Die Schalker Knappen gingen als Herbstmeister in die Rückrunde der Saison 1971/72, gejagt von Bayern München und Gladbach. Auch im DFB-Pokal war Schalke noch vertreten, und das, obwohl Schalke der Hertha auf dem Spielfeld eigentlich unterlegen war. Sportlich lief es also bei den Königsblauen optimal – doch der Bundesligaskandal hing immer noch wie ein Damoklesschwert über dem Schalker Markt. Alles im grünen Bereich
Der Herthaner Zoltan Varga hatte in der Saison 70/71 vor dem Spiel gegen Bielefeld von seinen Mitspielern einen höheren Anteil an der Bestechungssumme verlangt. Während der Halbzeit rief er seine Frau an: „Ist das Geld da?“ Weil es nicht da war, spielte der Ungar Varga nach der Pause als einziger auf Sieg, traf auch die Latte, konnte den Bielefelder Triumph im Alleingang aber dann doch nicht verhindern. Das Urteil des DFB-Sportgerichts am Freitagabend vor dem Start der Rückrunde wurde eine Stunde vor Mitternacht gefällt: Schalke 04 hatte mit dem Protest gegen die Wertung des DFB-Pokalspiels gegen Hertha BSC Erfolg. Da die Berliner den DFB-seitig gesperrten Varga einsetzten, stand nun der FC Schalke 04 in der nächsten Pokalrunde.
Die Rückrunde hätte aus Schalker Sicht kaum besser starten können. Mit einem Norbert Nigbur in Superform wurde Hannover 96 mit 5:0 förmlich weggefegt, der zehnte Sieg im zehnten Heimspiel. In einer überaus hart geführten Begegnung beim MSV Duisburg bekam Schalke jedoch wieder einen kleinen Dämpfer (0:2).
Einer lügt
Die VIII. Zivilkammer des Essener Landgerichts war nun Schauplatz des Streits zwischen dem ehemaligen Bielefelder Jürgen Neumann und dem FC Schalke 04. Neumann hatte in einem Boulevard-Blatt behauptet, Bielefeld habe die beiden lebenswichtigen Punkte am 17. April 1971 mit 40.000 Mark erkauft. Auf diese Behauptung antworteten acht Schalker Spieler mit einer Unterlassungsklage. Schlüsselfiguren des ersten Beweistermins waren die früheren Schalker Spieler Waldemar Slomiany (nun Arminia Bielefeld), Klaus Senger (nun Fortuna Düsseldorf) sowie der ehemalige Arminia-Funktionär Franz Greif. Greif behauptete, er persönlich habe Slomiany eine Stunde vor Spielbeginn die 40.000 Mark in einem Umschlag übergeben. Nach einigem Zögern erklärte er sich schließlich bereit, diese Aussage zu beeiden. Slomiany allerdings blieb bei seiner Aussage: „Ich habe kein Geld bekommen, nichts bekommen, auch keinen Brief.“ Klaus Senger, der das Geld von Slomiany zur Verteilung an seine Mannschaftskameraden erhalten haben soll, blieb ebenfalls bei seiner Aussage: „Mit mir ist darüber nicht gesprochen worden. Ich habe auch keinen Briefumschlag bekommen.“ Einer sagte die Unwahrheit, und so kommentierte der Gerichtsvorsitzende: „Die Wahrheit ist schon eine schwere Sache.“ Man vertagte sich auf Mitte März und nahm Slomiany aufgrund des Schwurs von Franz Greif in eine Vorsperre.
Gegen den Hamburger SV gewann man das nächste Heimspiel in einer wahren Schlammschlacht mit 3:0. Mann des Tages war Klaus Scheer, der zwei Tore zum Sieg beitrug. In Schalke schien die Welt wieder in Ordnung zu sein. Die Fastnacht stand vor der Tür und Schalke musste gleich gegen zwei Karnevalsvereine antreten: Im DFB-Pokal zog man gegen Fortuna Düsseldorf ins Viertelfinale ein (1:1 und 2:1), und beim 1. FC Köln gab es den ersten Bundesligasieg überhaupt. Am nächsten Tag fuhren Günter Siebert, Heinz Aldenhoven und Ernst Kuzorra gemeinsam nach Frankfurt. Dort wurde das Urteil gegen Arminia Bielefeld mit Spannung erwartet. Bielefeld wurde wegen unsportlichen Verhaltens in fünf Fällen die Lizenz entzogen und die Rückversetzung in die Regionalliga (und dort zehn Punkte Abzug) verfügt. Ein harter Schlag.
Berg und Tal mit S04
Schalke sollte es egal sein. Nächstes Heimspiel, nächster Sieg. 2:0 gegen Eintracht Frankfurt, da platzte die nächste Bombe: Waldemar Slomiany, der mittlerweile selbst bei Bielefeld spielte, gab auf einmal zu, tatsächlich doch die 40.000 Mark erhalten zu haben. Nun ging alles drunter und drüber. Schalkes Rechtsanwalt Walter Becker zog unerwartet die Klage gegen Jürgen Neumann zurück. Anscheinend wollte er Slomiany vor einem Meineid bewahren. Dennoch wussten vier der acht klagenden Spieler vorerst nichts davon, dass Becker die Klage zurückgenommen hatte. Stan Libuda meinte: „Die Rücknahme unserer Klage hat uns unser Anwalt empfohlen.“ Auf die Frage, was man mit der ganzen Angelegenheit bezwecken wollte, antwortete er nur mit einem Schweigen. Den Grund des Schalker Umfallers sah Schatzmeister Aldenhoven „rein sportlich“: „Die Spieler wollten ihren alten Mannschaftskollegen eben nicht bloßstellen.“
Immerhin: Waldemar Slomiany beharrte vorerst auf seiner neuen Darstellung, wonach er die 40.000 Mark Schmiergeld zwar vom damaligen Bielefelder Mannschaftsbetreuer Franz Greif erhalten, dann aber in die eigene Tasche gesteckt habe. Vor dem Essener Landgericht war er vorher noch zum Eid bereit, dass er nie das Geld empfangen habe. Ihm drohten nun Anklage wegen falscher Aussage und Unterschlagung. Merkwürdig erschien dies alles auch Chefankläger Kindermann: „Da soll uns ein Buhmann präsentiert werden. Wir vom Kontrollausschuss sind nicht bereit, den Beteiligten das abzunehmen.“ Rechtsanwalt Becker hatte mit seinem Klagerückzug schlafende Hunde geweckt.
Eigentlich unglaublich, wie sich die Spieler ob solchen Wirbels überhaupt noch auf den Fußball konzentrieren konnten. Den BVB fertigte man noch mit 3:0 ab, in Bremen (0:2) hielten die Nerven nicht stand und gegen Düsseldorf gewann man zwar mit 3:0, jeder andere Gegner hätte an diesem Tag aber wohl Schalke von der Tabellenspitze gefegt.