(tk/ru) Kein anderer Schalker Spieler polarisierte in dieser Saison so sehr wie Rafinha. Sei es wegen der eigenmächtigen Abreise zu Olympia, Polizeibesuchen vor seiner Haustür oder seiner kontrovers diskutierten Spielweise. Doch wenig andere Schalker Spieler wiesen in dieser Saison die gleiche Konstanz in ihren Leistungen auf wie der kleine Brasilianer. Kein Wunder, dass er mit Bayern München in Verbindung gebracht wurde. Und genau vor dem Gastspiel der Blauen am Weißwurstäquator trafen wir Rafinha.
SCHALKE UNSER:
Die ersten Spiele unter dem neuen Trainergespann liefen ja sehr erfolgreich. Was läuft anders als unter Fred Rutten?
RAFINHA:
Unter Fred Rutten haben wir auch gute Spiele gemacht, aber wurden dafür nicht belohnt. Unsere Leistungen waren gut, nur die Ergebnisse stimmten nicht. Im Fußball geht es nun einmal um Resultate. Wenn man gewinnt, ist immer alles gut. Wir haben zu wenige Siege eingefahren. An die Erfolge der letzten Wochen müssen wir jetzt anknüpfen.
SCHALKE UNSER:
Hatte die Mannschaft denn ein Problem mit Rutten? Stichwort „Disziplin“.
RAFINHA:
Jeder Trainer hat seinen eigenen Stil, egal, ob Mirko Slomka, Fred Rutten oder Mike, Youri und Olli. Ich versuche immer meine Arbeit zu machen und für die Mannschaft alles zu geben. Manchmal ist das so: Mit dem einen läuft es gut, mit dem anderen nicht. Klar, wenn nur elf Spieler spielen können, dann sind Leute, die auf der Bank sitzen, unzufrieden. Denen muss man dann helfen. Vielleicht haben wir das nicht so gut gemacht. Mike, Youri und Olli kennen uns schon gut und sorgen dafür, dass alle dabei bleiben. Aber, wie gesagt, Fred Rutten hat ebenfalls gute Arbeit gemacht, nur stimmten die Ergebnisse nicht.
SCHALKE UNSER:
Gab es denn Unruhe in der Mannschaft unter Rutten? Ist es jetzt ruhiger?
RAFINHA:
Wenn du gewinnst, ist alles gut. Hier bei Schalke sowieso: Wenn irgendetwas passiert, ist direkt die Rede von Krise oder großen Problemen. So ist das aber immer bei großen Vereinen.
SCHALKE UNSER:
Kriegt die Mannschaft denn jetzt die Unruhe im Umfeld bezüglich der Managersuche und ähnlichem mit oder belastet euch das nicht?
RAFINHA:
Alle Spieler wissen, wie es hier funktioniert. Bei den ganzen Spekulationen höre ich nicht hin. Wir Spieler müssen uns auf unsere Arbeit konzentrieren. Um diese Themen kümmert sich der Vorstand. Die werden schon wissen, was das Beste für Schalke ist.
SCHALKE UNSER:
Ist das Spiel gegen die Bayern am Wochenende für dich ein besonderes?
RAFINHA:
Wer gegen Bayern nicht motiviert ist, dem kann man auch nicht helfen. Das ist für alle Beteiligten und Fans ein besonderes Spiel. Die Bayern haben einen sehr guten Kader, davor haben wir Respekt. Aber auf dem Platz geht es elf gegen elf. Da ist alles möglich und deswegen wollen wir die drei Punkte holen.
SCHALKE UNSER:
Wir haben das eigentlich anders gemeint. Und zwar deswegen für dich besonders, weil gemutmaßt wird, dass du dir das Stadion in München schon mal etwas genauer anschauen wirst.
RAFINHA:
Darüber rede ich nicht. Mein Manager weiß, was ich will. Ich bin Fußballer, ich möchte ein sehr gutes Spiel machen und gewinnen.
SCHALKE UNSER:
Aber wie sind denn jetzt die Chancen, dass du auf Schalke bleibst?
RAFINHA:
Ich habe noch zwei Jahre Vertrag. Alle kennen mich auf Schalke. Wenn ich auf dem Platz bin für Schalke, kämpfe ich immer. Ich bin 23 Jahre alt, ich möchte irgendwann einmal auch bei anderen Vereinen spielen. Wenn ich nicht mehr in der Champions League spiele, komme ich nicht mehr in die brasilianische Nationalmannschaft. Ich möchte immer im Fokus sein. Wenn wir nicht in der Champions League spielen, ist es für mich kompliziert. Ich habe Ziele und möchte in der Nationalmannschaft spielen.
SCHALKE UNSER:
Wie siehst du denn jetzt deine Chancen für die Seleção?
RAFINHA:
Maicon von Inter Mailand und Dani Alves von Barcelona sind meine Konkurrenten. Der eine ist auf Platz eins in Italien, der andere auf Platz eins in Spanien. Wir stehen momentan an sechster Stelle. Der brasilianische Nationaltrainer schaut unsere Spiele an, aber wenn er das so abwägt, ist es schwer für mich.
