(rk/usu) Felix Magath kam, sah und krempelte auf Schalke alles um. Kein Stein blieb auf dem anderen, auch der Schalker Kader veränderte heftig sein Gesicht. Was gleich blieb, war sein Trainerteam. BERND HOLLERBACH und SEPPO EICHKORN folgten dem Ruf ihres Chefs und haben dies nicht bereut. SCHALKE UNSER sprach mit den beiden Co-Trainern über Medizinbälle, Psychologie und den Gelsenkirchener Zoo.
SCHALKE UNSER:
Was sagt ihr zu diesem Bild? Es stammt aus dem Jahre 1951 aus der Zeitschrift „Fußball Jugend“ des Deutschen Fußballbundes.
SEPPO EICHKORN:
„Trainingsfleiß bringt Siegespreis“ – mit dem Motto können wir uns voll identifizieren. Und unser geliebter Medizinball ist auch darauf abgebildet. Kopfballtraining mit dem Medizinball führen wir aber nicht durch. Oft wird uns zwar nachgesagt, dass der Medizinball im Mittelpunkt unserer Trainingseinheiten steht, das würde ich aber so nicht gelten lassen. Nichtsdestotrotz ist der Medizinball ein schönes Trainingsgerät.
SCHALKE UNSER:
Bernd, du hast eine Lehre als Metzger absolviert, und Seppo, du bist auf einem Bauernhof groß geworden. Ihr seid also beide mit Berufen aufgewachsen, bei denen Arbeit noch groß geschrieben wird. Hat euch das auch für eure Trainerlaufbahn geprägt?
BERND HOLLERBACH:
Ich denke schon. Wenn Du es gewohnt bist, von klein auf mit anzupacken, und keine Scheu davor hast, bei der Arbeit auch mal ins Schwitzen zu kommen, dann prägt das einen schon. Und mir hat meine Lehre auch wirklich was für meine Fußballerkarriere gebracht, weil ich weiß, wie schwer auch nur 100 Mark, heute 50 Euro, zu verdienen sind. Man lernt sich durchzubeißen.
SCHALKE UNSER:
Und wenn ihr nun junge Spieler seht, denen alles hinterhergetragen wird, und die eben nicht mehr wissen, wie schwer es sein kann, 100 Mark zu verdienen, wie geht ihr mit dieser Situation um?
SEPPO EICHKORN:
Wir versuchen die Spieler auch durch unser Training dahin zu erziehen, dass sie erkennen, dass sie privilegiert sind und dass sie in der Woche hart dafür arbeiten müssen, damit sie am Wochenende spielen dürfen. Es soll schließlich eine Belohnung sein, dass die Spieler auf den Platz gehen und von den Fans angefeuert werden. Den Spielern diese Philosophie zu vermitteln, ist auch unsere pädagogische Aufgabe. Da sind dann auch mal ein paar anstrengendere Einheiten dabei. Wenn man aber als Mannschaft da durch geht, dann stärkt das auch das Zusammengehörigkeitsgefühl. Diese Erfahrung haben wir immer gemacht seit wir mit Felix zusammenarbeiten.
SCHALKE UNSER:
Aber der Wunsch eurer Eltern war, dass ihr eigentlich etwas „Vernünftiges“ lernt, oder?
SEPPO EICHKORN:
Ich habe ja noch zwei Brüder und einer davon war prädestiniert dafür, den Hof der Eltern zu übernehmen. Ich wollte hingegen nie Landwirt werden. Meine Eltern hätten vielleicht lieber gesehen, dass ich Pfarrer oder Tierarzt werde, aber sie haben es respektiert und waren auch stolz darauf, dass ich meinen Weg als Fußballlehrer gegangen bin.
BERND HOLLERBACH:
Da hatte es der Seppo einfacher als ich, da ich keine Brüder habe, dafür aber zwei Schwestern. Mein Vater hätte sich sicher gefreut, wenn noch Brüder da gewesen wären, damit einer den Metzgereibetrieb übernehmen kann. Er ist schon ein bisschen enttäuscht, dass ich das nicht machen werde, und ich glaube, insgeheim hofft er immer noch, dass ich noch mal zurückkomme. Aber jetzt habe ich erst einmal die Trainerlaufbahn eingeschlagen, die mir viel Spaß macht.
SCHALKE UNSER:
Mit Tönnies ist zumindest der Bezug zu den Würstchen noch da. Irgendwo stand auch zu lesen, dass Bernd Hollerbach seine Metzgerlehre auch beim Fußball zugute kommt. War das auf die vielen gelben und roten Karten deiner Karriere gemünzt?
