(dol/ma) Wer gibt dem Sammer nie die Hand? Ebbe, Ebbe Sand. Wer kriegt auf Dosen Flaschenpfand? Ebbe, Ebbe Sand. Wer köpft die Nägel in die Wand? Ebbe, Ebbe Sand. Wen befragten wir über sein Land? Ebbe, Ebbe Sand.
SCHALKE UNSER:
Fangen wir mit dem Spiel in Lüdenscheid an. Du hast das Siegtor vom Elfmeterpunkt aus gemacht, so dass einige schon vom dritten Elfmeter gesprochen haben, der da gegeben wurde. Und in der Sekunde, als das Tor fiel, klappte hinter diesem eine Werbebande um: „Blau und weiß – die Nummer Eins im Revier“, die Werbung der Ruhrnachrichten. Solche Zufälle gibt es doch nicht, oder? War da eine höhere Macht im Spiel, hat der Fußballgott geholfen?
EBBE SAND:
Ja vielleicht. Es war wichtig für mich, ein bisschen Hilfe zu bekommen, und wenn der Fußballgott dabei mitgespielt hat, soll es mir recht sein. Ich habe lange gewartet, wieder ein Tor zu machen. Und wenn man dann so ein Tor macht, beim BVB in der letzten Minute und vor 20.000 Auswärtszuschauern, freut man sich ganz besonders und träumt auch schon mal davon.
SCHALKE UNSER:
Du bist fast an der Mittellinie gestartet, dann kam der Pass von Altintop und dann diese Coolness, den Ball in die Ecke zu spielen – das ist ein typisches Ebbe-Sand-Tor, dachten wir. Ist der Knoten geplatzt?
EBBE SAND:
Ich wollte allen zeigen, dass ich immer noch da bin, und etwas von der Unterstützung, die ich vom Publikum bekommen habe, zurückgeben. Das hat im Derby natürlich wunderbar gepasst. Ich fühle mich wohl und bin fit. Jetzt muss ich dranbleiben, weiterhin hart arbeiten und wieder kontinuierlich Tore schießen.
SCHALKE UNSER:
Der alte Ebbe Sand ist also zurückgekehrt. Die Fans sind begeistert, aber nicht jeder deiner Stürmerkollegen hat bei einer längeren Torflaute soviel Kredit beim Publikum wie du. Wie erklärst du dir das?
EBBE SAND:
Erst mal habe in den letzten Jahren hier einiges geleistet und viele Tore geschossen. Ich versuche immer 100 Prozent zu bringen und reiße mir für die Mannschaft den Arsch auf. Laufen und kämpfen kann man immer. Das erwarten die Fans in einer Stadt mit so hoher Arbeitslosigkeit und das sehen die Fans, auch wenn es in der letzten Zeit mit den Toren nicht ganz so gut lief.
SCHALKE UNSER:
Wir kennen einige, die sagen: „Der Ebbe ist vom Typ her auch ganz anders, der hat ein Gespür für die Fans und die Region. Das ist einer von uns.“ Selbst bei deinem Gastspiel in Kopenhagen wurdest du nach wie vor auch von den Dänen gefeiert. Du hast immer noch die Bindung zu den Fans deines alten Vereins.
EBBE SAND:
Das waren sieben wunderbare Jahre mit großen Erfolgen und einem sehr netten Umfeld bei den Fans und im Verein. Bröndby ist ein bisschen wie Schalke, mit vielen sozialen Aspekten, wie eine große Familie halt. Das hat es hier für mich einfacher gemacht. Schalke hat viele Traditionen, ist wie eine Religion. Die Identifikation mit den Fans hat von Anfang an geklappt. Nur wenn man sich wohlfühlt, kann man seine Leistung bringen.
SCHALKE UNSER:
Immerhin hast du die Schalker Tradition um die Ebbe-Sand-Lieder bereichert. Hörst du die Gesänge?
EBBE SAND:
Ja, ja, die kenne ich und ich habe sogar eine CD damit bekommen. Das ist schon toll, wenn ein Lied für dich und über dich gemacht wird.Das gab es in Dänemark übrigens auch schon, so was mit Supermann und so, ganz lustig.
SCHALKE UNSER:
Apropos Dänemark. Insbesondere vom Poulsen-Transfer wird gemunkelt, dass du daran nicht ganz unschuldig gewesen sein sollst. Inzwischen gibt es sogar eine kleine dänische Kolonie in Bochum. Trefft ihr euch gelegentlich?
EBBE SAND:
Natürlich haben wir miteinander telefoniert und ich konnte ihm nur Positives über Schalke berichten. Was hätte ich ihm über Dortmund erzählen sollen? Ich hatte gerade drei wundervolle Jahre hinter mir und glücklicherweise entschied sich Christian für uns. Ab und zu treffen wir uns auch mit den Bochumer Dänen und veranstalten einen „Dänischen Tag“ oder „-Abend“. Da treffen wir uns mit den ganzen Familien, feiern zum Beispiel Kinder-Karneval, der Colding, der Madsen und Jensen sind auch eingeladen, obwohl er in Dortmund spielt.
