(rk) Beim Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg ist nach eigenen Angaben eine junge Frau in der Nordkurve sexuell bedrängt worden. Der Fall erregte großes Aufsehen und zeigt, dass Frauen selbst in unserer Kurve Opfer sexueller Belästigung werden können. Er zeigt aber auch, dass den Betroffenen nicht immer klar ist, wie sie in solchen Fällen richtigerweise reagieren.
Die 22-Jährige hatte angegeben, massiv sexuell belästigt worden zu sein. Ihr soll an den Po und andere intime Körperteile gegriffen worden sein, auch nachdem sie den Mann aufgefordert hatte, dies zu unterlassen. Sie beschrieb ihn als korpulenten Mann mit Strickmütze und Dreitagebart. Die Freunde des Beschuldigten hätten dabei gestanden und gelacht.
Weiter gab sie an, dass sie sich an einen Ordner gewandt hätte, der sie aber abgewiesen haben soll. Danach sei sie wieder an den Platz zurückgekehrt. Die Betroffene hat sich nach diesem Vorfall per Mail an den Verein gewendet, offenbar aus Ärger über eine automatisch generierte Antwortmail dann auch parallel an Bild-Zeitung und WAZ.
Unsere Anfrage beim Verein hat ergeben, dass die Frau die Vorwürfe, Ordner des Sicherheitsdienstes hätten im Stadion nicht auf ihre Bitte um Hilfe reagiert, zurückgenommen hat: Es habe kein derartiges Hilfegesuch gegeben. Eine Darstellung der Vorgänge aus Vereinssicht wolle Schalke nicht vornehmen, da es sich um eine laufende polizeiliche Ermittlung handele. Man stehe aber in engem Kontakt mit der Polizei Gelsenkirchen und nehme derartige Vorfälle sehr ernst.
Warum sie dies so angab, wie sie es tat, ist nicht klar. Und es macht die weitere Strafverfolgung auch tatsächlich schwierig. Denn so könnte nun ein Richter ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellen. Die Rückkehr an den Tatort, das abermalige Hinstellen zu dem mutmaßlichen Täter, könnte so ausgelegt werden, dass es ein Einvernehmen gegeben hat. Und auch der parallele Gang zur Presse könnte dazu führen, dass man dem Opfer unterstellt, eher auf Aufmerksamkeit aus zu sein denn auf Aufklärung des Vorfalls.
Wir halten also fest: Das Begrabschen und der Griff an ihren Po sind eine strafbare Handlung (§ 184i StGB „sexuelle Belästigung“). Wenn man/frau dies als Opfer erfährt und danach vielleicht auch „etwas durch den Wind“ ist, sollte man trotzdem nicht so handeln wie die junge Dame in diesem Fall, denn dann droht aus den oben genannten Gründen, dass der Täter am Ende straffrei ausgeht.
Was kann und sollte man als Opfer tun?
Unsere Anfrage beim Verein Schalke 04 hat dazu folgende Antwort ergeben: „Alle Hilfesuchenden können sich jederzeit an die Ordner im Stadion wenden, die zeitnah agieren und helfen können. Zudem sind bei jedem Spiel die Fanbeauftragten des Vereins im Stadion; sie sind jederzeit ansprechbar, per Handy erreichbar und auch im Nachgang unter fanbelange@schalke04.de die richtige Anlaufstelle.“
So weit so gut, aber: Die Fanbetreuer in der Abteilung Fanbelange sind alle männlich. Es gibt hingegen möglicherweise das Bedürfnis von weiblichen Betroffenen, auch mit einer weiblichen Person im Verein darüber zu sprechen. Offenbar existiert allerdings eine solche Mitarbeiterin, die auch entsprechend geschult ist, bislang nicht. Ein Punkt, über den der Verein einmal nachdenken könnte.
Unsere Tipps
- Ruhe bewahren und andere Fans in Block auf Hilfe ansprechen – wenn dies möglich ist. In diesem Fall war das offenbar schwierig, weil die Kollegen des Täters drum herum standen und sich sogar noch darüber amüsierten.
- Aus der Situation entfernen und an das Ordnungspersonal wenden. Dieses ist grundsätzlich für den Umgang mit solchen Vorfällen instruiert und kann die Polizei herbeirufen.
- Stellt eine Anzeige. Nur so wird der Vorfall aktenkundig. Versucht, Zeugen zu benennen, die den Vorfall beobachtet haben und eventuell den oder die Täter beschreiben können. Habt keine Scheu, eine Anzeige zu stellen. Auch wenn es für Euch selbst unangenehm ist, so ist es eben die Voraussetzung für eine Strafverfolgung.
- Stellt Euch nicht wieder an den gleichen Platz! Es besteht dann nicht nur die Gefahr, dass Ihr wieder in eine ähnliche Situation geratet, sondern auch, dass man Euch später „Einvernehmen“ unterstellt.
- Der Gang zur Presse macht vielleicht den Gefühlen wie Angst und Ohnmacht nach einer solchen Tat Luft, er sollte aber wirklich nur als eine der letzten Eskalationsstufen gesehen werden. Wendet Euch erst einmal vertrauensvoll an das (weibliche) Ordnungspersonal, die Abteilung Fanbelange und die Polizei im Stadion.
Übrigens: Vergleichbare Situationen können eintreten, wenn Ihr beobachtet, dass Personen zum Beispiel verfassungsfeindliche Symbole tragen oder rechtsradikale Parolen rufen, die auch durch die Stadionordnung verboten sind. Auch in diesen Fällen solltet Ihr Euch zunächst an das Ordnungspersonal wenden.
Begebt Euch nicht selbst in Gefahr, sondern macht besser eine polizeiliche Anzeige zu dem Vorfall. Das ist sicherer und zielführender. Eine Auseinandersetzung mit den Strafverfolgungsbehörden ist für den oder die Täter in jedem Fall unangenehm.