BERND HOLLERBACH:
Nein, es geht einfach ums Durchsetzen. Das ist das, was wir den Spielern auch vermitteln möchten, dass man sich nicht immer sofort irgendwo ausheulen kann, sondern sich aufrafft und durchsetzt. Um nichts anderes geht’s meiner Meinung nach beim Fußball. Fußball ist sich durchzusetzen.
SCHALKE UNSER:
Es gibt noch eine weitere Verbindung zwischen euch und Felix Magath, und das ist Hamburg.
SEPPO EICHKORN:
Meine erste Trainerstation war St. Pauli und „Holler“ kam im Dezember 1989 zu uns. Felix war zu der Zeit beim großen Rivalen Hamburger SV tätig. Sein erster Transfer beim HSV war dann Bernd Hollerbach.
BERND HOLLERBACH:
Ich bin zunächst von St. Pauli zu Kaiserslautern gewechselt, da war ich aber nicht so glücklich. Ich war nur vier Monate dort, davon zwei Monate gesperrt – aufgrund einer unberechtigten roten Karte (lacht). Und dann war ich froh, als der Anruf von Felix kam. Auch der Kontakt zu Seppo ist nie abgerissen, wir haben uns immer sehr geschätzt. Es ist schön, dass wir jetzt wieder ein Gespann bilden.
SCHALKE UNSER:
In St. Pauli warst du ein echter Publikumsliebling, wurdest mit „Ho-Ho-Hollerbach“-Gesängen gefeiert.
BERND HOLLERBACH:
Nach dem Wechsel zum HSV aber nicht mehr. Da wurde dann aus dem „Ho-Ho-Hollerbach“ ein „Ho-Ho-Hochverrat“. Ich hatte trotzdem eine wirklich schöne Zeit bei St. Pauli. Seppo und Helmut Schulte habe ich meine Karriere zu verdanken. Ich hätte vielleicht ewig bei St. Pauli bleiben können, aber dafür hatte ich zu großen sportlichen Ehrgeiz. Wir sind damals mit St. Pauli aufgestiegen und das war dann auch ein schöner Abgang für mich. Ich denke aber, dass sich die Wogen mit den Fans deutlich geglättet haben. Ich wollte damals einfach nach vorne kommen, auch international spielen, und da bot sich der Wechsel zu Felix einfach an.
SCHALKE UNSER:
In Wolfsburg habt ihr ja auch ein Trainergespann gebildet. Als Felix dann angekündigt hat, vom Deutschen Meister zum FC Schalke 04 zu wechseln, hat dies bei vielen Erstaunen ausgelöst. Wie habt ihr von seinen Plänen erfahren?
SEPPO EICHKORN:
Es hat sich schon im Vorfeld etwas angedeutet, aber konkret wurde Felix eigentlich nie. Doch dann hat er irgendwann mal gefragt: „Seppo, was hast Du in nächster Zeit vor? Könntest Du Dir vorstellen zu wechseln?“. Und dann habe ich gesagt: „Klar, solange es nicht in Timbuktu ist, komme ich mit.“
BERND HOLLERBACH:
So ähnlich war es bei mir auch, wobei ich Schalke auch als Riesenherausforderung sehe. Es gibt nicht viele Vereine mit solchen Emotionen und diesem Fanpotenzial.
SEPPO EICHKORN:
Das haben wir hier direkt beim Trainingsauftakt gemerkt. Der Publikumszuspruch ist hier natürlich ein ganz anderer als in Wolfsburg. In der Stadt prägt der Autokonzern den Verein und nicht unbedingt die Fans. Das ist hier natürlich komplett anders. Da wirst Du sofort von einem Trompeter empfangen, der zur Attacke bläst. Im Stadion geht es natürlich auch viel lauter zur Sache. Hier in der Arena können die Fans mit ihrer Lautstärke der Mannschaft helfen, wenn es mal nicht so läuft. Dadurch zeichnet sich das wahre Fanpotenzial aus, und das Gefühl der Unterstützung hatten wir auf Schalke von Anfang an.
SCHALKE UNSER:
Jetzt seid Ihr ja beide Co-Trainer. Über Seppo Eichkorn hat der SPIEGEL sogar mal geschrieben, er sei der „König der Co-Trainer“. Wie dürfen wir uns die Hierarchie im Trainerteam vorstellen?