SCHALKE UNSER:
Hat denn Bayern München da für den Trainer einen anderen Klang?
RAFINHA:
Mannschaften wie Real, Juventus, Bayern spielen immer Champions League. Mailand, Chelsea usw. sind auch Champions-League-Vereine.
SCHALKE UNSER:
Aber Jermaine Jones beispielsweise will auch in der Champions League spielen, um in der Nationalmannschaft eine feste Größe zu werden. Aber er will das mit Schalke erreichen und hat seinen Vertrag bis 2014 verlängert.
RAFINHA:
Ich habe noch zwei Jahre Vertrag, deswegen gibt es im Moment keinen Grund zu verlängern. Derzeit bin ich Spieler von Schalke 04 und ich will nicht über einen Wechsel reden.
SCHALKE UNSER:
Eine Frage noch dazu: Giovanne Elber ist im Moment Scout bei Bayern München. Er ist in der gleichen Stadt aufgewachsen wie du. Hat er sich bei dir gemeldet?
RAFINHA:
Es ist schwer, ihn zu treffen. Er ist in Brasilien, ich in Deutschland. Aber ich kenne ihn. In meiner Heimat in Londrina wollten in meiner Kindheit alle so sein wie er. Er hatte Erfolg mit Bayern München. Aber ich habe keinen Kontakt zu ihm. Er wohnt auch ein bisschen weiter entfernt von meinem Heimatort.
SCHALKE UNSER:
Bleiben wir bei deiner Heimat. Du hast ja als Kind erst nur Hallenfußball gespielt. Wie kam das?
RAFINHA:
In Brasilien ist es bei jedem so, dass er in der Halle mit „Futsal“ beginnt. Mein Bruder spielt das heute noch für Lazio Rom. Der Ball ist etwas kleiner und gerade für die Jüngeren ist es eine gute Technikschule.
SCHALKE UNSER:
Es gibt sehr viele gute Fußballer in Brasilien, so dass Agenten schon sehr früh ihre Fühler nach den Talenten ausstrecken. Wie war es bei dir?
RAFINHA:
Ich hatte einen Freund, der Profi bei Coritiba war. 2002, da war ich 14, hat er mir dort ein Probetraining vermittelt. Das ging eine Woche lang. Ich habe es bestanden und war dann fünf Jahre bei Coritiba.
SCHALKE UNSER:
Als dann 2005 das Angebot von Schalke kam, kanntest du da Schalke überhaupt?
RAFINHA:
Ja, Schalke wird zwar nicht immer bei uns im TV in Brasilien übertragen, aber ich konnte doch schon viele Spiele sehen. Ich kannte den Verein und die Stars. Und in Brasilien hat jedes Kind schon einmal von dem Stadion gehört, in dem man das Dach schließen und den Rasen herausfahren kann.
SCHALKE UNSER:
Wie schwer fiel dir denn die Entscheidung? Es ist ja auch ein großer Schritt für einen jungen Mann, von Brasilien nach Deutschland zu kommen.
RAFINHA:
Im ersten Jahr war es schlimm, weil es so weit weg war von den Leuten, die immer bei mir waren – Familie und Freunde Aber es war immer ein Traum von mir, nach Europa zu wechseln und dann noch zu so einem Topverein. Ich hatte viele Angebote, aber mein Manager hat mir damals auch zu Schalke geraten, da meine kämpferische Spielweise zu Schalke passt.
SCHALKE UNSER:
Deine Spielweise wurde aber in dieser Saison von vielen Gegenspielern kritisch betrachtet, um es mal vorsichtig auszudrücken.
RAFINHA:
Wenn ich spiele, ist mein Adrenalinpegel hoch. Da ist es normal, dass man manchmal Fehler macht. Aber: Ich habe in vier Jahren auf Schalke nur ein einziges Mal Rot bekommen. Zwar habe ich sehr viele gelbe Karten, aber das ist normal. Ich bin Verteidiger.
SCHALKE UNSER:
Man könnte auch sagen, dass du gut davongekommen bist. Du hast aber in der Bundesliga mittlerweile ein gewisses Image. Ist dir das bewusst?
RAFINHA:
Wenn die Leute ein Spiel ohne Kontakt haben wollen, dann müssen sie Volleyball spielen. Fußball ist für Männer. Manchmal muss man provozieren oder irgendetwas sagen, so ist Fußball. Ich versuche alles für meine Mannschaft. Für uns gebe ich alles. Manchmal klappt es, manchmal nicht.
SCHALKE UNSER:
Andreas Müller hat dich dafür aber auch gerügt, beispielsweise nach deiner Aktion in Bochum.
RAFINHA:
Der Schiedsrichter stand zwei Meter entfernt von mir. Wäre es etwas Bösartiges gewesen, hätte er mich bestraft. Im Fußball ist es normal, dass man auch mal härter in den Zweikampf geht.
SCHALKE UNSER:
Kommst du mit allen in der Mannschaft gut klar? Frank Rost soll ja seinerzeit Probleme damit gehabt haben, dass ihr Brasilianer euer Ding durchgezogen habt. Es war immer wieder die Rede von der südamerikanischen Grüppchenbildung innerhalb der Mannschaft.
