(bl/rk) Ein wenig die Zeit zurückdrehen und damit raus aus der Kälte, Logenplätze für lau und ein Déjà vu – die Anträge für die kommende Mitgliederversammlung auf Schalke sind ein bunter Strauß. Eine Analyse.
Die größten Aussichten auf Erfolg darf man wohl dem Antrag “Fristen” vorhersagen, die Mitgliederversammlung aus dem kalten Winter herauszubekommen: Ab dem 1. Juni – und nicht wie bisher erst nach dem 1. Oktober – soll eine Mitgliederversammlung möglich sein. Damit verschieben sich auch die Fristen für die Bewerbungen: Anträge müssen dann bis zum 1. Februar (bisher: 1. April) vorliegen, ebenso Bewerbungen für den Aufsichtsrat (ebenfalls bisher 1. Mai). Dementsprechend verschieben sich auch die Fristen für die Behandlung von Anträgen. Keine Änderungen gibt es für die Bewerbungen zum Wahlausschuss oder für den Ehrenrat: Diese müssen weiterhin bis zum 1. Mai beim Verein eingegangen sein.
Eng wird es damit für den Bericht über das Geschäftsjahr, das immer am 30. Juni endet. Da kommt auf die Finanzvorständin und ihre Mitarbeitenden einiges an Arbeit zu. Andererseits: Die Daten werden ja nicht erst am 1. Juni erhoben und – eine gute IT vorausgesetzt – sollte das für den August machbar sein. Im vergangenen Jahr war der Unmut über die Eiseskälte in der Arena jedenfalls groß.
Auch wenn die Mitgliederversammlung demnächst bei hoffentlich wärmeren Temperaturen stattfindet: Eine Terminverschiebung allein wird nichts an den hitzigen Diskussionen und der sozialen Kälte in einigen Redebeiträgen ändern. Wenn das SCHALKE UNSER sich etwas wünschen dürfte, wäre das die Besinnung auf Redekultur und ein Mindestmaß an Sozialverträglichkeit der Rednerinnen und Redner. Und das strikte Einhalten der Redezeitbegrenzung.
Nicht mehr ein Leben lang
Ein Antrag zielt darauf, dass Kooptationen zum Aufsichtsrat auf zwei Amtszeiten, damit insgesamt vier Jahre, zu beschränken. Danach könne sich das kooptierte Mitglied laut Antrag einfach regulär zur Wahl stellen. In einem solchen Fall soll der Wahlausschuss nicht mehr vier Kandidaten zulassen, sondern ggf. sogar fünf. Der Aufsichtsrat hat den Antrag zugelassen, aber keine Stellungnahme abgegeben.
Beispiel Jens Buchta: Erst gewählt, später dann “nur noch” als Jurist über den Sportbeirat bestimmt und anschließend, ohne von den Mitgliedern gewählt worden zu sein, Aufsichtsratsvorsitzender geworden. Eine derart lange Amtszeit ohne Wahl wäre dann nicht mehr möglich.
Kritiker mahnen allerdings zwei denkbare Probleme an: Auf einer Mitgliederversammlung stünden dann gegebenenfalls nicht mehr nur zwei, sondern drei Amtsinhaber zur Wahl. Diese haben in der Regel – wenn nicht gerade die Saison katastrophal läuft – grundsätzlich alle drei einen Amtsbonus inne. Andererseits könnte sich dieser auf die drei verteilen und dafür sorgen, dass Mitbewerber mehr Chancen hätten, sich durchzusetzen. In jedem Falle könnten die Mitglieder das Prinzip der Bestenauswahl hier gut ausleben. Allerdings könnten amtierende Aufsichtsräte versucht sein, sich im Vorfeld der Mitgliederversammlung auf Kosten des Gremiums und der Konkurrenten zu profilieren.
Oft dienen Kooptationen dazu, dem Hauptsponsor einen gewissen Einfluss oder zumindest eine Aufsicht darüber zu verschaffen, was mit “seinem” Geld geschieht. Weniger Einfluss eines Sponsoren kann man positiv finden – schlechte Beispiele dafür finden sich in den Ligen genug. Es könnte aber Sponsoren auch abschrecken oder aber dafür sorgen, dass das Sponsoring geringer ausfällt.
Der Antragsteller verweist darauf, dass Fluktuation im Gremium bisher eher nicht gewünscht zu sein scheint, um eingespielte Strukturen nicht zu stören. Doch so könne sich der Aufsichtsrat nicht weiterentwickeln.
