(me) In meinem Elternhaus gab es keine Fußballbegeisterung. Klar schauten mein Vater und mein älterer Bruder (er war Handballer) auch Fußball-Länderspiele und ab und zu die Sportschau. Aber so richtig Interesse am Fußball oder gar Fan von einer Mannschaft? Weit gefehlt.
Aufgewachsen bin ich in Nordbaden in der Nähe von Mannheim, unmittelbar an der Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz. Also in einem Einzugsgebiet vom Waldhof aus Mannheim und dem FCK in Lautern. Meine ersten Gehversuche im Fußball machte ich als Knirps Mitte der 70er. Schon bald fiel mir ein Spieler besonders auf: Klaus Fischer. Und meine Eltern schenkten mir zu Ostern mein erstes Schalketrikot.
Vom Vater zum Sohn? Nein! Aber als kleiner Bengel brachte ich den königsblauen Virus ins Haus. Und es gab Mächte, die dagegen ankämpften. Mein 14 Jahre älterer Schwager (damals noch Freund meiner großen Schwester und mein großes Vorbild) war begeisterter Anhänger des FCK und er hatte es sich zum Ziel gesetzt, mich umzupolen.
Und so kam es zu meinem ersten Schalke-Spiel, klar, auf dem Betzenberg. Mein Schwager kaufte ganz bewusst Sitzplatztickets unmittelbar am Rande der Westkurve. Er dachte, dass mich die Stimmung so begeistern würde, dass es ein leichtes wäre, mich umzustimmen. Es war der 8. September 1979 und wir spielten unentschieden, 2:2. Wie erlebte ich das Spiel? Selbstverständlich war die Stimmung in der Westkurve, von der wir nur wenige Meter entfernt saßen, beeindruckend. Aber viel mehr beeindruckte mich ein Schalker, der wenige Reihen über mir saß und immer wieder alleine ein langgezogenes „Schaaaaaaalkeeee“ schmetterte. Ich wusste, ich hatte mich für den richtigen Verein entschieden und war keine Millisekunde bereit, mich mit einem anderen Verein zu befassen. Scheiß auf die Teufel, Schalke ist die Macht!
Fortan fuhr mein älterer Bruder immer wieder mit mir zu Auswärtsspielen in unserer Region. Bis zu meinem ersten Heimspiel im (von mir in Gedanken immer noch geliebten) Parkstadion dauerte es bis zur Saison 82/83. Es war der letzte Spieltag und der HSV war zu Gast. Wir verloren 1:2 und der HSV wurde Meister. Alleine die weite Fahrt nach Gelsenkirchen und alles rund um das Spiel waren für mich dominanter als das Spiel. Dass wir im Anschluss als Tabellensechzehnter die Relegation gegen Bayer 05 Uerdingen verloren haben, was solls: längst verdaut. Es war ja der zweite Abstieg.
Nur wenige Jahre danach kam durch Freunde, die älter und schon im Besitz eines Führerscheins waren, eine gewisse Regelmäßigkeit in Heimspielbesuche. Für uns junge Wilden kam natürlich nur Block 5 in Frage. Noch heute tausche ich jederzeit ein Sitzplatzticket gegen einen Steher in der Nordkurve. An mein erstes Zweitligaspiel kann ich mich übrigens auch noch erinnern. Es war der 28. November 1981, ein Auswärtsspiel im für mich nahe gelegenen Worms – Auswärtssieg 3:0!
Einer meiner Fußballkreise schloss sich am 21. Mai 1997 im San Siro. Nach dem von Kampfschwein Wilmots verwandelten Elfmeter heulte ich wie abertausende weitere Schalker hemmungslos auf der Tribüne. Tatsächlich war mein erster Gedanke: Scheiße, ich war 1981 zum Zweitligaspiel in Worms und darf heute in Mailand diesen Triumph miterleben! Noch heute habe ich Gänsehaut, wenn ich an diese Momente denke.
Vom Vater zum Sohn? Ja! 1999 wurde mein zweiter Sohn geboren und irgendwie hatten meine Frau und ich es uns angewöhnt, ihm abends noch ein Schlaflied zu singen, er war da so ca. vier Jahre alt. Irgendwann ging mir das „LaLeLu“ sowas von auf den Zeiger, dass ich ihm „Blau und Weiß wie lieb ich dich“ vorgesungen habe. Und dies immer und immer wieder. Nach ca. zwei Wochen sang er alle Strophen mit. Lesen hat mein Sohn im Alter von fünf Jahren übrigens über die Bundesligatabelle gelernt. Das erste gelesene Wort war selbstverständlich Schalke. Bei diesem zweiten Teil der Geschichte kann ich voller Stolz sein: Ja, vom Vater zum Sohn!
Leider ist es mir beruflich nicht möglich, die Anzahl von Spielen im Stadion zu besuchen, wie ich mir dies wünschen würde. Dennoch bin ich immer wieder auf Schalke und nehme alle Spiele in der Region mit: Mein Sohn ist übrigens zum (fast) Allesfahrer mutiert. Wenn es die Temperaturen in der wärmeren Jahreszeit zulassen, tragen wir zu Spielen beide das T-Shirt „vom Vater zum Sohn“.