(dol/usu) In der Länderspielpause traf SCHALKE UNSER den verletzten Halil Altintop und sprach mit ihm über Hochbett, Straßenfußballer, Familie, Religion und Fans.
SCHALKE UNSER:
Wir haben dich und Hamit im SCHALKE UNSER im Februar 2006 im Streit darüber dargestellt, wer oben und wer unten im Hochbett schläft. Jetzt wollen wir es natürlich von dir wissen, wie war das in Wirklichkeit?
HALIL ALTINTOP:
Wir hatten bis zu einem bestimmten Alter wirklich ein Hochbett, aber es war uns egal, wer oben und wer unten geschlafen hat.
SCHALKE UNSER:
Waren du und Hamit früher das, was man Straßenfußballer nennt?
HALIL ALTINTOP:
Doch, ja. Wir haben immer den Ball dabei gehabt und überall gespielt, auf der Straße, auf dem Bolzplatz und, wenn unsere Freunde nicht da waren, dies auch nur zu zweit. Wir sind mit sieben Jahren in einen Fußballverein eingetreten. Aber wir haben in unserer Freizeit immer Fußball gespielt, denn Training war damals nur zwei bis drei Mal in der Woche.
SCHALKE UNSER:
Du hattest damals wie Hamit ein Angebot, bei Schalke zu spielen. Wieso bist du nach Kaiserslautern gegangen?
HALIL ALTINTOP:
Weil ich der Meinung war, dass es besser ist, zuerst woanders zu spielen. Dieser Meinung war auch Rudi Assauer. Er sagte damals, dass er gerne uns beide hätte, aber dass es für mich schwieriger sein würde als für meinen Bruder, von Anfang an zu spielen. Assauer wollte mich aber trotzdem haben, weil er der Meinung war, dass aus mir ein guter Fußballspieler wird. Ich war ihm dankbar, dass er mir das so direkt gesagt hat und nicht irgendwelche Lügengeschichten erzählt hat, um mich zu halten. Darum bin ich nach Kaiserslautern gewechselt.
SCHALKE UNSER:
Das hat sich für dich ja dann auch gelohnt. Miroslav Klose als Lehrmeister ist gewiss keine schlechte Referenz. Auf Schalke hättest du bestimmt nicht so häufig spielen können.
HALIL ALTINTOP:
Man weiß zwar nie, was im Fußball passiert, aber der Meinung war ich auch. In Kaiserslautern hat mir der Trainer erklärt, dass er mich immer einsetzen wird, wenn auch nicht immer von Anfang an. Das war für mich schon wichtig, in dem Alter und aus der Regionalliga kommend, so ein Vertrauen von einem Trainer zu erhalten.
SCHALKE UNSER:
Du hattest damals auch Angebote türkischer Vereine, hast die ausgeschlagen, aber trotzdem spielst du als gebürtiger Gelsenkirchener in der türkischen Nationalmannschaft. Wie hat sich das ergeben?
HALIL ALTINTOP:
Mir fiel es damals sehr schwer, die Entscheidung zu treffen. Hamit hatte sofort gesagt, dass er für die Türkei spielen will. Bei mir war das aber so, dass ich mich sehr für die deutsche Nationalmannschaft interessiert habe. Ich habe in der Türkei für mich mehr Perspektiven gesehen. Ausschlaggebend war aber meine Familie, besonders meine Mutter. Ich habe mehr zu den Deutschen tendiert, mich aber trotzdem für die Türkei entschieden.
SCHALKE UNSER:
Respekt von uns für dein Verhalten bei dem Relegationsspiel gegen die Schweiz, dass du bei den Ausschreitungen nicht mitgemacht und sogar eingegriffen hast.
HALIL ALTINTOP:
Es war ein Reflex, weil so etwas nicht sein kann. Klar wollte ich auch bei der WM dabei sein. Aber ich kann nicht nachvollziehen, dass sie sich so verhalten haben. Klar haben die Schweizer uns während des Spiels nach ihren Toren provoziert. Aber für mich war das trotzdem kein Grund, dass sie sich so verhalten. Ich habe mich nie geprügelt, auch als Kind nicht. Höchstens mal mit meinen Bruder einen Ringkampf. Aber für mich war und ist Gewalt kein Mittel.
SCHALKE UNSER:
Es hieß, dass du während deiner Zeit in Kaiserslautern deinen Bruder sehr vermisst hast. Nun bist du zurück in Gelsenkirchen und er ist weg.
HALIL ALTINTOP:
Wir verstehen uns sehr gut und wissen, dass wir uns aufeinander verlassen können. Wir haben bis zum zwanzigsten Lebensjahr alles geteilt und dieselben Interessen gehabt. Aber ich freue mich natürlich schon für ihn, weil das sportlich schon ein entscheidender Schritt ist. Aber fehlen wird er mir immer.
SCHALKE UNSER:
Wie ist das für dich, als Gelsenkirchener auf Schalke zu spielen?
