(ru) Spieler kommen, Spieler gehen, tausend Trainer schon verschlissen und manche von ihnen sind zu echten Schalkern geworden. Diesen geben wir in loser Reihenfolge im SCHALKE UNSER den Raum, an ihre Jahre auf Schalke zurückzudenken. Klaus Täuber kam 1983 zum FC Schalke und schoss den Klub zum Aufstieg. Für das SCHALKE UNSER erinnert er sich an die Aufstiegssaison, Rauchen im Ruhebecken und einen Deal auf Schloss Berge.
Das war’s. Schalke hatte in der Relegation gegen Uerdingen nur 1:1 gespielt, war damit abgestiegen. Damit war’s das auch für mich mit Schalke, hatte ich doch vorher mit ihnen verhandelt. Ich spielte bei den Stuttgarter Kickers und wollte unbedingt in die Erste Liga. An diesem brütend heißen Tag saß ich auf der Tribüne im Parkstadion und sah mir das Spiel an. Ich kämpfte mich durch die trauernden Fan-Massen zum Wagen und fuhr nach Hause. „Auf Schalke werde ich also nicht spielen“, so dachte ich.
Am nächsten Tag klingelte Rudi Assauer bei mir durch. Er bequatschte mich geschlagene zweieinhalb Stunden. Als ich auflegte, wusste ich gar nicht, was los war. Ich hatte tatsächlich Assauer mein Wort gegeben, zu Schalke zu kommen. In die Zweite Liga. Sekunden später riefen die Frankfurter an, die damals in der Ersten Liga eine gute Rolle spielten. „Mit wem hast du denn so lange telefoniert?“, wollten sie wissen. Ich erklärte ihnen, dass ich bei Schalke zugesagt hatte und sie erhöhten ihr Angebot um eine fünfstellige Summe. Da saß ich nun und wusste nicht, wie mir geschehen war.
Ich entschied mich für Schalke, denn schließlich hatte ich mein Wort gegeben. Das war das Eine. Und zum anderen muss ich zugeben, dass mich schon beeindruckt hatte, wie die Schalker Fans nach dem Spiel gegen Uerdingen für ihren Verein eingestanden waren. Da lagen Menschen auf dem Boden und hatten Weinkrämpfe. Andere haben demonstrativ ihrem Klub die Treue geschworen und die Fahne geküsst. Dieser Verein hatte einfach eine magische Ausstrahlung. Eins vorweg: Ich habe meine Entscheidung von damals nie bereut, die Zeit auf Schalke war mit die schönste in meiner ganzen Laufbahn, auch wenn ich später mit Leverkusen den UEFA-Pokal gewann.
Kaum war ich auf Schalke angekommen, musste ich mich gleich umgucken. Diethelm Ferner, der damalige Trainer, ließ in der Vorbereitung viermal am Tag trainieren. Training, schlafen, essen. Ich war total fertig. Didi hat sehr viel Wert auf das Konditionelle gelegt. Klar, wenn man ihn sich so angesehen hat mit seiner komischen Frisur, da konnte man schon denken: Was ist das denn für einer?! Aber ich fand ihn super, ein ehrlicher Trainer, gerade heraus. Er hatte großen Anteil daran, dass wir direkt in der ersten Saison den Wiederaufstieg schafften.
Didi ließ offensives Pressing spielen, wir legten los wie die Feuerwehr. Da kamen unglaubliche Ergebnisse heraus: 5:2 gegen Wattenscheid, 4:1 gegen Hannover, 6:0 gegen Freiburg – wir waren eine Tormaschine. Unsere Gegner hatten gehörigen Respekt. So wie viele Mannschaften Angst haben, wenn sie nach München müssen, so haben sich damals viele in die Hose gemacht, wenn sie ins Parkstadion kamen.
Es passte nicht nur sportlich, sondern auch menschlich in unserem Kader. Wir hatten auch privat viel miteinander zu tun. Jochen Abel, Manni Drexler, mein fränkischer Landsmann, oder Michael Jakobs, mein bester Freund. Ich habe mit Michael auf der linken Seite gespielt und wir haben uns einfach blind verstanden.
Wenn ihn einer auf dem Platz angegangen hat, dann hat er es mit mir zu tun bekommen. Auch für Olaf Thon, unseren Jungspund, war ich der Pitbull. Einmal kam Olaf total verängstigt im Spiel gegen Gladbach zu mir und sagte: „Der Uli Borowka hat gesagt, er bringt mich beim nächsten Zweikampf um.“ Ich lief also zu Uli und sagte in bestimmten Tonfall: „Lass die Finger vom Olaf, sonst kriegst du es mit mir zu tun.“
Der „stern“ wählte mich später zum „Klopper der Liga“. Oft wird aber vergessen, dass ich nur ein einziges Mal vom Platz geflogen bin. Klar, ich war extrem in den Zweikämpfen und habe sie gesucht. Dadurch habe ich etliche Verletzungen davon getragen, teilweise konnte ich nur mit Spritzen und Schmerztabletten spielen. Einmal gegen Stuttgart hatte ich einen Verband vom Fuß bis zur Hüfte. Anfangs spürte ich noch nichts und schoss zwei Tore, doch ab der 70. Minute kamen die Krämpfe, weil die Durchblutung komplett gestört war. Das waren die Schmerzen meines Lebens.
