Kommando zurück: Man darf wieder “Sitzer absetzen”-Banner hinhängen, so oft und so viel man will. Nach Auskunft des Vereins haben Gespräche mit der Polizei ergeben, dass die durchgereichte Forderung doch eher kontraproduktiv sei, das Thema aus der Öffentlichkeit zu halten. Die Damen und Herren Rechtshüter haben darum beschlossen, ihre dringende Bitte zurückzuziehen.
Der Ursprungstext: Der Verein droht den Ultras Gelsenkirchen für eine legitime Meinungsäußerung mit Hausverbot. Das mit dem “Gräben zuschütten” haben wir uns irgendwie anders vorgestellt. Dabei hat der Verein einst behauptet: “Bei Beachtung der Stadionordnung sowie der Grundsätze von Recht und Gesetz ist grundsätzlich jede Meinungsäußerung zulässig.” Viel ist davon nicht übrig geblieben. Dass der Verein sich auf die Seite der Polizei stellt und lieber seinen Fans droht, spricht eine deutliche Sprache. Alle Beteuerungen, man bleibe seiner Kritik an dem Einsatz während des Paok-Spiels treu, sind damit offensichtlich Makulatur.
Falls der Vereinsvorstand es vergessen haben sollte: Es ist Einsatzleiter Klaus Sitzer zuzuschreiben, dass 87 Menschen mit einem chemischen Kampfstoff eingedeckt wurden. Es ist Einsatzleiter Sitzer zuzuschreiben, dass 87 Menschen mit Schlagstöcken zusammengeschlagen wurden. Es ist Einsatzleiter Sitzer zuzuschreiben, dass eine junge Frau in einen lebensgefährlichen Zustand geriet. Wer hier ein “schutzwürdiges Interesse” hat, ist klar. Dass der Verein jetzt lieber diejenigen vom Spiel ausschließen will, die unter dem Polizeieinsatz gelitten haben, verhöhnt die Opfer und hebt neue Gräben aus, statt sie zuzuschütten.
Aber kann der Verein so ein Banner einfach verbieten, indem er sich auf sein Hausrecht beruft? Eine unter Juristen noch nicht final entschiedene Frage. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht diese Frage für Bahnhöfe und Flughäfen entschieden – Hausrecht genügt eben nicht, eine Demonstration zu untersagen -, aber beide befinden sich mehrheitlich in öffentlicher Hand und müssen darum auch den Anforderungen genügen, die an den Staat zu richten sind. Für Privatunternehmen gilt diese Regelung bewusst nicht.
Aber hier gilt anderes – der Bundesgerichtshof hat einst zu Stadionverboten geurteilt und nicht nur das gesagt: “Bei der Festsetzung von Stadionverboten sind andere Maßstäbe anzuwenden als bei der strafrechtlichen Sanktionierung von Störungen bei früheren Spielen.” Sondern er führte in seinem Urteil auch aus: “Will er bestimmte Personen davon ausschließen, muss er deren mittelbar in das Zivilrecht einwirkende Grundrechte beachten; ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot der Gleichbehandlung lassen es nicht zu, einen einzelnen Zuschauer willkürlich auszuschließen (Breucker, JR 2005, 133, 136). Vielmehr muss dafür ein sachlicher Grund bestehen.”
Heißt im Klartext: Es darf keine Willkür herrschen. Zulässige Meinungsäußerungen sind wohl kein sachlicher Grund für einen Grundrechtseingriff. “Da die Verhängung eines Hausverbots seine Grundlage in einem Unterlassungsanspruch nach §§ 862 Abs. 1 Satz 2, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, hat, setzt es voraus, dass eine künftige Störung zu besorgen ist. Konkret geht es darum, potentielle Störer auszuschließen, die die Sicherheit und den reibungslosen Ablauf von Großveranstaltungen wie einem Liga-Fußballspiel gefährden können.” Wie ein Banner am Podest den reibungslosen Ablauf stören soll, muss der Verein uns mal erklären.
Da sich der Verein nun einmal eine Stadionordnung gegeben hat, muss er sich auch selbst an selbige halten, sonst wäre es eben die juristisch zu vermeidende Willkür. Was finden wir dort? “Jedermann hat den Anordnungen des Kontroll- und Ordnungsdienstes des Betreibers, der Dienstkräfte der Ordnungsbehörden, der Polizei, der Feuerwehr sowie des Rettungsdienstes und des Stadionsprechers Folge zu leisten.”
Der Passus ist aber hier untauglich. Wenn ein Ordner anweist: “Du ziehst dich jetzt nackt aus und tanzt vor den Fernsehkameras eine Polka”, muss dem sicher nicht Folge geleistet werden. Da sind zahlreiche Grundrechte berührt, das hält keiner gerichtlichen Überprüfung stand. Und das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist mit dem Banner – dem Verbot desselben – massiv eingeschränkt, bedarf daher einer sorgfältigen Abwägung zwischen dem Eigentums- und dem Meinungsfreiheitsrecht.
Sonst noch einschlägig in der Stadionordnung findet sich an zwei Stellen fast gleichlautend: “Besuchern, die sich im Geltungsbereich dieser Stadionordnung befinden, ist das Mitführen folgender Sachen untersagt: […] gewaltverherrlichendes, rassistisches, fremdenfeindliches, antisemitisches sowie rechts- und linksradikales Propagandamaterial.” Darunter fällt “Sitzer absetzen” sicher auch nicht.
Kurz gesagt: Das Hausrecht gibt das nicht her. Beleidigend ist “Sitzer absetzen” übrigens sicher auch nicht: Der Mann hat sich selbst zu einer Person der Zeitgeschichte gemacht, sogar in einer Pressekonferenz aktiv die Öffentlichkeit gesucht. Seine Taten sind zudem geeignet, einen öffentlichen Diskurs zu befördern. Und die Intimsphäre ist natürlich überhaupt nicht berührt – der Verfasser ist juristisch schlicht falsch gewickelt. Freundlich formuliert.
Der im übrigen nicht nur ein Diskurs der Ultras Gelsenkirchen ist, sondern auch des Supporters Club und der Schalker Fan-Initiative, die ebenfalls einst zur Demo aufgerufen haben – einem Aufruf, dem 2000 Schalker gefolgt sind. “Sitzer absetzen” hat einst sogar die ganze Nordkurve hochgehalten. Die Vereinsführung scheint das nicht zu interessieren. Auch nicht die Gräben, die man hier sinnloserweise neu auftut.
Übrigens: So eine Aktion ist wesentlich besser geeignet, das Thema wieder in die Öffentlichkeit zu holen, als es ein fast unlesbares Banner am Vorsängerpodest geschafft hätte.
Am Ende werden wohl auch die Bannerfrage die Gerichte entscheiden müssen. Man sollte wirklich meinen, der Verein hätte andere Probleme. Und andere Gräben zuzuschütten.
Übrigens, was hat der Verein gegenüber dem SCHALKE UNSER geäußert? “Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist unabdingbar.” Ach ja.
Kommando zurück: Man darf wieder “Sitzer absetzen”-Banner hinhängen, so oft und so viel man will. Nach Auskunft des Vereins haben Gespräche mit der Polizei ergeben, dass die durchgereichte Forderung doch eher kontraproduktiv sei, das Thema aus der Öffentlichkeit zu halten. Die Damen und Herren Rechtshüter haben darum beschlossen, ihre dringende Bitte zurückzuziehen.