(rk) Schalke und Alkohol gehören ja irgendwie zusammen: Veltins ist einer der Hauptsponsoren, bei der 10-Jahres-Feier zum Uefa-Cup-Sieg flogen Biergläser Richtung Ex-Manager, so manche Jahreshauptversammlung ist ebenfalls in feucht-fröhlichem Chaos versunken und Udo „Ouzo“ Lattek hat nicht nur einmal zusammen mit Günter Eichberg an der Weinschorle genippt. Doch es gab noch einen zweiten Schalker Trainer, der berühmt-berüchtigt war für seinen Hang zum C2H5OH.
Rolf (Rudolf) Schafstall wurde am 22. Februar 1937 in Duisburg geboren, feierte also jüngst seinen 70. Geburtstag. Als Spieler war er unter anderem bis 1963 in der Oberliga West, der seinerzeit höchsten Spielklasse, für Hamborn 07 aktiv. In der Regionalliga Süd spielte er von 1963 bis 1972 für den SSV Reutlingen 05, wo er 1965 und 1968 den Meistertitel der Regionalliga feiern konnte.
Bekannter geworden ist der gelernte Anstreicher Rolf Schafstall aber durch seine Laufbahn als Trainer, wo er sich schnell einen Namen als „harter Hund“ machte. Seine erfolgreichste Zeit hatte Schafstall beim VfL Bochum, den er von 1981 bis 1986 in der Bundesliga trainierte, bevor er zur Saison 1986/87 zu den Königsblauen wechselte.
„Entweder schaffe ich Schalke …“
Unvergessen bleiben diese Worte von Rudi Assauer bei seinem ersten Amtsantritt im Jahr 1981. Knapp fünf Jahre später musste Rudi Assauer erkennen, dass Schalke ihn geschafft hatte zwar noch nicht endgültig, wie wir alle wissen, aber erst einmal reichte es ihm. Auslöser für die Entlassung Assauers war 1986 die Verpflichtung von Trainer Rolf Schafstall.
Doch warum musste Rudi Assauer nun seinen Stuhl räumen? Vereinspräsident Dr. Fenne war offenbar nicht mehr zufrieden mit der Arbeit von Diethelm Ferner. Doch war es nur seine Arbeit? Dr. Fenne, Unternehmer aus Gladbeck, vermisste beim unauffälligen Ferner das aus seiner Sicht erforderliche „Charisma“ ein „auf Schalke“ bis dahin noch nicht allzu häufig benutzter Begriff. „Bis dahin“, so Assauer, „hat die Zusammenarbeit mit uns ja nicht schlecht geklappt. Aber das Problem war, dass Dr. Fenne über Nacht plötzlich der Meinung war, irgendjemand habe ihm Fußballverstand eingeimpft.“ Das konnte nicht gut gehen, und so gerieten die beiden aneinander. Ohne Absprache mit Assauer begann Dr. Fenne die Verhandlungen mit Rolf Schafstall und gab sodann dessen Verpflichtung bekannt. Assauer fühlte sich zu Recht übergangen: „Dann wollte ich die Vertragsverhandlungen mit Schafstall aufnehmen, da höre ich, dass das auch schon alles geregelt ist“.
Wo ich bin, herrscht Chaos
Rudi Assauer, der schon immer einen guten Draht zu seinen Spielern hatte, merkte schnell, dass dies eine Verpflichtung mit fatalen Folgen sein würde. Schafstall und Assauer das passte überhaupt nicht zueinander.
Dabei stand der Saisonstart ansonsten unter einem nicht allzu schlechten Stern: Zwar verließ Frank Hartmann den Verein wieder in Richtung Kaiserslautern und Dieter Schatzschneider wurde an Fortuna Köln ausgeliehen, aber mit Jürgen „Kobra“ Wegmann (vom BxB) und Libero Wilfried Hannes (aus Gladbach) wurden zwei „Hochkaräter“ geholt. Zu ihnen gesellte sich ein Spieler, der uns noch in guter Erinnerung ist: der damals 18 Jahre alte Schüler des Schalker Gymnasiums, Michael „Magic“ Prus. Mit diesen Verstärkungen war man frohen Mutes, in dieser Saison auch mal oben anklopfen zu können. Noch bevor die Saison richtig begonnen hatte, nahm das Unglück aber seinen Lauf. Jürgen Wegmann hatte sich im Trainingslager den Fuß gebrochen und bei Wilfried Hannes machte sich eine alte Muskelverletzung nachhaltig bemerkbar.
