(ru) Spieler kommen, Spieler gehen – und manche von ihnen sind zu echten Schalkern geworden. Diesen geben wir in loser Reihenfolge im SCHALKE UNSER den Raum, an ihre Jahre im königsblauen Trikot zurückzudenken. Neben einem Rückblick von Tomasz Waldoch (siehe Seite 22 in dieser Ausgabe) auf die Saison 2000/01 sprachen wir auch mit Ebbe Sand.
SCHALKE UNSER:
Ebbe, schwimmst du im Schwimmbad eigentlich meist am Rand?
EBBE SAND:
Wie bitte?
SCHALKE UNSER:
Das ist nur eine von gefühlten 800 Strophen aus dem Ebbe Sand-Lied der Schalker Fans.
EBBE SAND:
Ach so, ja klar. Das kenne ich, meine Kinder haben die CD zu Hause und tanzen manchmal dazu durch die Wohnung. Dabei sind manche Strophen ja nicht unbedingt jugendfrei. Ich bin sehr stolz, dass die Schalker Fans mir dieses Lied gewidmet haben. Wobei ich auch sagen muss, dass es natürlich daran liegt, dass sich auf meinen Nachnamen sehr viele deutsche Wörter reimen.
SCHALKE UNSER:
Das Lied muss wohl so in der Saison 2000/01 entstanden sein, als du zusammen mit Emile Mpenza eines der besten Sturmduos der Schalker Vereinsgeschichte gebildet hast.
EBBE SAND:
Das war eine Wahnsinnssaison. Emile kam ein halbes Jahr zuvor zu uns und ich habe schon nach dem ersten Training mit ihm gespürt: Das passt. So etwas kann man nicht erklären. Der eine wusste, wo der andere hinläuft. Wenn ich auf meine Laufbahn zurückblicke, da war dieses blinde Verständnis mit Emile außergewöhnlich. Und das, obwohl wir außerhalb des Platzes so unterschiedlich waren, wie es nur geht.
SCHALKE UNSER:
Emile Mpenza schoss 13 Tore, du wurdest mit 22 Treffern Torschützenkönig. Beim Spiel in München hast du drei Tore gemacht und Emile alle drei vorbereitet.
EBBE SAND:
Wir gewannen 3:1, obwohl wir nach nur drei Minuten 0:1 hinten gelegen hatten – in München! Es zeigte den Charakter unserer Mannschaft, dass wir dann auf diese Art und Weise zurückgekommen sind. Für mich persönlich war es ein Erlebnis: Wann schießt man schon einmal drei Tore in München? Aber man darf auch die anderen nicht vergessen. Seien es Andi Möller hinter den Spitzen, Asa oder Radek auf rechts, Jörg Böhme auf links und so weiter.
SCHALKE UNSER:
War das Spiel in München das Highlight dieser Saison?
EBBE SAND:
Ich finde, dass man das nicht so genau sagen kann. Wir hatten so viele tolle Spiele. Das Hinspiel gegen Bayern gewannen wir 3:2, in Berlin – einem damaligen Konkurrent – siegten wir 4:0 und nicht zuletzt mit dem gleichen Ergebnis in Lüdenscheid. Beim Erzrivalen so hoch zu gewinnen, war ein absoluter Traum.
SCHALKE UNSER:
Trösten diese tollen Spiele etwas über die verlorene Meisterschaft hinweg?
EBBE SAND:
Wir haben sehr schönen Fußball gespielt. Damals hat jeder gesagt, dass wir den Titel allein durch unsere Spielweise verdient hätten. Für mich persönlich war es die beste Spielzeit meiner Laufbahn, und doch hat das letzte Stück gefehlt. Viele haben versucht, uns zu trösten, doch ich sage: Im Fußball geht es um Titel. Den Pokal haben wir geholt, die Schale aber eben nicht.
SCHALKE UNSER:
Du hörst dich jetzt immer noch sehr bedrückt an, wenn du darüber sprichst. Schon damals hast du auch gesagt: „Ich werde erst wieder ruhig schlafen könne, wenn ich die Schale habe.“
EBBE SAND:
Das hat leider nicht mehr geklappt, aber 2001 dachte ich, dass ich noch genug Zeit dafür habe, den Traum zu verwirklichen. Es waren letztendlich nur vier Minuten, aber diese intensiven Gefühle, diese pure Freude in diesen vier Minuten – das war ein unbeschreibliches Gefühl. Als wir uns danach auf der Tribüne den Fans gezeigt haben, habe ich mich in diesem weiten Parkstadion umgesehen und gedacht: Mann, was wäre hier wohl los gewesen. Ich hätte es den Leuten so sehr gegönnt, weil man merkte, wie sie sich nach 43 Jahren nach diesem Titel sehnten.
