Inzwischen hatte die Einführung der Bundesliga feste Formen angenommen. Man musste dafür sorgen, dass man in der Oberliga einen guten Platz fand, um sicher in der Bundesliga zu landen. Dr. König war zwar gezwungen, in der Vereinsverwaltung zu sparen, aber trotzdem musste die Mannschaft intakt bleiben. Man hatte sich weiter verstärkt oder glaubte es getan zu haben. Aus Berlin kam der Ex-Nationalrechtsaußen der DDR, der Oberleutnant der Volksarmee Horst Assmy, und aus Köln der Stürmer Klaus „Zick Zack“ Matischak. Im letzten Oberligajahr erreichte Schalke den sechsten Platz. Nach jahrelangem Hickhack beschloss der DFBBundestag schließlich die Einführung der Bundesliga
Praktisch änderte sich überhaupt nichts, obwohl die Ablösesummen verdoppelt und die gestatteten Spielerbezüge höher wurden. Außer den Prämien für Sieg oder Unentschieden sollte ein Lizenzspieler nicht mehr als 2.000 Mark verdienen. Auch die Handgelder wurden beschränkt, aber das stand alles nur auf dem Papier. Die Vereine, die sich um die Bundesligateilnahme bewarben, mussten ein Stadion mit einem Fassungsvermögen von 35.000 Zuschauern, eine Flutlichtanlage, 300.000 Mark Jahresumsatz und ein Betriebsvermögen von 200.000 Mark vorweisen. Über 40 Bewerbungen lagen dem DFB vor. Es wurde ein Schlüssel gefunden, der alle Erfolge und Tabellenplätze der letzten 13 Jahre berücksichtigte, um zu erreichen, dass die bekanntesten Klubs in die Bundesliga kommen. Ohne diesen Schlüssel hätten sowohl Schalke als auch der 1. FC Nürnberg Schwierigkeiten gehabt, in die neue Liga zu gelangen. Aber eine erste Liga ohne diese beiden Vereine war schier undenkbar.
Die Vorbereitung auf die Bundesliga hatte es in sich. Der Kölner Schnellinger und der Lüdenscheider Schütz waren für sagenhafte Gehälter nach Italien gewechselt, so dass auch die Preise der übrigen Spieler in die Höhe schnellten. Am Schalker Markt war man gehörig in der Klemme, die finanzielle Lage wurde immer bedenklicher. Für Matischak, Horst, Herrmann und Lambert musste man 200.000 Mark aufbringen. Es wurde ein Freundschaftsspiel gegen den brasilianischen Meister FC Santos in Essen auf dem Rasen von Rot-Weiß organisiert. Hiermit wollte man Geld verdienen, doch der Schuss ging nach hinten los, man fiel jämmerlich rein und musste am Ende sogar noch 70.000 Mark draufzahlen.
Griff in die Intrigenkiste
Doch das war alles nichts gegen die damaligen ewigen Anfeindungen und Streitigkeiten innerhalb des Vorstands. Einige, die nicht so recht an den Drücker kamen, machten Schwierigkeiten. Es bildete sich in erster Linie eine Front gegen Dr. König. Da man dem Stadtkämmerer aber mit sachlichen Argumenten nicht beikommen konnte, griff man in die Intrigenkiste. Anstatt in diesen schweren Zeiten wie Pech und Schwefel zusammenzuhalten – wie es bei der Sperre der ersten Mannschaft 1930 der Fall war – erschien der zweite Schalker Kassierer Wilhelm Nittka am 21.9.1961 mit der Abrechnung des Spiels gegen Hamborn 07 beim Gelsenkirchener Stadtdirektor Hülsmann und erklärte, dass Schalke 04 laufend Steuergelder unterschlagen habe und auch sonst nicht seinen öffentlichen Verpflichtungen nachgekommen wäre. Alle Vergehen seien durch Dr. König gedeckt worden. Zunächst gab Nittka an, „die Last der Lüge nicht länger tragen zu können“. Obwohl Nittka seine Behauptungen am nächsten Tag schriftlich zurücknahm, blieb Oberstadtdirektor Hülsmann nichts anderes übrig, als den Fall der Essener Staatsanwaltschaft zu übergeben.
Im Dezember 1961 begann die Steuerfahndung zu ermitteln. Und im Laufe der Zeit kam heraus, dass Dr. König und der erste Schalker Kassierer Asbeck spätestens seit 1959 aus einer schwarzen Kasse 42.900 Mark Prämie, 71.500 Mark Handgelder und Möbelrechnungen in Höhe von 36.300 Mark gezahlt hatten. Das Geld war u. a. durch nicht abgerechnete Eintrittskarten und mit Hilfe von „Stundung“ der Vergnügungssteuer durch die Stadt „zusammengespart“ worden.
Weil die Stadt diese Manipulation an der Vergnügungssteuer gedeckt hatte, wurden Dr. König und der zuständige Finanzbeamte Wiescherhoff, der noch nie ein Fußballspiel gesehen hatte, vom Dienst suspendiert. Die Verpflichtungen von Schulz und Co. wären ohne diese unerlaubten und unversteuerten Handgelder nicht möglich gewesen. Und auch Handgelder mussten sein, „sonst hätten wir keine Spieler mehr auf den Platz locken können“, gestand Asbeck.