Schluss mit den Abstimmgeräten, das eigene Handy muss her. Hoffen wir auf eine Vorbereitung: Das WLAN freizuschalten wäre schon einmal hilfreich – man weiß ja, dass das Netz zusammenbricht, wenn die Arena sich füllt. Und vielleicht sorgt der Verein auch für genügend Ladestationen. Sonst kann es schnell Schluss sein mit der heilen Abstimmungswelt. Unklar ist auch noch, wie man sicherstellen möchte, dass auch wirklich nur die abstimmen, die noch in der Arena sind und nicht schon ins Warme geflohen sind. Die andere Frage: Wird es diesmal die Anträge, über die man abstimmen soll, auch mal als schriftliche Unterlage geben? Es wäre schön, wenn sich der Verein diese Druckkosten leisten könnte. Schließlich sollte man sich damit befassen können – Demokratie darf auch einmal Geld kosten.
Blau und Weiß ein Leben lang
In einem weiteren Antrag wollen zwei Mitglieder festschreiben, dass Vereinsname und Vereinsfarben nur geändert werden können, wenn nicht nur zwei Drittel der Mitglieder dafür stimmen, sondern dies zudem auf einer außerordentlichen, nur zu diesem Zweck einberufenen Mitgliederversammlung erfolgen würde. Dafür sollen zukünftig anstelle einer Zweidrittelmehrheit drei Viertel der abgegebenen Stimmen erforderlich sein.
Die Antragsteller wollen damit die Hürde für einen “Verkauf” erhöhen. Da das Vereinsrecht keine “Ewigkeitsklausel” vorsieht, sollen wenigstens die Hürden erhöht werden. “Red Bull Salzburg” lässt grüßen. Der Aufsichtsrat empfiehlt Zustimmung zu diesem Antrag.
Loge für lau
Unklar bleiben für die Redaktion Sinn und Zweck des Antrags “Ehrenordnung”. Bisher kam nur ins Ehrenpräsidium, wer folgende Bedingungen erfüllt:
- mindestens 20 Jahre Mitgliedschaft
- davon mindestens 10 Jahre Mitglied eines Vereinsorgans
- sich in „besonderer Weise um den Verein verdient gemacht” haben
Dies geschieht auf Lebenszeit. Die jetzigen Mitglieder des Ehrenpräsidiums sind – zum Zeitpunkt der Mitgliederversammlung – zwischen 68 und 89 Jahre alt. Von den acht Mitgliedern sind fünf über 80 Jahre alt, einer steht kurz davor. Das mit Abstand jüngste Mitglied, das den Durchschnitt auf 82,25 Jahre senkt, ist 68 Jahre alt. Das Ehrenpräsidium kann maximal elf Mitglieder haben.
Warum dieses Gremium leichter aufgefüllt werden soll, gegebenenfalls auch mit jüngeren Mitgliedern, ist unklar: Das Ehrenpräsidium selbst ist ein Vereinsorgan ohne Funktion – rein ehrenhalber eben. Es taucht in der Satzung nicht auf; den Mitgliedern steht aber ein Platz in den Logen zu. Die Begründung schweigt sich dazu aus, stellt nur fest, dass die obigen Voraussetzungen schwer zu erfüllen sind.
Alle Jahre wieder
Ein Antragsteller kommt – wieder einmal – mit dem Wunsch nach Briefwahl um die Ecke getroffen. Dazu ist eigentlich schon alles gesagt, und zwar im Vorfeld der vergangenen Mitgliederversammlungen und auch auf der letzten. Keine Reden hören, die Diskussion nicht verfolgen, die Argumente nicht hören, einfach schon mal entscheiden. Partizipation sieht anders aus – das nur als Kurzfassung.
Der Aufsichtsrat hat den Antrag nicht zugelassen. Abgesehen davon, dass vereinsrechtlich eine hybride Mitgliederversammlung rechtlich (auf Schalke allerdings nicht technisch, wie man gesehen hat) schon längst möglich ist: Man wünscht sich fast einen Satzungsänderungsantrag, der Themen einfach nicht erlaubt, die gerade einmal ein Jahr vorher von dem Mitgliedern abgelehnt worden sind.
Darauf verweist auch der Aufsichtsrat, der den Antrag nicht zugelassen hat. Darüber hinaus sei dieser zu unbestimmt. Viele Fragen, gerade bezüglich der Durchführung und der Rechtssicherheit, sindist im Antrag auch nicht geregelt.
Die Revolution fällt aus
Und dann gibt es noch den Antrag, einfach mal alles und jeden abzuwählen. Aber das ist eine eigene Geschichte.