HALIL ALTINTOP:
Wir kommen ja direkt aus der Neustadt, und da war es vor allem bei großen Spielen immer rappelvoll. Das haben wir schon immer mitbekommen und natürlich war ich auch einige Male im Parkstadion. Klar haben wir auch immer mitgefiebert. Und jetzt als Gelsenkirchener auf Schalke zu spielen, wie Hamit immer sagte, „im eigenen Wohnzimmer“, ist schon etwas tolles. Als Gelsenkirchener kennt man auch die Leidenschaft, mit der hier Fußball gelebt wird, und den Kampfgeist, der hier erwartet wird
SCHALKE UNSER:
Von Fanseite wird ja kritisiert, dass durch die hohen Eintrittspreise bei Champions-League-Spielen ein Publikum in die Arena kommt, das zum Teil diese Leidenschaft nicht lebt. War es dies, was du nach dem Valencia-Spiel gemeint hast, als du gesagt hast, du hättest mehr erwartet von den Fans?
HALIL ALTINTOP:
Eins vorweg: An dem Tag haben wir nicht sehr gut gespielt und uns die Niederlage selbst zuzuschreiben. Darüber waren wir anschließend enttäuscht. Mit meiner Aussage wollte ich nicht die treuen Fans kritisieren. Ich war einfach erstaunt, denn ich habe beim ersten Champions-League-Spiel der Saison viel mehr Euphorie erwartet. Wir hatten immerhin Valencia zu Gast, die es bis jetzt immer in der CL sehr weit gebracht haben. Wenn man nie seine Meinung sagt, auch wenn die einmal nicht von allen geteilt wird, dann verlieren am Schluss alle. Das ist wie in einer Familie.
SCHALKE UNSER:
Hat dich die Reaktion der Fans denn überrascht, dass die so sauer waren?
HALIL ALTINTOP:
Nein, definitiv nicht, obwohl mein Bruder auch eine schwierige Phase hier hatte.
SCHALKE UNSER:
Es ist für uns auch erstaunlich, da fordern die Leute einerseits, dass Spieler von der Grenzstraße spielen, dann haben sie jemanden aus der Neustadt und der wird dann ausgepfiffen.
HALIL ALTINTOP:
Ja, ich bin Gelsenkirchener. Klar, meine Eltern sind aus der Türkei, aber ich und mein Bruder sind es. In der Pfalz meinten sie immer, dass ich ein Ruhrpottjunge sei, so wie ich rede und mich gebe. Ich stelle mich auch nicht hin und sage ich bin perfekt. Mir ist bewusst, dass ich hier noch nicht ganz angekommen bin. Aber ich bin mir sicher, dass der Knoten platzt, das war ja auch in Kaiserslautern so. Ich hätte nach meinen 20 Toren in Kaiserslautern auch zu anderen Vereinen wechseln können. Aber ich wollte nach Schalke kommen. Egal was sich ergibt, ich werde immer in dieser Stadt bleiben und ich werde immer alles für diesen Verein tun. Ich will auch immer den Fans in die Augen schauen können, weil ich weiß, ich habe alles gegeben.
SCHALKE UNSER:
Marcelo Bordon und andere haben das Buch „Mit Gott auf Schalke“ rausgegeben. Fühlst du dich als Muslim da außen vor?
HALIL ALTINTOP:
Nein, überhaupt nicht. Jeder hat seinen Glauben und seine Art und Weise, wie er sich darin am wohlsten fühlt. Es gibt Spieler, die machen ein Kreuz, wenn sie auf den Platz kommen oder beten am Mittelkreis. Ich bin ein Typ, der es für sich macht. Ich fange im Tunnel an zu beten, das braucht keiner zu wissen, das mache ich für mich. Aber ich respektiere es, wie andere es auf ihre Weise machen.
SCHALKE UNSER:
Wie hältst du es mit dem Ramadan?
HALIL ALTINTOP:
Ich kann mich leider nicht daran halten. Mein Körper ist mein Kapital und als Sportler braucht man sehr viel Flüssigkeit. Aber später in meinem Leben werde ich mich schon an die Regeln des Ramadans halten.
SCHALKE UNSER:
Du bist ein Rogon-Spieler. Was macht dieses Beraterteam anders oder besser als andere Berater?
HALIL ALTINTOP:
Das weiß ich nicht. Ich kenne nur Rogon, aber sie ermöglichen mir, mich auf den Fußball zu konzentrieren, weil sie sich um meine Angelegenheiten kümmern. Ich kann mich auf die Leute verlassen und ich finde es sehr gut, wie ich da betreut werde.
SCHALKE UNSER:
Bist du schon rassistisch angegriffen worden?
HALIL ALTINTOP:
Ich hatte Schulkollegen, die mit meinen Landsleuten große Probleme hatten, mit mir aber nicht. Ich habe persönlich keine negativen Erfahrungen gemacht.
SCHALKE UNSER:
Warum trägst du die roten Schuhe?
HALIL ALTINTOP:
Bei der Länderspielreise habe ich die neue Schuhe bekommen. Sie sagten, dass die doch gut passen, da ich jetzt ja für die Türkei spiele und wir in rot antreten,. Mit den Schuhen habe ich dann zwei Tore für die Nationalmannschaft geschossen – der Aberglaube hat dann dazu geführt, dass ich sie jetzt weitertrage. In Duisburg hat es ja auch geklappt.
SCHALKE UNSER:
Nun, dann hoffen wir, dass du mit den Schuhen weiterhin für Schalke triffst. Herzlichen Dank für das Gespräch. Glückauf.