Ein Highlight der Saison 83/84 war für mich der 4:1-Sieg in Hannover. Im Hinspiel hatte sich Hannovers Karsten Surmann wegen mir den Kiefer gebrochen, vor dem Rückspiel hörte man, dass die 96er sich an mir rächen wollten. Sie stellten mir Bernd Thiele als Wachhund auf die Füße. Ich brauche wohl keinem Schalker erklären, was das bedeutete.
Thiele grätschte alles weg. Doch ich war auch keiner, der einem Zweikampf aus dem Weg ging. Mich hat das Ganze ziemlich angestachelt. „Wollen wir mal sehen, wer härter von uns beiden ist“, habe ich mir gedacht. „Thiele trat, Täuber traf“, titelte die „Bild“ später, ich hatte drei Treffer gemacht. Dieser Sieg war für das Team wichtig, aber auch für mich, weil ich eine Woche zuvor noch gegen Berlin eine Tausendprozentige vergeben hatte. Danach lief es wie am Schnürchen, mir gelangen insgesamt in dieser Saison 19 Buden.
Im letzten Saisonspiel schlugen wir die Essener mit 5:0. Das Spiel musste immer wieder unterbrochen werden, weil die Fans den Rasen stürmten. Irgendwann dachten alle, es sei abgepfiffen. Die Fans stürmten auf mich zu, rissen mir die Klamotten vom Leib, Trikot und Schienbeinschoner waren weg, ich stand ohne Schuhe da. Plötzlich hieß es: „Der Schiedsrichter hat das Spiel nur unterbrochen. Es geht weiter.“ Da habe ich mir einfach irgendein Leibchen übergezogen und die Treter von unserem Masseur. Doch der hatte Schuhgröße 41, ich 44. Ich konnte gar nicht laufen und habe mich nur am Rand hingestellt, bis endlich abgepfiffen wurde.
Das Spiel wurde später wiederholt, weil der Essener Torwart von einem Schalker Fan angesprungen wurde. Es änderte aber nichts: Wir waren aufgestiegen, Essen abgestiegen. Daran erinnern sich die meisten Schalker mit Sicherheit gerne.
So war es damals auf Schalke. Die Fans waren direkt dran. Einmal kam ich nach einem Spiel zum Parkplatz, da stand da ein etwas rundlicher Fan und fragte unverblümt: „Klaus, ich weiß nicht, wie ich in die Stadt kommen soll. Kannst du mich mitnehmen?“ Da habe ich ihn eben nach Hause gefahren. So war das damals, bei den heutigen Spielern unvorstellbar. Auch die Sachen, die innerhalb der Mannschaft abliefen, wären heutzutage undenkbar. Im Parkstadion hatten wir neben der Kabine ein Ruhebecken. Wir erfahrenen Spieler wie Jakobs, Drexler, Abel und ich haben uns nach dem Spiel da reingesetzt und erst einmal ein paar Zigaretten geraucht. Die jüngeren Spieler gingen da gar nicht mehr rein, weil die Leithammel alles zugequalmt hatten. Der Masseur sollte immer Schmiere stehen und schauen, ob der Trainer kommt.
Nicht das einzige Mal, dass wir Älteren dem Trainer ein Schnippchen schlugen. Ich denke da an Rolf Schafstall, mit dem wir nicht so gut auskamen. Er hatte beispielsweise Ennatz Dietz abgesägt, einen charakterlich so hervorragenden Jungen. Das hat mir leid getan. Zu dieser Zeit hatten wir ein Freundschaftsspiel in der DDR. Nach der Partie sagte Schafstall zu uns: „Ihr habt Ausgang bis um ein Uhr.“
Wir kannten ihn. Der sitzt um Punkt ein Uhr vor dem Fahrstuhl und schreibt sich auf, wer reinkommt oder wer zu spät kommt. So war es. Nur: Da zahlte sich unsere Erfahrung aus. Wir wussten: „Der sitzt da vielleicht um ein Uhr. Aber nicht um sechs Uhr.“ Die jüngeren Spieler kamen um zehn nach eins rein und mussten am nächsten Tag Extrarunden laufen. Wir älteren kamen zum Frühstück, uns passierte nichts, weil Schafstall dachte, wir hätten im Bett gelegen.
Nicht mit jedem Trainer sind wir so umgesprungen. Wie gesagt: Für Ferner und Manager Assauer sind wir durchs Feuer gegangen. Ich habe mich unheimlich eingesetzt für Assauer und Ferner, als beide auf der Kippe standen. Ich habe mich gegen alles aufgelehnt, konnte mir das aufgrund meines Standings auch erlauben. Präsident Dr. Fenne kam irgendwann auf den Trichter, dass man einen Trainer mit Charisma brauche. Da scheiß ich doch drauf, ich brauche keinen George Clooney als Trainer. Der Rausschmiss von Ferner tat mir leid, er stand für den Erfolg von Schalke. Genauso Assauer: Er wurde zu dieser Zeit immer wieder zum Sündenbock gemacht, aber genoss das volle Vertrauen von uns Spielern. Er war immer für die Mannschaft da, hat einigen Spielern sogar mit Geld aus der eigenen Tasche geholfen, als die in Schwierigkeiten waren. Doch bei den Fans und in der Öffentlichkeit war Assauer nicht wohl gelitten. Er wurde geschasst.