(pr) Freitag, 7.11.97, 12 Uhr, UEFA-Cup-Auslosung. Wo liegt denn Braga? Ich wußte, daß mir die lückenhaften Geographiekenntnisse irgendwann ‚mal ein Problem bescheren würden. Die Umstehenden halfen mir aber aus der Patsche. „Braga ist doch die Hauptstadt von Tschechien“, verkündet der erste Experte. „Quatsch, Braga liegt in Ex-Jugoslawien, da wirst du viel Spaß bekommen“, kommt es aus der anderen Ecke. Es erschien mir sinnvoll, vor dem Geldumtausch noch einen Blick in den guten alten Schulatlas zu werfen.
Nachdem Braga als portugiesische Kleinstadt nördlich von Porto entlarvt war, stand dem Erwerb eines Flugtickets, einer Eintrittskarte und ein paar Escudos nichts mehr im Wege. Daß bereits der erste Schritt übereilt war, erfuhr ich knapp drei Wochen später am Düsseldorfer Flughafen. Während die Teilnehmer der Reisegruppe des Supporters Club für das Einchecken zwei Minuten pro Person brauchten und die Schlange nie länger als drei Meter wurde, waren die Mengede-Bucher leicht an den beiden 50 Meter langen Schlangen zu identifizieren. Nach 20 Minuten war die Anmeldetaktik aber durchschaut. Erst an Schlange 1 anstellen und die Eintrittskarte und den Berechtigungsschein abholen. Dann zurück an das Ende der Schlange 2, um auch in den Genuß eines Flugtickets zu kommen. Ging aber alles total zügig, da nur knapp drei Stunden nötig waren, um alle Papiere zu ergattern. Dank an einige Braga-Fahrer aus dem Supporters-Flieger, die uns mit lebensrettenden Getränken versorgten. Und als nach nur 45 Minuten Sitzzeit im Flieger klar war, welcher Platz doppelt verkauft, und der Betroffene ausgestiegen war, konnte es sogar losgehen. Zwei Stunden Flug nach Porto, umsteigen in den Bus nach Braga, und um 15 Uhr war das 60000-Einwohner-Städtchen erreicht. Netterweise wurden wir trotz entsprechender Zusage nicht in der Innenstadt, sondern am etwas außerhalb gelegenen Stadion abgesetzt, so daß ein kleiner Fußmarsch die müden Glieder wieder lockern konnte.
Nach einer einstündigen schalkepolitischen Grundsatzdiskussion in einer Innenstadtlokalität (der Kellner war hundertprozentig die Wiedergeburt von Roy Black) waren alle königsblauen Zukunftsfragen geklärt. Beim Stadionnamen wurden wir uns zwar nicht einig, aber die beiden verbliebenen Vorschläge „Ernst Kuzorra seine Frau ihr Stadion“ und „Schalke sein Stadion“ sind eine gute Grundlage für Folgediskussionen. Auch die Erweiterung des Fanartikel-Sortiments um das Zahnpflege-Set „Morgens Latal, abends Nemec“ stieß auf einhellige Zustimmung. Weitere Merchandising-Aspekte mußten verschoben werden, da die anbrechende Dunkelheit uns daran erinnerte, daß wir zum Stadion pilgern sollten. Das „Estadio 1. de Maio“ sollte jeder gesehen haben, der beim Thema „Sitzplätze und Modernisierung“ mitreden will: 17000 der 40000 Stehplätze waren belegt, ein paar Sitzplätze gab es auch auf der Tribüne – glaube ich jedenfalls. Dazu Sitzplätze auf Steinstufen, keine Blocktrennung und eine Toilette (mehr gab es auch nicht pro Sektor), die selbst den abgebrühtesten Trabzon-Fahrer noch schockierte.
Nach dem 0:0 im dreistündigen Dauernieselregen war auf der Rückfahrt von Braga nach Porto Schlummerstunde angesagt. Schließlich war Kraft nötig, um den folgenden Akt der Rückflugticket-Erlangung durchzustehen. Nach einem ausgeklügelten alphabetischen System sollte sich nun jeder an einer anderen Schlange anstellen, um das begehrte Papier zu erlangen. Leider waren alle geplanten und ungeplanten Änderungen der Rechtschreibreform bei dieser Aufteilung schon berücksichtigt, so daß auch diese Verteilaktion für Verzweiflung sorgte.
Nachdem anschließend klargestellt wurde, daß sich sowieso einfach jeder auf den gleichen Platz wie beim Hinflug setzen sollte und die Aufdrucke auf den Bordkarten ignoriert werden sollten, zwang die folgende zweistündige Wartezeit auf dem Flughafen von Porto auch den letzten aufrecht Stehenden in die Knie. Braga war Kult. All die, die dabei waren, sollten auf Lebzeiten bei der Vergabe von Auswärtstikkets bevorzugt behandelt werden.