(rk) Bekannt wurde er als Co-Trainer des FC Schalke 04 im Schatten von Huub Stevens. Doch für zwei Wochen saß Eddy Achterberg auch als Chef-Coach auf der Trainerbank. Und mit ihm kam dann das „Hühnerfell“ zurück in die Arena „Auf Schalke“, das so lange unter der Ägide von Jupp Heynckes vermisst worden war. Dramatik pur gab es in Eddys vier Pflichtspielen für die Königsblauen.
Was viele vielleicht nicht wissen: Eddy Achterberg war ein Ausnahmetalent. Mit gerade einmal 15 Jahren unterschrieb er seinen ersten Profivertrag bei DOS Utrecht, einem Vorgängerclub des FC Utrecht. Damit war er bis zu diesem Zeitpunkt der jüngste holländische Profi überhaupt. In Utrecht geboren und aufgewachsen, kickte er für seinen Heimatclub, bevor er dann zum FC Twente Enschede wechselte. Dort wurde er zu einer Identifikationsfigur.
Als „Sänger“ nahm Eddy, unterstützt von anderen Spielern und Fans des FC Twente, in der erfolgreichen Saison 1973/74 sogar ein Lied mit dem Titel „Eenmaal zullen wij de kampioenen zijn“ auf, das zum inoffiziellen Vereinslied der Enscheder avancierte und auf der Twente-Homepage (www.fctwente.nl) zum Download zur Verfügung steht.
Von 1967 bis 1976 trug der Mittelfeldspieler das Trikot des FC fast eine Dekade lang, absolvierte dabei 246 Spiele in der Ehrendivision und traf 26 Mal ins Tor. Auf 27 Einsätze kam er in dieser Zeit in den europäischen Pokalwettbewerben. Im UEFA-Pokal scheiterte seine Mannschaft dabei in den Saisons 1972/73 (Halbfinale) und 1973/74 (Finale) an Borussia Mönchengladbach. Ein Einsatz in der „Elftaal“ blieb ihm zwar verwehrt, aber er bestritt etliche Einsätze für die holländischen Nachwuchsteams bis hin zur U21. 1974 erlitt die Karriere von Eddy Achterberg im wahrsten Sinne des Wortes einen Bruch. Im Alter von 27 Jahren erlitt er eine Beinfraktur und fiel danach lange aus. Zwar kehrte er noch einmal zurück, doch zu seiner alten Stärke fand er nicht mehr. Er wechselte zum FC Groningen, wo er 1978 mit 31 Jahren seine aktive Karriere beendete.
Achterberg ließ zunächst den Profi-Fußball Profi-Fußball sein. Der zweifache Familienvater arbeitete als Adidas-Vertreter und eröffnete mit seiner Ehefrau Anneke zwei Coffee-Shops – nicht zu verwechseln mit den Coffee-Shops wie man sie etwa aus Amsterdam kennt, es handelte sich vielmehr um ganz herkömmliche Cafeterias. Später kam auch die Kneipe „De Keu“ dazu. Auf Deutsch bedeutet dies Billard-Queue, was auch seit frühester Kindheit sein Spitzname war. Der Name ging allerdings zurück auf „het keutje“, wie er schon in Utrecht genannt wurde. Im dortigen Dialekt ist dies ein Ausdruck für „Schweinchen“. Eddy Achterberg meinte zu seinem Sptznamen: „Gerade weil der Name überhaupt nicht zu mir passt, habe ich ihn bekommen. Meine Freunde haben immer zu mir gesagt: Da kommt ‚de Keu’, das dicke Schweinchen mit den krummen Beinen.“