Der Prozess
Das anschließende Gerichtsverfahren schlug wie eine Bombe ein. Die Denunzianten wussten genau, dass König, um Schalke wieder auf normale Bahnen zu bringen, Kopf und Kragen riskiert hatte. Im übrigen Fußball-Deutschland bekam man etwas kalte Füße, da alle anderen Vereine ihre schwarzen Kassen genauso gefüllt hatten wie Schalke: nicht abgerechnete Eintrittskarten, übertünchte Ausgaben, falsche Belege und Steuerhinterziehung. Etwas anderes blieb den Vereinen auch gar nicht übrig, wenn sie oben mitspielen wollten. Man staunte aber, dass beim berühmten Schalke 04 eine solche Niedertracht innerhalb des Vorstands möglich war, und vor allem wunderte man sich, wie Vorstandsmitglieder so dumm sein konnten, die schwarze Kasse der Staatsanwaltschaft auf dem Präsentierteller zu servieren.
Der Prozess überschattete den Einzug Schalkes in die Bundesliga. Es dauerte über zwei Jahre, bis die Verhandlung in Essen stattfand. Die Anklage warf sechs Schalker Vorstandsmitgliedern und dem städtischen Steueramtsleiter Wiescherhoff Steuerhinterziehung, Betrug, Urkundenfälschung und Untreue im Amt vor. Eine respektable Liste, wobei allerdings den Angeklagten bescheinigt wurde, für sich selbst keinen Pfennig veruntreut zu haben. Alles geschah, um Schalke zu helfen. Im Prozess sagte Nittka dann aus, doch nicht wegen seiner Gewissensbisse ausgepackt zu haben. Vielmehr behauptete er, von seinem ehemaligen Vorstandskollegen und Schlachterbedarf-Großhändler Karl Stutte, Vereinsarzt Dr. Weiler und einem Parteigenossen Königs, Rübenstrunk, dazu erpresst worden zu sein. Spielobmann Stutte habe sich über König geärgert, weil er seinem Schwiegersohn Otto Laszig keinen neuen Spielervertrag gegeben habe. Der damalige Landtagsabgeordnete Rübenstrunk wäre selbst zu gern Vorsitzender von Schalke geworden, weil er damit im Landtag besonderes Gewicht bekommen hätte, und Weiler war wütend, weil König seine finanziellen Bezüge kürzen wollte. Nittka selbst wollte sich rächen, weil ihm als ersten Schatzmeister Hans Asbeck vor die Nase gesetzt worden sei.
König konnte vor Gericht geltend machen, dass er von vielen Manipulationen nicht unterrichtet war, was auch nachweislich stimmte. Nach allen Entlastungen zugunsten von König fiel das Urteil auch einigermaßen milde aus. Er wurde zu einer Geldstrafe von 3.400 Mark verurteilt, Asbeck zu 2.000 Mark und Nittka, der den Stein ins Rollen gebracht hatte, zu 200 Mark. Nach dem Urteil erhielten die Angeklagten Blumen vom Oberbürgermeister. Die „Zeit“ resümierte nach dem Urteilsspruch: „Niemand hätte auch nach dem Prozess an der Ausstrahlung des Goodwill gezweifelt, wären nur Steuerhinterziehung und Kartenabschöpfung zur Sprache gekommen. Selbst die Untreue im Amt, die das Gericht den Beamten Wiescherhoff und König vorgeworfen hat, wäre an Theken und Tresen als Kavaliersdelikt abgetan worden. Die schmutzige königsblaue Wäsche jedoch, die vor dem Tribunal ausgebreitet worden war, erschütterte die Stadt. Die Jungfrau Schalke ist geschändet.“
Wieder Selbstmord
König legte nach dem Urteil sofort seinen Vorsitz bei Schalke nieder, wurde aber später wieder ins Amt gesetzt und 1968 sogar zum Oberstadtdirektor gewählt. Asbeck war wohl einer der sympathischsten Männer im Schalker Vorstand, gewandt, liebenswürdig und gescheit. Als Kaufmann zunächst erfolgreich, verkalkulierte er sich aber und schied wenig später freiwillig aus dem Leben. Mit Schalke hatte sein Freitod – im Gegensatz zu dem des Schatzmeisters Willi Nier 1930 – aber nichts zu tun. Asbeck hatte wohl ziemlich voreilig gehandelt, denn bei einem möglichen Vergleich wäre für ihn immer noch so viel übrig geblieben, um gut leben zu können. Eine Frage aber blieb: Was muss das für ein Verein sein, für den selbst pflichtbewußte Beamte ihren Ruf, ihre Zukunft und sogar ihre Existenz aufs Spiel setzen? Wer die Verhältnisse auf Schalke nicht kannte, konnte dies nicht nachvollziehen. Doch es sollte nicht das letzte Mal sein, dass man über Schalke den Kopf schüttelte.