SEPPO EICHKORN:
Das Zusammenspiel ist wirklich unkompliziert. Das Trainerteam besteht ja nicht nur aus uns Assistenztrainern, sondern auch noch aus Torwart-, Reha- und Konditions-Trainer. Und Felix ist ganz klar der Chef, wir haben beratende Funktionen. Die Entscheidungen trifft Felix, dafür hält er auch seinen Kopf hin. Wir unterstützen unseren Chef, geben ihm Ratschläge und besprechen das Training. Und natürlich sind wir auch dafür da, mit unserem Verhalten ein Vorbild für die Mannschaft zu sein. Wir versuchen es als Team vorzuleben, damit alle für den gemeinsamen Erfolg an einem Strang ziehen. Natürlich hat Felix eine etwas größere Distanz zu den einzelnen Spielern, die aber auch notwendig ist, denn nicht immer sind unsere Maßnahmen positiv für den Spieler. Als Co-Trainer nehme ich auch einen Spieler eher mal in den Arm als der Chef-Trainer.
BERND HOLLERBACH:
Dabei ist es auch wichtig, dass man ein eingespieltes Trainerteam hat, bei dem jeder Handgriff sitzt, das Vertrauen da ist und sich jeder auf den anderen verlassen kann.
SCHALKE UNSER:
Dennoch war es am Anfang ein komisches Gefühl für uns Schalke-Fans, dass mit Youri Mulder und Mike Büskens zwei alteingesessene Schalker ihren Platz räumen mussten.
SEPPO EICHKORN:
Das liegt in der Natur der Sache. Wenn man als Trainer neu irgendwo hinkommt, möchte man auch die engsten Mitarbeiter um sich haben, die sich mit der eigenen Philosophie voll identifizieren. Das Verhalten der Trainergruppe ist eben ein ganz wichtiger Bestandteil bei dem Wirken auf die Mannschaft. Wenn man erst noch die eigenen Assistenztrainer kennen lernen muss, dann kommt das bei der Mannschaft auch schlecht an. Und so ist das Geschäft, in dem wir arbeiten: Wenn mein Chef entlassen wird, bedeutet das in der Regel auch für mich, dass ich den Hut nehmen muss. Die Gefahr besteht immer. Letzten Endes stehen auch wir in der Verantwortung.
SCHALKE UNSER:
Ihr setzt auf Medizinbälle und hartes Training. Andere Trainer setzen auch auf psychologische Betreuung.
BERND HOLLERBACH:
Jeder hat natürlich seine Erfahrungen gemacht und ich denke, dass man Selbstvertrauen in erster Linie nicht durch Psychologie erzeugen kann. Meine Erfahrung ist, dass, wenn ich hart gearbeitet habe und gut vorbereitet bin, das Selbstvertrauen von selbst kommt.
SEPPO EICHKORN:
Wenn ich mich auf dem Platz gut fühle und die entsprechende Kondition habe, dann habe ich auch Selbstvertrauen. Dann gehe ich auch mit einem ganz anderen Auftreten auf den Platz. Und wenn man dann als Mannschaft nach einer Trainingseinheit stehend k.o. ist, dann schweißt das auch als Truppe zusammen. Dieses Wir-Gefühl haben wir auch in Wolfsburg so erlebt. Als Trainer bin ich Fußballlehrer, Taktiker, Pädagoge und Psychologe in einem. Da muss ich keinen Psychologen einstellen, um entsprechend auf eine Mannschaft einzuwirken. Mit unserem Verhalten wirken wir immer auch auf das Unterbewusstsein unserer Spieler ein.
BERND HOLLERBACH:
Als Spieler unter Felix haben wir manchmal Einheiten durchgemacht, die waren schon knackig, aber hinterher haben wir immer gesagt: „Wir haben etwas zusammen geschafft, wir können als Team einiges erreichen.“ Das ist die eigentliche Psychologie dahinter. Und wenn man dann im Spiel in die entscheidenden Phasen kommt, kann man diese Erfahrung abrufen.
SCHALKE UNSER:
Nun wurde der Schalker Kader im ersten Halbjahr bereits gehörig umgekrempelt. Spieler, die bislang niemand auf der Rechnung hatte, wurden unter Vertrag genommen: Moritz, Schmitz, Matip, Pliatsikas, Ibraimi, Reginiussen, Edu, Bogdan Müller und jetzt der Hao Junmin. Da drängt sich natürlich die Frage auf: Wer um Himmels Willen scoutet die alle?