Doch 1988 zog es ihn zum Fußball zurück. Er arbeitete zunächst als Jugendtrainer, später als Co-Trainer bei Twente Enschede. 1993 holte ihn Chef-Trainer Huub Stevens zu Roda JC Kerkrade, wo er sein Co-Trainer wurde. Als Rudi Assauer nach der ersten Runde im UEFA-Cup 1996 Huub Stevens als Nachfolger von Jörg Berger an den Schalker Markt holte, folgte ihm auch Eddy Achterberg. Mit Huub Stevens verband ihn stets eine besondere Bande: „Der Huub ist mein bester Freund. Ein Straßenkämpfer wie ich. Wir haben zusammen den Trainerschein gemacht, telefonieren täglich.“
Der Interimstrainer
Mit den Königsblauen gewann er bekanntlich 1997 den UEFA-Cup, ein Triumph, der alle kühnsten Erwartungen übertraf. Im Jahr 2000 ging er erneut zu Twente Enschede, wo er als Co-Trainer von Fred Rutten den KNVB-Beker gewann, den niederländischen Pokalwettbewerb, der durch den KNVB (Koninklijke Nederlandse Voetbal Bond) ausgelost wird. Nach einem Zwischenspiel als Trainer der 2. Mannschaft von Twente folgte von 2003 bis 2005 seine zweite Verpflichtung in Gelsenkirchen, dieses Mal als Assistent von Jupp Heynckes. Als es zwischen dem Alt-Meistertrainer und dem Team im Herbst 2004 nicht mehr passte, sprang „Kumpeltyp“ Achterberg als Chef-Trainer ein.
Das letzte Spiel unter der Leitung von Jupp Heynckes war eine einzige Katastrophe. Eine 0:3-Pleite beim VfL Wolfsburg besiegelte die dritte Saisonniederlage im vierten Spiel. Schalke rutschte auf den 15. Tabellenrang ab. „Wir müssen Ruhe bewahren, als Mannschaft zusammenwachsen. Meiner Ansicht nach ist bei noch 30 ausstehenden Spielen nichts verloren.“ Sicherlich wahre Worte, die ihm aber nichts mehr nutzten, Eddy Achterberg löste ihn – zumindest als Interimstrainer – ab. Im ersten Spiel nach der Ära Jupp Heynckes rückten der in der Bundesliga gesperrte Ailton ebenso in die Anfangsformation wie Ebbe Sand, der erstmals nach seiner Virus-Meningitis wieder eingesetzt wurde. Die neu formierte Schalker Elf legte in der ersten Runde des UEFA-Pokals gegen FHK Liepajas Metalurgs von Beginn an großen Einsatz und viel Laufbereitschaft an den Tag – und das wurde auch belohnt: 5:1-Heimsieg, drei Tore von Ebbe Sand, dazu Treffer durch Levan Kobiashvili und Gerald Asamoah. Ein guter Start für Eddy, der – wie der „kicker“ titelte – „den Spaß zurückbrachte“.
Hühnerfell
Auch beim Liga-Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach schäumten die Emotionen über: In einem hochdramatischen und begeisternden Bundesligaspiel siegten die Knappen trotz zweimaligem Rückstand mit 3:2. Nachdem Christian Pander und Gustavo Varela die Führungstreffer von Korzynietz und Neuville ausgeglichen hatten, verwandelte Ebbe Sand die Heimstätte der Königsblauen mit seinem Siegtreffer in der 66. Minute endgültig in einen Hexenkessel. Eddy Achterberg war ganz aus dem Häuschen und berichtete der versammelten Journalistenschar von seinem „Hühnerfell“.
Das passiert, wenn man einen deutschen Begriff zunächst ins Holländische und dann wieder zurück übersetzt: „Kippevel“ heißt es bei unseren Nachbarn im Westen, wenn von Gänsehaut die Rede ist. Und Eddy Achterberg übersetzte wörtlich: Het kip – das ist das Huhn, und het vel – das ist das Fell. Da kommt man auf nichts anderes als eben „Hühnerfell“.