Einem guten Saisonstart folgten katastrophale Leistungen auf dem Platz. Nach einer 2:0-Führung am 4. Oktober im Spiel gegen den 1. FC Köln verlor Schalke noch 2:4. Das leitete eine Serie von sieben Spieltagen ohne Sieg ein. In der Führungsriege kriselte es gewaltig. Fenne, Manager Assauer und Trainer Schafstall schlossen auf der Fahrt zum Freundschaftsspiel nach Rostock noch einmal Frieden, der jedoch unter dem Zwang ausbleibender Erfolge nur ein Waffenstillstand war. Am 28. November verbannte Rolf Schafstall den Manager aus dem Trainingslager.
In einer Marathonsitzung des Vorstandes und des Verwaltungsrates bis nach Mitternacht wurde Rudi Assauer als Manager gegen den Willen des Verwaltungsrates vom Vorstand entlassen. Zur großen Überraschung aber erklärte Präsident Dr. Fenne am 6. Dezember vor dem Schlagerspiel gegen Bayern München selbst seinen Rücktritt aus persönlichen Gründen. Das Chaos war perfekt und Schalke drückte eine Schuldenlast von 5,2 Millionen Mark. Heute wäre das nicht der Rede wert, damals machten sich die Schalker Vereinsmitglieder große Sorgen.
„Der größte Fußball-Prolet aller Zeiten“
In einer unbeschreiblichen Wahlnacht wurde Oskar Siebert zum dritten Male zum Präsidenten gewählt. Doch auch er konnte das Unheil nicht aufhalten. Auf der sportlichen Seite machten sich bei Schalke immer wieder drei Dinge bemerkbar: Unvermögen, Nervenschwäche und Pech. Und zwar in dieser Reihenfolge. Bis zum Ende der Rückrunde sollte Schalke nur noch ein einziges Spiel gewinnen (gegen Homburg 3:0), so dass Siebert kaum eine andere Wahl blieb, als den erfolglosen Trainer Rolf Schafstall zu feuern. Als sein Nachfolger nahm Horst Franz auf der Trainerbank Platz.
Auch die Spieler blicken noch heute mit Grausen an die Zeit unter Rolf Schafstall zurück: „Von Anfang an merkte ich, dass da irgendwas nicht stimmt“, meinte etwa Bernard Dietz. Auch der „Boxer“ Klaus Täuber war unzufrieden: „Kaum war Schafstall da, entschwanden alle bisherigen Tugenden. Keine Kameradschaft mehr, kein Zusammenhalt und als Ergebnis davon weniger Erfolg.“ Später wird Rudi Assauer Schafstall als „einen der größten Proleten, die ich in der Fußball-Branche kennen gelernt habe“, bezeichnen.
Der Besserwessi
Rolf Schafstall ging zu Bayer 05 Uerdingen, wo er auch keine Bäume ausreißen konnte. Es folgten einige kurzfristige Engagements, darunter zwei weitere bei „seinem“ VfL Bochum. An seinen alten Erfolg konnte er aber nie wieder anknüpfen. 1990 wurde er als „Wiederholungstäter“ mit Alkohol am Steuer erwischt, zu vier Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt und geriet so ins gesellschaftliche Abseits. In schlechter Erinnerung bleibt auch seine Trainerzeit bei Dynamo Dresden als er mit einer Wutrede à la Trappatoni den Zorn aller Ostdeutschen auf sich zog: „Dreck, wo du hinguckst! Das sind lauter Spinner hier! Die sind nicht zur Arbeit, nicht zur Ordnung, zu nichts erzogen worden hier! Das stinkt zum Himmel! Da steht keiner auf, da hört keiner zu – kein Anstand! Lauter Ossis!“
Dieter Riedel, früherer DDR-Nationalspieler und Dynamo-Präsident, wird so zitiert: „Der über den Sponsor ‚Kinowelt’ als Feuerwehrmann installierte Rolf Schafstall war nur 57 Tage im Amt, 56 davon waren schon zu viel, so krass muss man das sagen. Sportlich hat er nichts bewegt, aber in der Mannschaft, im ganzen Klub und im Umfeld für helle Empörung gesorgt mit einer Folge an schlimmsten Beleidigungen. Er hat den Super-Besserwessi gespielt, alles und jeden niedergemacht. Dabei sorgte er für alle Eskapaden, die seinem Ruf voraus gingen, bis hin zum Alkoholmissbrauch.“
Rolf Schafstall lebt heute auf einem umgebauten Bauernhof in der Nähe von Krefeld.