immer noch stark. Es ist schön, das zu haben, und ich versuche so oft wie ich kann nach England zu kommen.“
Ganz schloss er einen Wechsel nach England eines Tages nicht aus. „Wenn ich mich wie gehofft verbessere, bekomme ich das richtige Angebot und dann werde ich es vielleicht annehmen. Aber ich fühle mich in der Bundesliga sehr wohl. Es ist wirklich gut, ein Teil von ihr zu sein.“
„Wann immer ich in England bin, gehe ich so oft ich kann zu Spielen. Ich erinnere mich an das ChelseaSpiel in Newcastle an Weihnachten. Die Atmosphäre war wirklich elektrisierend. Dieses Spiel hat mein Herz für den englischen Fußball geöffnet und eines Tages möchte ich dort spielen. Ich habe es ganz nah an den Fans erlebt. Sie leben jedes Spiel, als ob es ihr Geburtstag wäre. Das ist wirklich brillant. Aber es hier ist der Ort, wo ich zum Mann werden möchte und mental stark.“ Auf die Frage, ob er bereit wäre, seine Möglichkeiten mit Capello zu diskutieren, sagte er „Talk Sport“: „Ich würde definitiv zuhören. Ich gebe einer Unterredung immer eine Chance und würde sie niemals ablehnen. Ich liebe beide Länder und zolle beiden Respekt, vor allem einer Legende wie Capello.“
Wohl mögen die Englandfans nicht ganz Holtbys Wortwahl „Legende“ zustimmen, wo doch seine Kurzfristplanung Englands Aussichten für die WM 2014 untergräbt, wenn nicht sogar die für die Euro 2012. Und es fordert wohl einiges an Vorstellungsvermögen, dass der Trainer zum Hörer greift, um Holtby anzurufen. Wenn dieser aber seine großartige Form in Mainz weiter unter Beweis stellt, wird es für Capello schwer, den Anruf nicht zu tätigen. Dann wird es Zeit für Lewis, eine Entscheidung zu fällen.
Ray
von den Yorkshire Schalkern