(stu) Im letzten SCHALKE UNSER berichteten wir von den „Robin Hoods“, die sich beim Pokalspiel Schweinfurt gegen Union Berlin als „Trupp für die Pause“ ausgaben und so freien Eintritt ins Stadion verschafften. Der damit verbundene Auftritt auf dem Platz während der Halbzeitpause wird wohl in den Annalen der Geschichte keine Parallelen haben. Oder vielleicht doch?
Vor dem Spiel Manchester United gegen Liverpool am 5. April betrat kurz vor dem Klassiker der mittlerweile in ganz Großbritannien bekannte Spaßvogel Karl Power mit zehn Kumpels – als Spieler von United gekleidet – vom Ordnungsdienst völlig ungehindert den heiligen Rasen im Theater der Träume. Zum Staunen der 67.000 Zuschauer und Entsetzen der Vereinsverantwortlichen spielten die frechen Eindringlinge eine Szene aus dem Hinspiel an der Anfield Road nach, bei der Liverpool-Keeper Jerzy Dudek einen leichten Kullerball durch die Beine passieren ließ. Sehr zur Freude der mitgereisten United-Fans und von Uniteds uruguayischem Stürmer Diego Forlan, der den Ball ins leere Tor zum 0:1 dankend einschob.
Der grandiose Auftritt fing damit an, dass ein Mitglied der Power-Truppe sein United-Trikot plötzlich auszog und ein Torwarttrikot mit der Aufschrift Dudek zum Vorschein kam. Dieser ließ sich von einem Mitstreiter den Ball durch die Beine schießen, wonach ein Dritter, der mit einer gewagten blonden Perücke à la Diego Forlan ausgestattet war, die Kugel zeitlupenmäßig ins Netz beförderte. Daraufhin liefen alle elf in die Kurve, wo sich um die 3.500 Liverpool-Fans versammelt hatten, und fingen an, diese mit einem etwas übertriebenen Torjubel zu ärgern. Nach dem Auftritt bekamen Power und seine Freunde ein lebenslanges Stadionverbot vom Verein auferlegt. Es war jedoch bei weitem nicht der erste Streich, der von Power mit Hilfe seines Kumpels Tommy Dunn geplant und durchgezogen wurde. Power erlangte bereits 2001 in München weltweit Berühmtheit, als er sich auf dem Mannschaftsfoto von United vor dem Champions-League-Spiel gegen Bayern einschlich. Dass er es soweit schaffte, ohne vom Sicherheitsdienst angehalten zu werden, ist kaum zu glauben. Der 34-jährige sieht nicht gerade wie ein Fußballprofi aus. Er ist nicht der Schlankeste (Spitzname: Fat Neck), er hat die Nase eines Boxers und er hinkt sehr stark, nachdem ihm vor acht Jahren bei einem unprovozierten Übergriff beide Beine von einer Machete aufgeschlitzt wurden.
Nach dem Bayern-Streich versprachen Power und Dunn zunächst noch fünf solche Stunts zu veranstalten. Dann kam der 11. September 2001. „Da dachten wir, es wäre nicht mehr angebracht, solche Dinge zu machen, aber dann sagte George Bush, die Leute sollten wieder arbeiten gehen, also fingen wir damit wieder an“, sagte Power in einem Interview mit der britischen Zeitung „The Guardian“.