SCHALKE UNSER:
Der BVB ist pleite, der VfL Bochum dagegen erstaunlich stark – das mag an den Dänen im Kader liegen – wo wird Schalke am Ende der Saison stehen?
EBBE SAND:
Die Bochumer überraschen wirklich: wenig bekannte Namen, aber eine herausragende Kollektiv-Leistung. Wenn sie ohne Verletzungsprobleme weitermachen können, haben sie die Chance, sich oben in der Tabelle festzusetzen. Diese Chance müssen wir auch haben. Schalke wird trotzdem am Saisonende die Nummer Eins im Revier sein!
SCHALKE UNSER:
Wie ist die Stimmung in der Mannschaft? Große Veränderungen in der Mannschaft kündigen sich an, und wir können uns vorstellen, dass ein Ebbe Sand hervorragend mit Ailton harmoniert.
EBBE SAND:
Das kann ich mir auch gut vorstellen. Andererseits müssen wir jetzt Gas geben, und ich muss mich auch für einen Platz in der Anfangsformation durchsetzen. Die Konkurrenz ist groß, jeder ist ehrgeizig, aber die Stimmung und der Zusammenhalt sind gut. Der Trainer hat das im Griff.
SCHALKE UNSER:
Wie erlebst du Jupp Heynckes im Vergleich zu Frank Neubarth? Ist es ein Unterschied, ob man von einem Newcomer oder von einem trainiert wird, der schon alles gewonnen hat?
EBBE SAND:
Heynckes hatte durch seine Erfahrung als Trainer und Spieler mehr Respekt von Anfang an, da hätte sich Neubarth als unerfahrener Trainer mehr durchsetzen müssen. Seine Trainingsmethoden waren wunderbar, trotzdem denke ich: Wenn so viele Kulturen und Mentalitäten aufeinanderprallen mit Spielern aus 14 Nationen, da musst du als Trainer schon ein harter Hund sein.
SCHALKE UNSER:
Eine Frage, die tausendfach gestellt wurde, auf die wir aber noch nie eine vernünftige Antwort bekommen haben: Es läuft zu Hause nicht so richtig. Ist der Druck zu groß?
EBBE SAND:
Inzwischen haben wir uns daran gewöhnt, zu Hause zu spielen. Wir kriegen einfach Probleme, wenn der Gegner sich mit zehn oder elf Mann hinten reinstellt. Im Moment bekommen wir fantastische Unterstützung durch die Fans. In der letzten Saison gab es eine Periode, wo die Fans ein bisschen ungeduldiger waren. Das hat viel Verunsicherung in die Mannschaft getragen, wenn nach zwanzig Minuten Pfiffe aufkamen. Jetzt ist es umgekehrt. Mit diesem Publikum müssten wir eigentlich jedes Heimspiel gewinnen, spätestens seit das Wechselspiel zwischen Nord- und Südkurve bei Schalke – 04 gelingt.
SCHALKE UNSER:
Was hältst du von Hintertor-Fangnetzen, wie sie inzwischen auch für die Arena zur Diskussion stehen?
EBBE SAND:
Gar nichts, insofern die gegnerischen Spieler sich sicher fühlen. Die Zuschauer sollen so nah wie möglich am Spielfeld sein. Das macht auch den einen großen Unterschied zum Parkstadion mit seinen Laufbahnen aus. Natürlich ist es schöner ohne Netz. Bei der Lautstärke merkt man keinen großen Unterschied, aber Netze wirken immer wie eine Barriere zu den Fans.
SCHALKE UNSER:
Die Atmosphäre beim Spiel macht nur einen Teil des Engagements der Fans aus. Nehmen die Spieler auch den anderen Teil der Fanarbeit wahr, zum Beispiel den internationalen FARE-Kongress, der ebenfalls in Gelsenkirchen stattfand, oder eben das SCHALKE UNSER?
EBBE SAND:
Als Spieler kann ich nur ahnen, wie viel Arbeit in so einem Heft steckt. Wir bekommen nicht alles mit, aber die FARE-Choreografie in der Arena war nicht zu übersehen. Das war gut gemacht und die anti-rassistische Arbeit ist immer wichtig. Das haben wir auch in Dänemark gemacht. Wenn die Aktivität von den Fans verschiedenster Vereine ausgeht und durch die Medien verbreitet wird, das zeigt schon Wirkung.
SCHALKE UNSER:
Kommen wir noch einmal zur Region. Die ersten Jahre hast du mit deiner Familie in Lembeck gewohnt, jetzt in Gladbeck. Hast du niemals daran gedacht, nach Gelsenkirchen zu ziehen?
