(ru) Spieler kommen, Spieler gehen und manche von ihnen sind zu echten Schalkern geworden. Diesen geben wir in loser Reihenfolge im SCHALKE UNSER den Raum, an ihre Jahre im königsblauen Trikot zurückzudenken. Wir sprachen mit Peter Sendscheid über die Schalker Wendejahre.
SCHALKE UNSER:
Hallo Peter, auf den Seiten vorher hat Peter Neururer seine Erlebnisse auf Schalke beschrieben. Er hat dich ja auch damals nach Schalke geholt, oder?
PETER SENDSCHEID:
Ganz so war es nicht. Helmut Kremers hatte da großen Anteil, er wollte sich in Aachen, wo ich gespielt habe, damals Egbert Zimmermann anschauen und ihn nach Schalke holen. Aber bei dem Spiel, bei dem Kremers zugegen war, gelangen mir drei Tore – mit rechts, mit links und mit dem Kopf. So bin ich nach Schalke gekommen. Der Fußball lebt von Zufällen.
SCHALKE UNSER:
Es war nicht unbedingt die beste Zeit, um nach Schalke zu kommen. In der Saison 89/90 stand das Team unter dem Druck, aufsteigen zu müssen.
PETER SENDSCHEID:
Das ist richtig, und es ist uns nicht gelungen. Ich erinnere mich an das Spiel in Kassel, als wir den Aufstieg endgültig verpassten. Die Schalker Fans waren vor Wut nicht mehr zu halten. Das hatte ich so noch nicht erlebt. Mehrere Autos mit aufgebrachten Fans haben den Mannschaftsbus bis zurück nach Gelsenkirchen verfolgt. Das war ein komisches Gefühl. Zum Glück stieg Wladimir Ljuty, die russische Eiche, als Erster aus dem Bus – danach war es eigentlich ganz ruhig.
SCHALKE UNSER:
Kamen solche Sachen häufiger vor?
PETER SENDSCHEID:
Nein, an diesem Tag war es extrem, aber in der Regel hatten wir ein super Verhältnis zu den Fans. Die Identifikation war enorm hoch und die Leute standen eigentlich immer hinter uns. Ich denke an das Spiel gegen Fortuna Köln, als wir den Aufstieg gefeiert haben. Das war ein unglaubliches Erlebnis.
SCHALKE UNSER:
Die Fans haben damals schon vor dem Abpfiff den Platz gestürmt.
PETER SENDSCHEID:
Ja, sie standen vorher bis an die Außenlinie. Bei einem Angriff von uns ging der Ball neben das Tor und ein Fan hat noch versucht, den Ball ins Tor zu schießen. Was passierte? Er traf den Pfosten. Ich weiß noch, wie ich vor dem Abpfiff geschaut habe, wo eine Lücke ist, damit ich schnell wegrennen kann. Die Leute hätten uns doch bis auf die Unterhose ausgezogen.
SCHALKE UNSER:
Wie lief die Aufstiegsfeier ab?
PETER SENDSCHEID:
Wir haben es schon krachen lassen. Ins Warmwasserbecken in der Kabine gossen wir Champagner und lagen uns in den Armen. Noch beeindruckender war der Tag vorher, als wir im Bus auf dem Weg zum Trainingslager mitbekamen, dass uns keiner mehr den Aufstieg nehmen konnte, weil die Stuttgarter Kickers Punkte abgegeben hatten. Man hatte das Gefühl, dass der Bus von diesem Moment an um einige Kilogramm leichter geworden ist. Denn der ganze Druck, aufsteigen zu müssen, fiel von uns ab. Wir sind dann ins Hotel und Trainer Aleks Ristic orderte für alle Champagner. Wer Ristic und seinen Führungsstil kannte, der wusste: Da musste schon Gewaltiges passiert sein.
SCHALKE UNSER:
Du warst mit deinen Treffern einer der Garanten für den Erfolg in dieser Zeit. Doch plötzlich wurden dir Radmilo Mihajlovic und Bent Christensen vorgesetzt.
PETER SENDSCHEID:
Ja, das war die Zeit unter Udo Lattek, die für mich persönlich sehr schwierig war. Mit Radmilo bin ich nicht so gut klar gekommen, aber Bent war ein cooler Typ und einfach ein super Fußballer. Ich hätte es ihm gegönnt, auf Schalke Fuß zu fassen. Aber er kam einfach zur falschen Zeit, das System lag ihm nicht. Er hätte die Anspiele in den Lauf gebraucht.
SCHALKE UNSER:
Du hingegen bist noch einmal trotz deiner Verletzungen famos zurückgekommen und hast mit Youri Mulder den Sturm gebildet, der 93/94 den nicht mehr für möglich gehaltenen Klassenerhalt klar machte. Wie war das Verhältnis zu Youri?
PETER SENDSCHEID:
Unglaublich, ein genialer Kerl. Wir haben uns auf dem Platz und privat sehr gut verstanden, sind damals in Essen und Gelsenkirchen um die Häuser gezogen. Dass man sich gut versteht, ist zwar für Stürmerkollegen nicht zwingend erforderlich, aber es erleichtert vieles. Leider musste ich danach schon mit 28 verletzungsbedingt meine Karriere beenden.
SCHALKE UNSER:
Auf dem Blog schalkefan.de hieß es einmal dazu: „Sendscheid hatte nicht die Möglichkeit, eine Ära zu prägen. Dennoch markiert sein Erscheinen auf Schalke einen Wendepunkt in der Vereinsgeschichte.“
PETER SENDSCHEID:
Das freut mich. Ich finde auch: Mit dem Aufstieg haben wir die ersten Schritte gemacht für ein neues Schalke. Vorher ging es hin und her zwischen Erster und Zweiter Liga. In der Folge haben Rudi Assauer auf der Führungsebene und Spieler wie Olaf Thon und Jiri Nemec, um nur zwei zu nennen, dafür gesorgt, dass es weiter bergauf ging – bis zum UEFA-Cup-Sieg.
SCHALKE UNSER:
Was machst du heute?
PETER SENDSCHEID:
Nach dem Karriereende habe ich bei Schalke in der Marketingabteilung gearbeitet. Doch mittlerweile bin ich seit über zehn Jahren bei einer amerikanischen Firma tätig, die sich um den Vertrieb für Büroausstattung kümmert. Also nicht weiter im Fußballgeschäft.
SCHALKE UNSER:
Aber Schalke bist du weiterhin verbunden?
PETER SENDSCHEID:
Klar, ich spiele ja auch in der Traditionsmannschaft. Und besuche die Heimspiele regelmäßig. Nach dem Trainerwechsel zu Rangnick macht es wieder Spaß, den Jungs zuzuschauen. Es ist eine neue Leichtigkeit, man gesteht den Spielern Fehler zu; dieses Vertrauen zahlen sie zurück. Unglaublich, was Jurado oder Baumjohann nun für Spiele zeigen.
SCHALKE UNSER:
Danke für das Gespräch und Glückauf!