Europäische Spitzenklasse

Cover SCHALKE UNSER 13
SCHALKE UNSER 13

(rk) Schalke auf dem Sprung ins Halbfinale eines internationalen Wettbewerbs. Einmal hat Schalke diesen Sprung schon meistern können. Und natürlich beschäftigt sich diese Weisse noch?!-Folge mit dem bisher größten internationalen Erfolg der Schalker Vereinsgeschichte. Im März 1970 schaltete der FC Schalke 04 den hohen Favoriten Dynamo Zagreb aus und zog in das Halbfinale des Europapokals der Pokalsieger ein.

Mit 3:1 kämpfte Schalke den jugoslawischen Pokalsieger aus Zagreb im Maximirstadion nieder. „Das war Spitzenklasse, Schalke!“ schrieb die Westfälische Rundschau. Und vor allem deshalb, weil diese Leistung völlig unerwartet kam. Damit hatten wohl auch die kühnsten Schalker Optimisten nicht gerechnet.

Ein Unentschieden oder eine knappe Niederlage wäre am Schalker Markt bereits als Erfolg gewertet worden, denn Dynamo zählte zu jener Zeit zur europäischen Spitzenklasse und zum Verdruß von Trainer Gutendorf mußten auch noch vier Stammspieler, Libuda, Wittkamp, Neuser und Scheer, ersetzt werden.

Die Schalker stellten sich aber in prächtiger Form vor, obwohl sie in der 28. Minute auch noch Klaus Senger verloren. Belin und Senger prallten bei einem Zweikampf so unglücklich zusammen, daß der Schalker nach vierminütiger Behandlung auf dem Rasen mit einem Beinbruch vom Platz getragen werden mußte.

Aber der Wille, zu einem Erfolg zu kommen, überspielte einfach alles und trug selbst die jungen Spieler wie Rüssmann und Sobieray mit, die jugendlich unbekümmert aufspielten. In der 43. Minute nahm die Überraschung Gestalt an, als Pirkner auf dem linken Flügel auf und davon zog und aus unmöglichem Winkel unter die Latte zum 1:0 einschoß. Präsident Siebert meinte nach dem Spiel: „So ein Tor wie von Hansi Pirkner habe ich bisher nur von Emmerich bei der Weltmeisterschaft in England gesehen.“ Auch nach der Pause konterten die Schalker bei wütenden Dynamo-Angriffen geschickt über ihre drei Sturmspitzen Pirkner, Wüst und Pohlschmidt. Immer selbstsicherer trumpften sie auf, während die Zagreber konzeptlos Norbert Nigburs Tor berannten.

So resultierte ihr Gegentor in der 65. Minute auch aus einem halben Selbsttor. Ausgerechnet Pirkner hatte den Gegentreffer auf dem Gewissen, als er völlig unnötig den Ball über 30 m an Torwart Nigbur zurückspielen wollte, Cercek in den Paß sprang und Nigbur keine Chance ließ.

Aber schon drei Minuten später krönte Fichtel seine überragende Leistung mit dem erneuten Konter zum 2:1. Und dann der endgültige K.o. für die Jugoslawen, als Becher drei Minuten vor dem Abpfiff vom eigenen Strafraum aus den Ball nach vorne trieb, von keinem Zagreber angegriffen wurde und eiskalt zum 3:1 einschoß. Die Sensation war perfekt! Der damalige Trainer von Zagreb – und ein Jahr später Trainer von Schalke – Ivica Horvath resümierte: „Schalke hat verdient gewonnen. Zu einer solch guten Leistung kann ich nur gratulieren. Die Deutschen kamen mit den schlechten Bodenverhältnissen, wie sie schon seit vier Monaten in der Bundesliga herrschen, weitaus besser zurecht, während für meine Techniker der tiefe Boden Gift war. Ich glaube nicht, daß es im Rückspiel noch zu einer Wende für uns reicht.“

Und Schatzmeister Heinz Aldenhoven rieb sich schon die Hände: „Die Mannschaft hat dafür gesorgt, daß die Glückauf-Kampfbahn am 18.März ausverkauft sein wird. Jetzt zahlen wir die Gesamt-Siegprämie von 50.000 DM gerne.“ Leider fanden nur wenige Besucher bei naßkaltem Wetter den Weg ins Maximirstadion, eine Fernsehübertragung tat ihr übriges. Die Zuschauer zeigten aber eine vorbildlich objektive Einstellung und bildeten nach dem Spiel ein Spalier, applaudierten und beglückwünschten unsere Elf zu ihrem Erfolg.

Dynamo Zagreb: Stincic, Cvek, Valec, Belin, Ramljak, Blaskovic, Cercek, Piric, Nowak, Gucmirtl, Rora.

Schalke: Nigbur, Rüssmann, Becher, Rausch, Fichtel, Senger (30. Erlhoff), Pirkner, van Haaren, Pohlschmidt, Wüst (75. Lütkebohmert), Sobieray.

Schiedsrichter: Linemayr (Österreich) ­ Zuschauer: 10.000

Schalke hatte den Grundstein zum Einzug ins Halbfinale bereits in Zagreb gelegt. In Gelsenkirchen galt es nur noch, im Rückspiel das Ergebnis zu untermauern. Das war der Mannschaft voll und ganz gelungen. Es war kein großes Spiel, aber letztlich war doch der Erfolg ausschlaggebend. Unter den Anfeuerungsrufen der 25000 begannen die Schalker mit ungewohntem Elan. Das Konzept war klar: angreifen, die Kroaten nicht zu ihrem Spiel kommen zu lassen!

Der erste scharfe Schuß kam in der 27. Minute von Stan Libudas linkem Fuß. Er forderte Dautbegovic‘ ganzes Können. Die zweite Glanzparade zeigte Zagrebs Torwart fünf Minuten später, als er einen Neuser-Schuß aus kürzester Distanz reaktionsschnell über die Latte faustete. Zagreb dagegen spielte, als wollte die Mannschaft nicht gewinnen, sondern einen Schönheitspreis erringen. In der 73. Minute brachte Gutendorf den blonden Klaus Scheer für Mittelstürmer Wüst, der sich nicht in Szene setzen konnte. Und dieser Scheer war es auch, der die erste große Aufregung in diesem Spiel verursachte. Mit voller Wucht schlug er den Ball durch das Außennetz ins jugoslawische Tor. Aber Schiedsrichter Mitescu ließ sich nicht beirren und erkannte den Treffer nach Untersuchung des Außennetzes nicht an. Und während Scheer noch einmal den Pfosten traf, verpaßte der völlig abgekämpfte Pirkner freistehend eine große Gelegenheit zum Tor. Endlich, zwei Minuten vor Schluß fiel der langersehnte Treffer. Nach einem hervorragenden Zusammenspiel von Libuda und Scheer konnte Scheer aus 3 m unhaltbar einschießen.

Im Halbfinale traf Schalke auf Manchester City. Einem 1:0-Sieg im Hinspiel in Gelsenkirchen (Tor durch Stan Libuda) folgte eine 5:1-Schlappe auf der Insel. So weit war Schalke noch nie in einem internationalen Wettbewerb vorgestoßen und sollte es auch bis heute nicht mehr schaffen. Bis heute..

Schalke: Nigbur, Becher, Rüssmann, Fichtel, Rausch, Haaren, Neuser, Pohlschmidt, Libuda, Wüst, Pirkner.

Dynamo Zagreb: Dautbegovic, Cvek, Ramljak, Milijkovic, Gracanin, Belin, Piric, Gucmirtl, Cercek, Novak, Rora.

Schiedsrichter: Mitescu (Rumänien) ­ Zuschauer: 25.000