Das Gehirn hinter den kreativen Einfällen ist jedoch nicht Power, sondern Dunn. Ende der 90er fing Tommy Dunn mit den Scherzen an, als er Spiele von United in ganz Europa mit einer Videokamera privat aufzeichnete. Er tat einfach so, als ob er Journalist wäre, und irgendwie schaffte er es immer wieder, bis in die Mannschaftskabine zu gelangen. Dies funktionierte so gut, dass er auf die Idee kam, in die Pressekonferenz zu gehen. Das klappte auch und langsam fing er an, auch Fragen zu stellen, die bestenfalls als unkonventionell beschrieben werden können. Einmal fragte er United-Coach Alex Ferguson sogar: „Mr Ferguson, stimmt es, dass Sie ein Angebot haben, Manchester City zu trainieren?“
Anscheinend hielt Ferguson ihn für nicht ganz dicht, fand die Sache aber ziemlich lustig. Als Ferguson einmal nach einem Viertelfinalspiel in Valencia in den offiziellen UEFA-Wagen stieg, beschloss Dunn, mit einzusteigen. „Der Sicherheitstyp dachte wohl, ich gehöre dazu. Also sitze ich da im Auto und Fergie dreht sich um und fragt mich: Was machst du denn hier? Ich fragte ihn, ob er mich in die Stadt mitnehmen kann. Ich dachte, er ist bestimmt sauer, aber von wegen. Er fragte mich, welchen Gegner ich im Halbfinale lieber hätte!“
Dunn denkt sich also die Stunts aus, und Power setzt sie um. Dabei ist nie jemand zu Schaden gekommen, und das jeweilige Sportereignis wurde nie ernsthaft unterbrochen. Nur einmal ist etwas schief gelaufen, als sich Power beim Cricket-Länderspiel England gegen Australien als Spieler tarnte. Nachdem er sich zwei Stunden auf dem Klo versteckt hatte, bekam er einen Anruf von einem Freund, just in dem Moment, in dem er auf den Platz sollte. Er verpasste deswegen das Zeichen von Dunn. Als er endlich auf den Platz lief, befand sich der nächste englische Spieler bereits auf dem Platz. „Ich war total enttäuscht“, sagte er. Die australischen Spieler, die sich immer über die unfähigen englischen Gegenspieler lustig machen, lachten sich aber beim Anblick von drei statt der üblichen zwei Schlagmänner kaputt.
Im Juni 2002 feierten die beiden ihren Höhepunkt als Team. Zunächst tauchte Power mit Dunns Sohn Tommy junior in Wimbledon auf dem Centre Court auf. Letzterer trat dabei in schwarzen Socken auf. „Er weigerte sich, die weißen Socken anzuziehen. Also zog er sich die Schwarzen an, es waren zwei verschiedene, und sie gehörten meinem Schwager. Er hat sie im Fernsehen erkannt“, erklärt sein stolzer Vater. Power hatte vorher noch nie Tennis gespielt. Am Vortag übte er in einem Park, um festzustellen, ob er es schafft, den Ball übers Netz zu befördern. Ihn freut insbesondere die Tatsache, dass sie freiwillig den Platz verlassen haben. „Der einzige Grund, warum wir runtergingen, ist, weil uns die Bälle ausgegangen sind.“
Dunn sagt, es wäre so leicht, auf den Centre Court zu kommen, dass es einem Angst und Bange werden könnte. „Sei froh, dass keine böse Absicht dahinter steht. Wir wären sonst echt Top-Terroristen.“ Er überlegt deswegen, seine Dienste einer Sicherheitsfirma anzubieten: „Als wir nach Wimbledon zum Formel-1-Rennen nach Silverstone fuhren, sagte uns ein Mitarbeiter dort: Wir haben gerade £10 Mio. für Sicherheitsvorkehrungen ausgegeben und ihr habt uns innerhalb von zwei Minuten zum Gespött gemacht!“ Auf dem Siegertreppchen angekommen – nur kurz vor dem eigentlichen Sieger Michael Schumacher – tanzten Power und Tommy Junior zur allgemeinen Belustigung der Zuschauer den River Dance. Trotz seiner Beinverletzungen schwingt Power das Tanzbein anscheinend gerne. Denn vorm Rugby-Länderspiel England gegen Italien in Rom tanzten sie beim Auflaufen der beiden Teams den neuseeländischen Haka-Tanz – mitten auf dem Platz!
Bis die Tage,
Euer Duncan Disorderly