(axt) Schalkes Fanabteilung und der Schalker Fanclub-Verband (SFCV) sind getrennt, sollte man meinen. Von wegen.
Es kam, wie es kommen musste: Wessen Verband aus dem SFCV austritt – so, wie es Fan-Ini, Supporters Club (SC) und Ultras Gelsenkirchen (UGE) getan haben, der muss damit rechnen, dass auf einmal alles anders ist in Sachen Eintrittskarten. Auf einmal ist Schluss mit lustig: Wenn man überhaupt noch Karten bekommt, dann allenfalls mit viel Glück die schweineteuren Sitzplatzkarten, obwohl man sich bisher doch jahrelang an Stehplatzkarten erfreuen durfte.
Aber wie kann das sein, wenn man doch seine Karten nicht beim SFCV bestellt, sondern bei der Fanabteilung, die mit dem SFCV doch gar nichts zu tun haben soll? Die Antwort ist einfach: In beiden Fällen ist der Mensch, der die Karten nach seinen, nennen wir sie ,,Kriterien”. vergibt, derselbe. Man kann sich ob der vielen gleichlautenden Berichte aus Ini und Supporters Club des Eindrucks nicht erwehren, dass ein Funktionär aus dem SFCV seine Position im Verein FC Schalke 04 e.V. nutzt, um seinen Verband zu begünstigen.
Ein weiteres Beispiel: Kurz vor dem Spiel in Bukarest veröffentlichte der SFCV- nicht aber die Fanabteilung – folgende Mitteilung: ,,Eine weitere wichtige Information für alle Schalker vor Ort: Das Auswärtsspiel in Bukarest gilt möglicherweise als Kriterium für die Bestellung von internationalen Auswärtstickets im kommenden Jahr. Aus diesem Grund wird in Bukarest eine freiwillige Anwesenheitskontrolle durchgeführt. Jedem Schalker bleibt es selbst überlassen, sich bei einem unserer zahlreichen Fanbetreuer als anwesend zu melden. Sollte Bukarest tatsächlich als Kriterium für kommende internationale Spiele gelten, werden hier nur Schalker gewertet, die sich vor Ort mit Angabe von Namen und S04-Mitgliedsnummer als anwesend gemeldet haben.”
Da stellen sich mehrere Fragen. Zunächst einmal – hätte so eine Veröffentlichung nach Versand der Karten überhaupt eine rechtliche Relevanz, selbst wenn die Fanabteilung sie online gestellt hätte? Die rechtliche Beurteilung wäre mindestens, sagen wir, ,,schwierig”. Aber das hat eben nicht die Fanabteilung veröffentlicht, sondern der SFCV. Der ist, immer noch, ein eigener Verband. Was auch immer er veröffentlicht – für diejenigen Schalker, die ihre Karten über die Fanabteilung beziehen, dürfte es schlicht gar keine Relevanz haben.
Das räumte auch ein Teil des Vereins ein. Aus Vereinskreisen hieß es sogar, das sei ein Zeichen für die Hybris des Kartenverteilers, der die Auswärtskarten als ,,seine” betrachtete.
Die Intention dabei war gut: Nur zwei Drittel derer, die eine Karte für das Spiel in Bukarest geordert haben, gingen schlussendlich dort nur durch die Drehkreuze.
Die Vermutung liegt nahe, dass hier nicht wenige die günstigen Karten nur geordert haben, um bei einem interessanten Gegner später ein internationales Spiel vorweisen zu können, sollte das zum Kriterium werden.
Und es wurde zum Kriterium, wie wir später dann tatsächlich bei der Fanabteilung lesen mussten: Karten für Madrid bekommen an allererster Stelle ,,alle Schalker, die beim Champions-League-Auswärtsspiel in Bukarest am 26. November 2013 vor Ort waren und sich in die freiwillige Kontrollliste haben eintragen lassen”.
Die Fanabteilung hat damit eine eigenmächtige Aktion des SFCV nicht nur vereinnahmt, sondern nachträglich offizialisiert – von einer Trennung beider kann damit auch offiziell keine Rede sein. Ob so eine Regelung einer Klage standhielte, bleibt wohl Gerichten vorbehalten.
Diese werden sich im Zweifelsfalle auch noch einer anderen Frage widmen müssen, dem zweiten bekannten Kriterium der Kartenvergabe: Stehplatzkarten gehen vor allem an Jüngere; die Älteren dürfen sich vermehrt Sitzplatzkarten leisten müssen. Was auf den ersten Blick logisch klingt, ist auf dem zweiten Blick gar nicht mehr einsichtig: Woher kommt die Erkenntnis, dass die älteren Schalker mehr Kohle auf der Tasche haben? Und warum meint man, dass nur junge Menschen gerne auch den Support auf den Stehplätzen leisten wollen? Und warum stehen immer wieder ältere Fanclubmitglieder auf den seltenen Plätzen, während ältere Allesfahrer, die dem SFCV den Rücken gekehrt haben, mit einem Griff in ihre Taschen für den Austritt bestraft werden? Fast die Hälfte aller Auswärtskarten geht an den SFCV – und hier gelten andere Kriterien, nicht einmal die Mitgliedschaft im S04 ist hier Voraussetzung, wie sie sonst für alle Auswärtsfahrer zwingend notwendig ist.
Und vor allem: So eine Begünstigung Jüngerer hält einer rechtlichen Überprüfung nur schwer stand. Selbst die Regelung, dass ältere Arbeitnehmer mehr Urlaub haben dürfen, wurde mittlerweile höchstrichterlich als Diskrimierung Jüngerer kassiert.
Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz heißt es: ,,Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. […] Benachteiligungen aus einem in § 1 genannten Grund sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf: […] den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen […].” Juristen streiten noch, ob das AGG auch im normalen Geschäftsleben greift; die Mehrheit der Juristen ist allerdings dieser Auffassung.
Wenn das Gerichte allerdings klären müssen – und eigentlich haben wir genug Juristen auf Schalke gehabt -, hätte dies immerhin einen Vorteil: Die ominösen Kartenvergabekriterien würden endlich öffentlich.
Mehr als ein halbes Jahr hat SCHALKE UNSER immer wieder versucht, solche Fragen und andere intern mit dem Verein zu klären – ohne Erfolg. Der betroffende Kartenverteiler reagiert erst gar nicht. Andere Teile des Vereins haben die Diskussion eher schleppend vorangetrieben; der Vorstand hat sich das lange angesehen.
Immerhin musste jetzt der SFCV auf einer seiner eigenen Veranstaltung erklären, dass ab nächster Saison die Kartenvergabe von SFCV und Fanabteilung auch personell getrennt werden. Zudem solle ein Punktesystem die Kriterien für die Kartenvergabe endlich transparent machen. Zeit dafür wäre es.