RAFINHA:
Ja, Frank hatte damit ein Problem. Aber für uns ist es manchmal einfacher, wenn wir portugiesisch reden, weil wir nicht jedes deutsche Wort kennen. Deswegen dachte er, dass wir über andere herziehen. Das war aber nicht so. Bis heute spreche ich hier auch portugiesisch, das ist nun mal meine Sprache. Die Probleme gab es auch einfach deswegen, weil wir eine andere Mentalität haben. Wir machen immer Spaß und feiern, das ist uns Brasilianern so angeboren.
SCHALKE UNSER:
Du sollst ja auch des Öfteren mit Lincoln im Hotel getrommelt haben. Wie empfandest du seinen Weggang und fehlt er?
RAFINHA:
Lincoln war ein super Spieler, aber wir haben jetzt auch ein gutes Mittelfeld. Die Fans hatten Probleme mit ihm. Wenn er gut gespielt hat, war alles okay. Wenn nicht, dann gab es Pfiffe. Er war ein guter Spieler – und ein guter Trommler, da haben wir jetzt keinen. Ich bin der Einzige.
SCHALKE UNSER:
In der letzten Saison war das mit den Trommeln ja ein bisschen laut. Da hattest du ja auch Probleme mit einem Nachbarn.
RAFINHA:
Der wohnt zwei Häuser entfernt von mir und hat nichts Besseres zu tun. Mich stört das alles nicht mehr, ich ignoriere ihn jetzt völlig. Wer mich kennt, weiß, wie ich bin. Ich lebe aber mein Leben weiter. Ich bin halt kein Deutscher.
SCHALKE UNSER:
Es gab da ja auch die Geschichte mit einer Fahrt zur Tankstelle und deinem Führerschein.
RAFINHA:
Die Leute haben erzählt, dass ich besoffen war. Aber das stimmt nicht, ich habe meinen Führerschein immer bei mir. In dieser Zeit stand alles, was ich gemacht habe, in der Zeitung. Mein Promillewert war im Rahmen des Erlaubten und ich habe meinen Führerschein behalten.
SCHALKE UNSER:
Damals warst du ja mit Ze Roberto II unterwegs. Was ist eigentlich mit ihm los?
RAFINHA:
Er hat noch einen Vertrag auf Schalke, spielt jetzt in Brasilien und macht dort auch seine Tore. Es ist auch schwer für ihn. Die deutsche Kultur ist nun mal eine andere. Ich habe verstanden, dass es hier ein neues Leben ist. Aber manchmal ist es schwierig für Brasilianer. Er kam hierher, saß auf der Bank, verstand die Sprache nicht und wusste nicht, wie hier alles funktioniert. Ich habe ihm geholfen, aber er hat Familie. Es ist gut für ihn, jetzt in Brasilien zu sein. Aber er wird zurückkommen und wieder alles gut machen.
SCHALKE UNSER:
Apropos Familie. Du bist Vater geworden, wie machst du das jetzt mit deiner Familie? Die kommen nach Gelsenkirchen und du spielst auswärts bei den Bayern?
RAFINHA:
Meine Frau, meine Tochter und meine Schwiegermutter sind jetzt hier. Sie bleiben jedoch nicht die ganze Zeit da. Sie gehen dann wieder, weil es für sie auch kompliziert ist. Wenn ich trainiere, sind sie den ganzen Tag auf sich gestellt. Sie kennen sich ja hier nicht aus.
SCHALKE UNSER:
Es wird immer gesagt, Marcelo Bordon sei wie ein Vater für dich. Kann man das so stehen lassen?
RAFINHA:
Natürlich, das stimmt. Bordon ist schon zehn Jahre in Deutschland. Er kennt sich bestens aus. Wenn wir ein Problem haben, ist Marcelo Bordon immer für uns da. Wir haben großen Respekt vor ihm. Er ist ein super Mensch und zu seinen fußballerischen Fähigkeiten muss ich ja wohl nichts sagen.
SCHALKE UNSER:
Trotzdem konnte er dich einmal per Handy nicht erreichen. Da bist du nicht dran gegangen, weil du nach Peking wolltest.
RAFINHA:
Bei mir war schon alles klar, alle wussten davon. Ich habe das ein halbes Jahr vorher angekündigt, dass ich nach Peking gehe, wenn ich eingeladen werde. Ich durfte damals und habe das Okay bekommen. Dann sind wir am Saisonende nur Dritter geworden und die Situation veränderte sich. Das war ein Problem, doch das ist schon lange mit dem Verein ausgeräumt.
SCHALKE UNSER:
Würdest du das alles noch einmal so machen?
RAFINHA:
Wenn man mich einlädt, würde ich wieder gehen. Das ist gut für meine Karriere, gut für mich. Diese Chance gibt es nicht oft.
SCHALKE UNSER:
Herzlichen Dank für das Gespräch. Wir hoffen, dass du auf Schalke bleibst und wünschen dir alles Gute für die Zukunft. Glück auf.