SCHALKE UNSER:
Wie bei den meisten Schalker Fans wohl eine Mischung aus Wut und Trauer auf Dr. Merk, oder?
EBBE SAND:
Ich denke auch, dass es kein Rückpass war. Aber letztendlich entscheidet der Schiedsrichter nun einmal. Und wir müssen uns selbst die Frage stellen, warum wir eine Woche zuvor beim 0:1 in Stuttgart so schlecht gespielt haben. Da haben wir sie verspielt. Ich war nach der verlorenen Meisterschaft fix und fertig, vollkommen leer, konnte nicht schlafen. So ging es den anderen auch, nur gut, dass wir uns dann bei Frode Grodas getroffen haben…
SCHALKE UNSER:
… diese Feier hat Tomasz Waldoch auch angesprochen. Es soll sehr lange gegangen sein …
EBBE SAND:
Ja, das war eine richtige Frustparty. Die ist ausgeartet. Da haben wir mächtig was getrunken und uns zusammen wieder aufgebaut. Ich habe an diesem Abend nur sehr wenige Stunden geschlafen und als ich wach wurde, hatte ich doppelte Kopfschmerzen. Wegen der verpassten Meisterschaft und dem Alkohol.
SCHALKE UNSER:
Allerdings musstet ihr wieder schnell fit sein, eine Woche nach der Meisterschaft stand das Pokalfinale in Berlin gegen Union Berlin an.
EBBE SAND:
So ist Fußball, eine Woche zuvor fühlten wir uns, als wären wir abgestiegen. Sieben Tage später machten wir die Raupe auf dem Spielfeld um den DFB-Pokal. Im Endspiel selbst haben wir nicht gut gespielt, Union hatte einige Chancen. Dann hat Jörg Böhme aber zweimal zugeschlagen und wir hatten den Pott.
SCHALKE UNSER:
War das für dich das versöhnliche Happy End der Saison?
EBBE SAND:
Der Pokalsieg war toll. Aber ich muss auch sagen, dass ich trotz der verpassten Meisterschaft gerne an diese Saison zurückdenke. Wir hatten eine wunderbare Mannschaft, in der einer für den anderen gerannt ist, wo jeder jeden gepusht hat. Vor der Saison galten wir als Abstiegskandidat und dann haben wir derart aufgetrumpft. Wer kann zum Beispiel schon von sich behaupten, in einer Saison zweimal die Bayern geschlagen zu haben.
SCHALKE UNSER:
Also hast du kein „Meister der Herzen“-Trauma?
EBBE SAND:
Es gibt diesen Spruch, dass man durch den Fußball viel für das Leben lernt. Es war eine harte Niederlage, doch im Laufe der Zeit muss man lernen, damit umzugehen. Durch diese tiefe Trauer weiß man den Erfolg dann noch mehr zu schätzen. Ich wurde mehrere Male von Firmen in Deutschland und Dänemark gefragt, ob ich ein Seminar halten kann, in dem es um das Gewinnen und Verlieren geht. In diesen Seminaren habe ich natürlich auch über den 19. Mai 2001 gesprochen.
SCHALKE UNSER:
Das hört sich nach Masochismus an.
EBBE SAND:
Nein, das ging schon. Nur wenn dann das Video von diesem Tag im Mai eingelegt wurde, habe ich gesagt: „Entschuldigen Sie mich, ich bin in den nächsten Minuten mal vor der Tür.“
SCHALKE UNSER:
Wann sehen wir dich wieder auf Schalke?
EBBE SAND:
Momentan bin ich Stürmertrainer der dänischen Nationalmannschaft. Ich vermisse Schalke und die Fans sehr. Letzte Woche habe ich erst mit Mike Büskens telefoniert, der ja auch ein echter Schalker ist. Ohne Frage, wenn ich das nächste Mal etwas Zeit habe, komme ich vorbei.
SCHALKE UNSER:
Vielen Dank für das Gespräch und Glückauf.