Pay – Off

Medien und Politiker aus allen Ecken schreien auf: Der Fußball geht unter, der Ausverkauf des Fußballs beginnt, es droht eine Zweiklassengesellschaft, die Interessen der Fußballfans werden mit Füßen getreten.

Cover SCHALKE UNSER 16
SCHALKE UNSER 16

Was ist passiert? Hat plötzlich jemand bemerkt, daß Montagsspiele und Anstoßzeiten von 15 Uhr oder früher an Wochentagen dem Fan den Spielbesuch (man kann Fußball übrigens auch noch live im Stadion und nicht nur im TV verfolgen) fast unmöglich machen, nur weil dieser Termin den Fernsehanstalten besser in den (Werbe­)Kram paßt?

Klar, Bezahl­Fernsehen ist einfach nur Scheiße, aber im Vergleich zu dem, was uns Fans in der Vergangenheit eingebrockt wurde, ist es nur ein weiterer kleiner, eigentlich sogar ein ziemlich unwichtiger Mosaikstein auf dem Irrweg in die Fernseh-Fußballwelt.

Hat etwa jemand registriert, daß kaum noch Stehplätze in den Stadien vorhanden sind? Oder hat jemand aus Politik oder Medien plötzlich selbst einmal die explosionsartig gestiegenen Eintrittspreise in manchen Stadien bezahlen müssen? Nein ­ es geht nur um Pay­TV und die Tatsache, daß einige Länderspiele zukünftig nicht mehr unverschlüsselt von jedem vor der heimischen Glotze verfolgt werden können.

Wird die Fußballwelt untergehen, wenn 2002 das WM­Viertelfinalspiel Malta gegen Island nicht von der heimischen Couch, sondern nur in der Kneipe nebenan verfolgt werden kann? Werden Fan-Interessen wirklich mit Füßen getreten, wenn nicht mehr vier Erst- und Zweitliga-Spiele pro Wochenende live im Pantoffelkino zu sehen sind?

Droht der kollektive Untergang des Morgen­ und des Abendlandes, wenn wir demnächst nicht mehr den zarten Stimmen von Wontorra, Beckmann, Hartmann und Faßbender lauschen dürfen? Oder ist das jetzt stattfindende Gequieke von Medien und Politik am Ende nur die Heuchelei genau derer, die die Fernseh­ und Werbegeister vor gar nicht allzu langer Zeit selbst riefen und sie jetzt nicht mehr loswerden wollen? In England und Frankreich hat die Politik den Sport zum Kulturgut erklärt, zu dem jeder Zugang haben muß, auch der Fernsehzuschauer. Okay, die Einstufung der Spiele der deutschen Nationalmannschaft als nationales Kulturgut wäre der Gag des Jahrzehnts, aber möglich ist es.

Übrigens: Pay-TV kostet momentan monatlich genauso viel wie eine Stehplatzkarte hinterm Tor bei einem ganz normalen Ligaspiel nahe Lüdenscheid…