Kalt schlecht, Training zu früh

SCHALKE UNSER-Reporter Rudi Grasraucher war auch in der Winterpause live dabei. Mit Hilfe eines Ghostwriters enthüllt er exklusiv im SCHALKE UNSER, wie es wirklich war.

Hinrundenende hieß: Saisonwetten einlösen, Hosen runter, Karten auf den Tisch. Erster Gewinner: Ivan. Er hatte gewettet, es zu schaffen, 473 Ecken auf Bauchnabelhöhe zu schlagen – in nur einer Hinrunde. Alcopop-Jonny hatte damals gesagt: „Das schaffst du nie!“ Jetzt waren Kästen fällig, Ivan schaffte 474. Aber wo sollte das Ding steigen? Bei Jonny lag ja seit Saisonbeginn immer noch Orlando gefesselt und geknebelt im Keller. Jonny wollte unbedingt seinen Stammplatz behalten und nahm dessen Zwillingsbruder immer mit zum Training, der eigentlich nur professioneller Mau-Mau-Spieler war und mannschaftsintern „Goofy“ genannt wurde. Den Trick hatte ihm Halil verraten, aufgefallen war bislang nichts.

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Man entschied sich der Tradition wegen für Raffis Bude, da hatten wir schon quartiert, während der Kurze in Fernost war. Und das hatte ich damals klar gemacht; auf jener Sause erzählte ich Raffi, dass in China ein Glas immer voll sein muss. Da schenken die Kellner einfach immer nach – aus Höflichkeit. Wer sich zuschüttet, wird gefeiert, weil den Chinesen so ein Enzym fehlt. Das muss wohl was an der Bandscheibe sein. Und alle Frauen würden auf ihn stehen, weil das ja ein Land ist, in dem selbst er der größte Mann von allen ist. Raffi bekam den Mund nicht mehr zu und wollte damals unbedingt da hin. Koste es, was es wolle.

Dummerweise lief die Saisonwetten-Fete zwei Tage vor dem letzten Spiel gegen Hoffenheim ab. Doch Pistol-Pete hatte nur gerufen: „Ach so ’nen Aufsteiger hauen wir auch so weg!“ Der Kerl war seit dem letzten Abriss auf irgendeinem härteren Stoff hängen geblieben und hatte die Hinrunde überhaupt nicht mitbekommen. Der erste Schock folgte direkt: Das Bier von draußen war wegen der Kälte geplatzt. Außerdem war das Abschlusstraining auf morgen früh um elf Uhr angesetzt, also mitten in der Nacht. „Kalt schlecht, Training zu früh“, resümierte Ze der Zweite und kloppte sich auf den Schock die restliche Pulle Kräuterschnaps in den Rachen. Der Mann arbeitete eindeutig zu viel.

Es half alles nichts, ich musste mich beweisen. Schließlich machte das Gerücht die Runde, dass die Leute von der Scouting-Abteilung nach den letzten Transfers ein größeres Alkoholproblem hatten als ich. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen und erbeutete aus dem Keller vom Nachbarn genug Schnaps, um zehn Männer von der Kategorie „Bon Scott“ zu betäuben. Dass der Nachbar die Polente rufen würde, ahnte ja keiner.

Beim Restesaufen ein paar Tage später war auch bald Notstand und da diesmal Komatrinker Schobi am Start war, mussten wir Raffis Hummer für die Einkäufe nehmen. „Wärs’ du ’n richtiger brasilianischer Fußballstar, würd’ jetzt ’ne untalentierte blonde deutsche Sängerin das Frühstück holen“, scherzte Fabe.

Nur sollte unser Frühstück wieder flüssig ausfallen. Doch wieder waren die Grün-Weißen zur Stelle. Wir schnallten Raffi vom Kindersitz ab und schickten ihn vor, denn er war der einzige ohne Führerschein (konnte nicht übers Lenkrad schauen) und hatte somit nichts zu verlieren. Keiner wusste, dass der Kerl schon am frühen Morgen am „dreckigen Harry“ genascht hatte. Und vor allem dachten wir, dass Spice, der feine Stoff, den Youri aus Holland mitgebracht hatte, noch legal wäre. Die Stimmung war im Keller, denn auch Gustav setzte sich mit seiner Ladung Mate-Tee zurück nach Uruguay ab, gepanscht mit allerlei hochprozentigen Köstlichkeiten von uns. Die Zeit der Prohibition hatte begonnen.

Eine Idee sollte helfen. Einen Tag vor Silvester deckten wir uns mit ordentlich Zündstoff ein – und holten natürlich auch was zum Knallen, sprich: die 3-Liter-Flasche Mariacron im Sechserpack. Wir ließen es uns nicht nehmen, einen alten Scherz durchzuziehen: Böller-Lunte anzünden, vor die Haustür legen und anklingeln, diesmal bei Manager Action-Andi. Als Rache für die Ankündigung, dass er hart durchgreifen wolle. Doch Andi hatte Lunte gerochen und schon hinter der Tür gelauert. Wir rannten los, Asa vorneweg. Aber Albert und Pistol-Pete bekam er zu fassen, wir anderen entkamen. „Konditionelle Rückstände“, riefen wir nach hinten.

Wir konnten ja nicht ahnen, dass Andi das genau so als Grund der Presse sagte und hinzufügte, die beiden würden sich nicht mehr genug auf den Fußball konzentrieren.