Konspirative Hausverbote

31 mutmaßliche Dortmunder Randalierer, denen Straftaten beim Derby vorgeworfen werden, haben Stadionverbote erhalten. Wenn wirklich die richtigen ermittelt wurden – gut. Knapp 500 weitere Fans haben Geländeverbote – und das ist durchaus kritisch zu sehen.

Erinnern wir uns: Als Kritik an der Polizei laut wurde, dass sie den Mob überhaupt nach Gelsenkirchen habe reisen lassen, hieß es, man habe nichts gegen sie in der Hand gehabt. “Auch das Überqueren der Gleise im Bahnhof sei keine Straftat, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit, so Bundespolizist Stall. Somit habe es für die Polizei keinen Anlass gegeben, die Ultras in Gewahrsam zu nehmen. Zumal die sich im Bahnhof und später im Bus friedlich verhalten hätten.” Und nun greift stattdessen der FC Schalke 04 e.V. zum Gelände- und Hausverbot? Wenn schon die Polizei keinen Rechtsgrund sieht, wo kommt dieser auf einmal her? Und warum wurden aus 376 “Störern”, deren Personalien man besaß (”Störer” ohne Straftat, s.o.) auf einmal 498 mit Haus- und Geländeverbot?

Hausverbote in einem öffentlichen Raum wie einem Stadion unterliegen einem Willkürverbot. Wenn schon die Polizei mit der großzügig interpretierten Interpretation von “Prävention” nicht weiterkommt, dann werden die strengeren Maßstäbe für ein Haus- und Geländeverbot das noch weniger zulassen. Hoffen wir, dass diejenigen, die von diesem “Gießkannenprinzip” erfasst wurden, gerichtlich dagegen vorgehen. Schade, dass dies ausgerechnet im Umfeld der vergangenen Derbyrandale ist, ein “unschuldigerer Anlass” wäre hilfreich und stieße sicher auf mehr Verständnis. Die Gleisüberschreiter werden so mit denen in einen Topf geworfen, die mit Leuchtspurmunition in den Familienblock geschossen haben. Was ein ganz anderes Kaliber ist.

Denn, und darauf können wir uns verlassen, wenn beim nächsten Derby auch nur einer in der Rauchverbotszone eine Kippe anzündet, wird auch dieses Derby zerstört sein. Und zwar für uns alle.

Das “Haus- und Geländeverbot” währt fünf Jahre. Die Formulierung hat einen Grund: Ein Stadionverbot über eine solche Länge darf nach den eigenen Richtlinien nur erteilt werden, wenn es sich um Wiederholungstäter, und zwar mehrfache, handelt – wörtlich in §5 (3): “in einem wiederholten schweren/wiederholten besonders schweren Fall”. Um nicht gegen die eigenen Richtlinien zu verstoßen, tituliert das Schalke eben um. Faktisch ist aber genau das ein Stadionverbot nach §4 (1) dieser so eigenen Richtlinien. Auch da darf man juristisch raten, ob das so einfach ist: Gerichte werden die Richtlinien als geübte Praxis ansehen, egal, wie man das Kind jetzt nennt. Dass 500 Leute zum wiederholten Mal einschlägig vorbestraft über Gleise gelaufen sind, dürfen wir hier einfach mal gründlich bezweifeln. Und wie das ein “besonders schwerer Fall” ist, kann man auch nur raten.

Hoffentlich geht es vor Gericht. Diese können dann die Spreu vom Weizen trennen und die Gefährder von Unschuldigen; so werden hoffentlich nur die erfasst, von denen tatsächlich eine Gefahr ausgeht. 500 werden es sicher nicht sein. Vielleicht sogar die 31, die schon Stadionverbot haben – hoffentlich auch zu Recht. Der Verein muss dann vor Gericht jedem einzelnen dieser 500 nachweisen, dass er sich daneben benommen hat. Das wird schwierig.

Nicht geklärt ist auch, warum ein Überschreiten von Gleisen zu einem Hausverbot auf Schalke führt. Wenn die Bahn dieses ausspräche, läge es nahe. Ob ein Überschreiten der Gleise aber ausreicht, um eine Gefährdung in einem Fußballstadion zu konstruieren, werden wohl auch Gerichte überprüfen müssen. Leute, geht nie mehr über eine rote Ampel! Wer weiß, ob Ihr dann in der Datei formerly known as “Gewalttäter Sport” landet.

Offen ist auch die Frage, woher Schalke die vielen Daten hat. Anscheinend hat die Polizei sehr viele personenbezogene Daten aus laufenden Ermittlungsverfahren weitergegeben – rechtsstaatlich unter Datenschutzgesichtspunkten mindestens, sagen wir, schwierig. Aber die Polizei musste wohl ganz, ganz dringend punkten.

Denn der Polizei kann man durchaus in Sachen Köln ein gewisses Versagen vorwerfen. Während sie eifrig damit beschäftigt war, friedliche (!) Reisende nach Köln zu “begleiten” und von einige zwecks Personalienfeststellung herauszuziehen, scheinen sich munter andere Gruppierungen verabredet zu haben – unbeobachtet von genau dieser Polizei.

Das nennt man dann wohl Vorwärtsverteidigung: Bevor man ihr ein Versagen vorwerfen kann, dringt auf einmal dieser Aktionismus an anderer Stelle an die Öffentlichkeit, getreu dem Motto: “Wir tun doch etwas.” Nur nicht dort, wo es wirklich dringlich gewesen wäre.

Wohlbemerkt: Wer richtig gefährliche Scheiße baut, gehört rechtsstaatlich verurteilt, nicht mit der “Präventionsmaßnahme” Stadionverbot “bestraft”. Kollektivstrafen tragen zudem eher dazu bei, Märtyrertum zu schaffen und das Instrument “Stadionverbot” dem Vorwurf der Beliebigkeit auszusetzen. Vor allem aber muss es dabei eben rechtsstaatlich zugehen.

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