EBBE SAND:
Neben der Arena könnte ich nicht wohnen. Zu viel Trubel und zu viel Verkehr. Ich komme aus einem kleinen Ort sechzehn Kilometer vom Meer entfernt und fühle mich eher auf dem Land zu Hause. Dafür fahre ich gern ein bisschen länger. In Gladbeck wohnen wir direkt am Waldrand. Da können wir spazieren gehen und trotzdem ist das sehr zentral gelegen. Einkaufen tun wir natürlich in Gelsenkirchen, aber eher in Buer. Da kennen wir uns inzwischen ein bisschen aus. Die wirtschaftlichen Probleme Gelsenkirchens bekommen wir natürlich mit. Glücklicherweise hat die Stadt Schalke 04 – es ist ein Wahnsinn, was hier in den letzten Jahren aufgebaut wurde.
SCHALKE UNSER:
Hast du Gelegenheit, das umfangreiche Kulturangebot der Region wahrzunehmen?
EBBE SAND:
Leider viel zu wenig. Der Job und Kinder sind schuld. Vor zwei oder drei Jahren haben wir vom Verein aus in Marl eine Grubenfahrt gemacht, das war ein tolles Erlebnis, und das Kleine Museum der Zeche Hugo habe ich auch schon besucht. Da möchte ich unbedingt mit meinen Söhnen noch einmal hin.
SCHALKE UNSER:
Das finden wir unheimlich schön, wenn Spieler die Geschichte des Vereins in Verbindung mit der Bergbaugeschichte erleben. Rudi Assauer war auch schon da. Macht der Verein euch Spieler mit seiner Geschichte des Ruhrgebiets vertraut, drückt euch zum Beispiel jemand Bücher in die Hand oder erzählt die Geschichte von Schalke?
EBBE SAND:
Abgesehen von der Grubenfahrt damals hält sich der Verein zurück. Umso interessanter ist es, sich die vergilbten Fotos von Schalke und den Grubenarbeitern im Museum anzusehen. Ich besitze sogar eine Grubenlampe.
SCHALKE UNSER:
Zurück zur Maloche. Dein Vertrag läuft noch bis 2005. Dann wirst du 33 Jahre alt sein. Hast du schon Ideen für die Zeit nach den Profi-Fußball oder ist das zu weit weg?
EBBE SAND:
Nein, so weit weg ist das leider auch nicht. Ich habe vor, bis 2006 weiterzuspielen, dann höre ich auf und dann geht es mit fast 100 prozentiger Sicherheit zurück nach Dänemark. Ich kann mir im Moment gut vorstellen, an einem dänischen Fußball-Internat mit jungen Talenten zu arbeiten, kombiniert mit Managementaufgaben.
SCHALKE UNSER:
Wenn deine Söhne irgendwann mal Fußballer oder Profifußballer werden wollen, wirst du sie unterstützen?
EBBE SAND:
Natürlich, wenn sie das möchten. Das ist aber kein Ziel für mich. Sie sollen das tun, was sie glücklich macht. Wenn sich der Profi-Sport weiterhin so entwickelt, wird das in 15 Jahren allerdings nicht einfach sein.
SCHALKE UNSER:
Wie erlebst du als Spieler die Kommerzialisierung des Fußballs, von den Kontobewegungen zu deinen Gunsten mal abgesehen?
EBBE SAND:
Für uns Spieler ist das eine zweischneidige Sache: Du kannst zwar viel Geld verdienen, du machst aber auch mehr und mehr Spiele. Bis zum Champions-League Finale sind es sechzehn oder siebzehn Spiele. Das hat nur mit Geld zu tun. Es war kein Wunder, dass einige Spieler, darunter die Franzosen, bei der WM einen so schlechten Eindruck hinterlassen haben. Die waren alle kaputt, weil sie so lange in der Champions League gespielt haben. Die kamen auf fast siebzig Spiele in der Saison. Ihre Kollegen fuhren in Urlaub, sie durften richtig Gas geben. Da müsste es eine Obergrenze geben; denn schließlich will das Publikum schöne Spiele sehen.
SCHALKE UNSER:
Der Markt hat auch Interesse an Elf-Uhr-Anstoßzeiten, Popstar-Trikots für Asien und nicht zuletzt an zwanzigminütigen Halbzeitpausen zur umfassenderen Versorgung zahlreicher zufriedener Kunden unter Vermeidung von Stress. Schadet das nicht auf die Dauer?
EBBE SAND:
Fußball macht Spaß, aber Fußball macht fast keinen Spaß ohne Zuschauer. Zu Hause zu spielen vor 15.000 Zuschauern ist zur Zeit unvorstellbar. Wir sind daran gewöhnt, dass es ausverkauft ist, wenn wir zu Hause spielen, aber eigentlich ist es nicht selbstverständlich, dass es ausverkauft ist. Das ist die andere Seite der Kommerzialisierung. Wir haben in der letzten Saison drei Spiele innerhalb von acht Tagen gehabt und es kamen 180.000 Zuschauer. Das ist unglaublich!
SCHALKE UNSER:
Das ist eben Schalke! Vielen Dank für das Gespräch und Glückauf.