„Mir ist völlig klar, dass Kambyses wahnsinnig war; sonst hätte er sich nicht an den Tempeln und Bräuchen vergriffen.“ So kommentierte Herodot den Gesundheitszustand eines altpersischen Herrschers, dessen plötzliches Ableben eine vielversprechende Karriere als Despot abrupt beendete.
„Mir ist völlig klar, dass Kambyses wahnsinnig war; sonst hätte er sich nicht an den Tempeln und Bräuchen vergriffen.“ So kommentierte Herodot den Gesundheitszustand eines altpersischen Herrschers, dessen plötzliches Ableben eine vielversprechende Karriere als Despot abrupt beendete.
Wenn Herodot die jüngste Empfehlung der gemeinsamen Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern (IMK) in Bremen gelesen hätte, wäre er vermutlich zu einem ähnlichen Urteil gekommen.
Die Innenminister beabsichtigen nämlich in den Sicherheitsrichtlinien für Ligaspiele zu verankern, dass der Verkauf und die öffentliche Abgabe von alkoholischem Getränk vor und während des Spiels innerhalb des gesamten umfriedeten Geländes der Platzanlage grundsätzlich untersagt werde. Mit sofortiger Wirkung widerrufbare Ausnahmegenehmigungen seien an den Nachweis des Veranstalters gebunden, dass alkoholtypische Ausbrüche von Gewalt und Ausschreitungen von Zuschauern nicht zu befürchten seien. Da der Alkoholgenuss die öffentliche Sicherheit bei Sportveranstaltungen gefährden könne, solle das Alkoholverbot in den Stadien von den Verantwortlichen wieder in den Vordergrund gestellt werden.
Soweit die Meldung, die bei uns für große Empörung gesorgt hat. Könnte es sein, dass die für unsere Freiheit und Sicherheit zuständigen Behörden ohne äußere Not, ohne Sachkenntnis und vor allem, ohne mit der Wimper zu zucken, gelegentlich Entscheidungen fällen, deren Bedeutung und Tragweite sie nicht einmal ahnen? Von Bier beim Fußball ist die Rede. Seit Menschengedenken hat Bier, als magisches Getränk zur rechten Zeit heldenhaft in den Block getragen, zahllose Torerfolge vorbereitet und als rituelles Ausgieß-Opfer Siege wie Niederlagen begleitet. Das sollte auch ein Innenminister wissen.
Bierdosen, Dosenbier, volle Flaschen, Flasche leer – die Verdienste von Bier in der Nachwuchs- und in der präventiven Drogenarbeit der Vereine sind unbestritten. Ob mit Vorsatz oder wegen eines alten Irrglaubens über die Entstehung von Gewalt sei dahingestellt: Fakt ist, dass uns praktizierenden Fußballtemplern sowohl das „Weihwasser“ als auch der „Messwein“ an geweihten Kult-Stätten vorenthalten werden soll.
Die Herren Minister vergreifen sich also an der sakralen Wurzel einer anerkannten Ersatz-Religion. Richtiges Bier ist nicht nur ein Getränk, es ist ebenso ein Kulturgut, und wer daran zweifelt, nehme die Werbung auf der Rückseite des SCHALKE UNSER zur Kenntnis. Die Fußballkultur lebt auf dem Spielfeld und den Rängen, und sie lebt nur durch die vollständige Weitergabe ihrer Traditionen und Riten an die nachwachsenden Spieler- und Supporter-Generationen. Wenn uns Fußballern dieses Recht auf Fußball „grundsätzlich“ versagt wird, bleibt neben einer wunderschönen Fußballtradition auch das Recht des Menschen auf freie Entfaltung bei der Religionsausübung auf der Strecke.
Man stelle sich die Protestwellen und das Kutten-Aufgebot der christlichen Konfessionen vor, wenn der Staat in die sonntägliche Sakramentenausgabe der Kirchen eingreifen würde. Bislang ist der bundesrepublikanische Fußball mit diesem gewachsenen System nicht schlecht gefahren. Es wäre schade, wenn sich dies langfristig verändern würde, nur weil einige Minister glauben, ein grundsätzliches Alkoholverbot im Stadion verhindere Gewalttätigkeiten im Umfeld des Fußballs, und dabei nicht an die möglichen Risiken und Nebenwirkungen gedacht haben.