Die Mannschaft hatte erstmals wieder unbeschwert und vor allem leidenschaftlich aufgespielt, als hätte man sie befreit von der taktischen Zwangsjacke des Jupp Heynckes. „Irgendwie ist alles lockerer geworden“, erzählte Christian Pander und Rudi Assauer hatte gar „mit das beste Spiel im letzten dreiviertel Jahr“ gesehen. „Wir sind“, wusste Assauer zu berichten, „eben nicht Real Madrid, Benfica Lissabon oder Bayern München. Hier muss Fußball gearbeitet werden. Zauberei am Schlangenfluss kann man machen, wenn man 6:1 führt.“
Einen echten Pokalkrimi gab es dann unter seiner Regie in der zweiten Runde des DFB-Pokals beim 1. FC Kaiserslautern. Nach 89 Minuten hatte es noch 2:2 gestanden, doch die letzte Minute hatte es dann in sich: Zunächst hatte Ebbe Sand das 2:3 erzielt, nachdem er frei vor Torhüter Ernst aufgetaucht war, diesen aussteigen ließ und den Ball ins Tor schob. Als sich die Knappen schon im Achtelfinale wähnten, war es Ingo Hertzsch, der frei von der Strafraumgrenze abzog und den nicht mehr für möglich gehaltenen Ausgleichstreffer zum 3:3 erzielte. Ihren moralischen Rückenwind nutzten die Gastgeber zu Beginn der Verlängerung, und so konnte Selim Teber Frank Rost mit einem Gewaltschuss vom Strafraumeck zum 4:3 überwinden.
Die Königsblauen gaben sich aber nicht geschlagen und so war es schließlich in der 116. Minute Mladen Krstajic, der per Flugkopfball den erneuten Ausgleich erzielte. Schön für Mladen, der noch zuvor der „Unglücksrabe“ war, als er in der 61. Minute ein Eigentor erzielte. Im fälligen Elfmeterschießen auf dem Betzenberg konnte Frank Rost die Schüsse von Engelhardt und Halil Altintop parieren, während ausgerechnet der über die gesamte Spielzeit an alter Wirkungsstätte ausgepfiffene Lincoln mit seinem verwandelten letzten Elfmeter für die Entscheidung sorgte. Das gab wieder Hühnerfell pur!
Die erste Niederlage im vierten Pflichtspiel unter der Regie von Eddy Achterberg gab es dann bei Hannover 96. Es war ein ärgerlicher Punktverlust für die Königsblauen, den Achterberg so kommentierte: „Der Gute-Laune-Eddy hat heute keine gute Laune.“
Zurück ins zweite Glied
Nach dem Spiel gegen Hannover übernahm Ralf Rangnick die Position des Chef-Trainers auf Schalke, Achterberg rückte wieder zurück ins zweite Glied, wo er sich auch am wohlsten fühlte. Er ist immer mehr Freund der Spieler gewesen und hat sich nie ins Rampenlicht gedrängt, was er so begründete: „Als Co-Trainer kannst du wenigstens hin und wieder abschalten, da ist der Druck nicht permanent so groß. Ich brauche einen Tag pro Woche, an dem ich mich nur um meine Frau und die Kinder kümmern kann. Fußball ist wichtig, die Familie aber das Wertvollste.“
Seinen Job als Co-Trainer quittierte Eddy Achterberg dann im Jahre 2005, ohne aber den Kontakt zu den Königsblauen zu verlieren. Vier Jahre lang arbeitete er als Scout für die Knappen, bis ihn sein alter Weggefährte Huub Stevens in dieser Saison zu seinem neuen Club FC Red Bull Salzburg lotste, bei dem inzwischen auch der frühere HSV-Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer angeheuert hat.
Beim österreichischen Meister sitzen Huub und Eddy wieder einträchtig nebeneinander – und sie feiern auch Erfolge: Zwar in der Chamions-Leage-Qualifikation gescheitert, führen sie aber die österreichische Liga an und räumen derzeit in der neuen „Euro League“ kräftig ab: Siege bei Lazio Rom (2:1) und gegen Gruppen-Favorit Villareal (2:0) geben weiteren Aufwind. Vielleicht gibt es ja wieder einen europäischen Pokalsieg für das holländische Duo. Wir dürfen gespannt sein.