BERND HOLLERBACH:
Wir arbeiten da vielleicht etwas anders als andere Vereine. Wir sind schon lange im Geschäft und haben unsere Kontakte. Oft bekommen wir einen Tipp und gehen dann der Sache nach. Da helfen uns manchmal auch Spielerszenen auf DVD weiter.
SCHALKE UNSER:
Von außen betrachtet wirkt das Ganze aber etwas wie „Trial and Error“. Wir kaufen mal ein paar günstige Spieler ein und schauen, was wird.
BERND HOLLERBACH:
Die Spieler, die jetzt verpflichtet worden sind, haben wir alle schon länger beobachtet. Teilweise hatten wir sie schon in Wolfsburg im Visier.
SCHALKE UNSER:
Vielleicht ist ja auch wieder ein zweiter Dzeko dabei?
BERND HOLLERBACH:
Edin haben wir damals aus dem tschechischen Teplice nach Wolfsburg geholt. Aber man darf nicht vergessen, dass er vier Millionen Euro Ablöse gekostet hat. Das sind Summen, die wir auf Schalke derzeit nicht investieren können.
SCHALKE UNSER:
Im „Schalker Kreisel“ hat Felix Magath letztens im Vorwort geschrieben, dass Schalke in der Winterpause einen Strategiewechsel vorgenommen hat. War man im Trainergespann von dem zweiten Platz zum Ende der Hinrunde überrascht, so dass man nun meint, mit weiteren Verpflichtungen ginge mehr als ursprünglich gedacht?
BERND HOLLERBACH:
Klar, mit so einer tollen Hinrunde hat wohl niemand gerechnet. Aber bei den Verpflichtungen spielte häufig auch die mittelfristige Perspektive eine Rolle. Die Anpassung an unser Training fällt dem einen oder anderen nicht ganz so leicht. Von daher ist es sinnvoll, den Spielern in dieser Phase bereits die Chance zu bieten, auf ein gutes Niveau zu kommen.
SCHALKE UNSER:
Max Merkel hat bei seinem Abgang von Schalke gesagt: „Das Schönste an Schalke war die Autobahn nach München.“ Was ist Eurer Meinung nach das Schönste an Schalke?
SEPPO EICHKORN:
Die Autobahn nach München kann es jedenfalls nicht sein, die ist dauernd verstopft. Schalke ist ein Fußballverein, wie man ihn sich vorstellt: Ein lautes Stadion voller Atmosphäre, frenetische Fans. Schalke als Stadtteil von Gelsenkirchen atmet auch noch die Luft aus den vergangenen Zeiten von Szepan und Kuzorra. In der Glückauf-Kampfbahn kann man die alten, erfolgreichen Tage noch richtig spüren.
BERND HOLLERBACH:
Man spürt tatsächlich, dass der Verein etwas Besonderes ist, auch dass er seine Ursprünge als Arbeiterverein hat. Das merkt man einfach. Die Leute wollen sehen, dass hier malocht wird. Alle leben hier für Schalke, hier gibt’s nur Schalke 04. Das passt auch, glaube ich, ganz gut zu uns, deshalb fühle ich mich hier sehr wohl.
SCHALKE UNSER:
Habt Ihr denn Gelsenkirchen, vom Stadiongelände einmal abgesehen, ansonsten schon richtig wahrnehmen können?
SEPPO EICHKORN:
Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich außer Buer und Erle noch nicht viel gesehen habe. Mit meiner Familie war ich aber schon im Gelsenkirchener Zoo. Die Kinder wollen da auf jeden Fall noch mal hin, sich die Eisbären anschauen.
SCHALKE UNSER:
Dann wartet doch noch bis Anfang März, dann wird auch der Asien-Trakt eröffnet. Vielleicht könnt Ihr dann auch Hao Junmin mitnehmen. Abschließende Frage: Würdet Ihr Felix Magath zu einer Schachpartie herausfordern?
SEPPO EICHKORN:
Ich wüsste gar nicht, wie ich die Figuren hinstellen sollte. Aber ich denke, unser Konditionstrainer Werner Leuthard würde sich trauen.
BERND HOLLERBACH:
Dann doch lieber Schafkopf. Das spielen wir Franken ab und zu mal während der Bahnfahrt: Felix Magath, Heiko Westermann und ich.
SCHALKE UNSER:
Dann hoffen wir mal, dass wir in dieser Saison ordentlich aus dem Schneider kommen. Vielen Dank für das Gespräch und Glückauf!