Was ziehe ich an? (Aida 2)

(bob) Die Karten schon vor Monaten gekauft – als Geburtstagsgeschenk für die Schwiegermutter in spe. Vier Stück in der Hoffnung, so auch in den Genuss dieser Einmaligkeit zu kommen. Es ist nicht zu glauben, ich werde von vielen Ballsportanhängern um meine Teilnahme an diesem Spektakel beneidet.

Cover SCHALKE UNSER 32
SCHALKE UNSER 32

Es ist der 1. September 18 Uhr. „Axe Oriental“ gibt mir das Gefühl, mich der Veranstaltung körperlich zu nähern. Ich stehe nackt vor meinem Kleiderschrank, Zweifel kommen auf und Unbehagen machen sich breit. Wie? Keine Jeans, vielleicht die Knitterbuchse? Straßenschuhe oder die neuen roten? Jackett, Hemd – das von Weihnachten oder das von Hannes Beerdigung? Pin von der Ini oder sogar ein Schal? Es geht ja schließlich auf Schalke! Ich schaue kurz ins Bad, sehe meine Freundin, und alle düsteren Gedanken verflüchtigen sich. Alles Jacke wie Hose. Vernünftig halt, würde meine Mutter sagen.

Wir reihen uns ein in den ruhenden Verkehr. Nichts geht zum Stadion hin. Irgendwie normal für „auf Schalke“. Werde ich wohl ein paar Kumpels treffen? Auf dem Weg zum Stadion eher nicht. Hier dominieren eindeutig Kaschmir, Seidenschals und Chanel No. 5. Ich kriege leuchtende Augen und erkläre meiner Freundin von außen die Arena und schwelge: „Mein Verein“. Wieso Oper? Ach ja, Aida. Eine Bordsteinschwalbe auf ihren Pumps meckert über die schlammigen Abkürzungen, auf der sie sich befindet. Ich versuche sie zu beruhigen: „Sehen Sie uns das nach, dass alles noch nicht so ganz fertig ist.“ Ich lerne, dass man solche Veranstaltungen dann nicht machen darf, wenn noch nicht alles fertig und perfekt ist. Ich wünsche der rheinischen Frohnatur noch einen schönen Abend, und gehe in den Backstagebereich, an die Bierbude.

Anstehen wie „auf Schalke“, aber irgendwie mit Contenance. Endlich bin ich dran, vier Veltins, Knappenkarte o.k. Daumen und Zeigefinger sausen in die Becher. Die Arme hochgerissen – nein, heute ist hier kein Flamenco, sag´ ich mir und unterdrücke auch noch den Ruf „Heiß und fettig“. Das übliche kleine Schwappen unterlasse ich auch, da sich eh schon eine noch nie gesehene Gasse gebildet hat. Irgendwas habe ich falsch gemacht, sagen mir die Blicke. Wir gehen auf unsere Plätze. Während der Aufführung geht mir der Gedanke nicht aus dem Kopf, wie es wäre, wenn jetzt Rudi mit seiner Zigarre den ganzen Streit da unten ein Ende machen würde. Pause, endlich gibt es eine Chance auf ein Kaltgetränk.

Sabine muss zur Toilette, kommt verzagt zurück mit der Bemerkung, Schlangen bei Frauen bis nach Mitternacht. Ich sag‘ nur, „komm“, und steuere auf das M zu. Kurz mal reingeschaut, die Kabinen sind leer. Ich öffne die Toilettentür und schwups den Begleitschutz für die Dame gemimt. Beim Hinaustreten schreckt ein knorriger Mittsechziger zurück und vergewissert sich noch mal des „Männer“ auf dem Schild. Wir feixen und freuen uns über den gelungenen Schachzug.

Bodo Menze, Jugendabteilungsleiter, 20 Meter von mir entfernt mit einem Schalke Schal. Die Auseinandersetzung mit mir beginnt auf ein Neues. Der Gong ertönt schon zum dritten Mal, jetzt heißt es rasch, Aida sterben sehen. Es ist soweit, Applaus setzt ein, die Vorstellung war wohl ein großer Erfolg. „Vieles gelernt“, sag´ ich mir und jetzt nur noch ab nach Hause. Sabine muss noch mal zur Toilette – und wir sagen uns, was einmal geklappt hat, kann wiederholt werden. Ich mache die Herrentoilette auf und schrecke zurück.

Schaue noch mal auf das Schild – tatsächlich für Herren. Zehn Damen waschen dort ihre Hände, eine ruft mir zu: „Komm ruhig rein! Du bist hier richtig, du bist hier „auf Schalke“.