(bob) Es gibt sie natürlich, die guten Gründe, eine Auszeit von den „Blauen“ zu nehmen. Kinder, Heirat, Scheidung, Schulden (es ist besonders bitter, wenn sie noch aus dem UEFACupJahr stammen) oder der jetzt fällige Bausparvertrag. Und auch die Arbeitslosenquote in Gelsenkirchen bewegt sich auf Ost-Niveau.
Es gibt sie zu Hauf, die Gründe, nicht mehr „auf Schalke“ zu gehen, genau so viele dafür, „auf Schalke“ zu gehen. Richtig ist aber auch, dass aus der Perspektive der Flutlichtmasten das Stadion (mit Ausnahme der Südkurve) immer proppevoll ist. Von dort oben sieht man nicht, dass umgeschichtet wird und dass sich Strukturen verändern. Jeder, der schon seit Jahren dabei ist, kann ein Lied von den vermeintlich 100%igen Schalke-Fans singen, die an einem vorüber gezogen sind. Und damit ist nicht der Umzug in einen Nachbarblock oder auf die überdachte Tribüne gemeint. Sie sind weg, einfach weg, ohne Tschüss zu sagen. Eingeholt von was-weiß-ich-für-Dingen. Sicher ist, man wird sie wieder sehen.
Schalke ist ja bekanntlich ein Virus, der, wenn man ihn einmal hat, einen nicht mehr los lässt. Und so wird man den einen oder anderen in ein paar Monaten oder Jahren an der Würstchen- oder Bierbude wieder treffen, über alte Zeiten reden und sich freuen. Aber es beschleicht einen manchmal ein seltsames Gefühl, wenn man in seinen Block kommt und leere Stellen vorfindet. Auf den Plätzen von Bekannten der letzten Saison sitzen andere, und in den Kneipen vor dem Stadion ist auch vieles in Rotation.
Klar, für den, der neu ins Stadion kommt, ist Schalke wie immer: Fahne geschwungen, Bier getrunken, angefeuert und Spaß gehabt. Aber für viele ist es halt mehr. Der Ort, wo man sich trifft und lebt und überhaupt – Schalke. Da braucht man gar nicht weit zu schauen, man nehme nur die Nordkurve, die sich wohl wie kein anderer Bereich im Stadion im Strukturwandel befindet und derzeit einem Jungbrunnen ähnelt. Viele individualistische Fans fassen dort Fuß. Die Kutten sind rar geworden. Fanclubs, die zusammen stehen, sind die Ausnahme und sieht man immer weniger, obwohl es auf dem Papier fast fünfhundert sind.
Die Power kommt mittlerweile aus anderen Blöcken, und man fragt sich auch, ob viele nicht nur in der Nordkurve stehen, um etwas von ihr – der Kurve – selbst geboten zu bekommen. Zuschauen statt Initiative zu ergreifen, liegt im Trend. Alles so schön bunt hier, möchte mancher rufen, und das ist auch schon der Tenor. Dazu gehört auch mit Sicherheit der schwarz-weiß-rote Vaterlandsschal, der zusammen mit dem White-Power-Schal momentan so ziemlich das Blitzbirnigste ist, was Dummheit trägt. Ja, es hat sich etwas verändert im Stadion. U-Bahnen werden wieder gebaut, und man kann sich nach jahrelanger Abstinenz wieder richtig über neu hinzugekommenes Liedgut ärgern. Nix bleibt, wie es ist. Das ist auch gut so, aber muss es denn immer gleich negativ sein? Es sind viele abgetaucht und mit ihnen ein Stück Schalker Seele.
Und wenn man in so manch neues schwarz-weiß-rotes Pausbackengesicht schaut, fällt einem nichts mehr ein. Und von so jemandem ist mit Sicherheit außer Blöken nichts zu erwarten. a klar, wir wissen, das es Statistiken gibt, die besagen, das sich alle vier Jahre Fanclubstrukturen erneuern und auch sonstigen Wandlungen unterliegen. Natürlich bestätigen auch hier Ausnahmen die Regel. Es gibt eine Charge von alteingesessenen (und -stehenden) noch vorhandenen Strukturen, die aber auch gepflegt werden müssen.
Der Verein tut einiges, um im neuen Stadion keine Zustände zu bekommen wie die bei dem Verein aus der Nähe aus Lüdenscheid. Dort, wo es keine Fan-Zeitungen gibt, keinen Fanklub-Dachverband und andere Fanvertretungen, herrscht jetzt schon der Geist der Friedhofstribüne vor. Da wird in Zukunft nur noch gejubelt, wenn der Deutsche Aktienindex steigt. „Was ist zu tun?“, fragt sich jetzt sicher so mancher Leser. Die Frage steht nicht nur im Raum, sie liegt mit Petersilie garniert auf dem silbernen Tablett. Arsch hoch, ins Stadion kommen, überlasst das Feld nicht den Pausbacken!
Oder seid Ihr nach dem Erreichen des UEFA-Cups etwa Schalke-müde? Seid Ihr einfach nur satt, oder kocht das Feuer der Blauen bei einigen von Euch auf Sparflamme? Oder machen wir mit solchen Fragestellungen mal wieder die Pferde scheu und sehen mal Gespenster, wo keine sind? Es ist, so hoffen wir, ein ganz normaler Wandel, der sich dort abzeichnet. So ist das Leben, sagt man wohl.