Vorsicht am Flughafen: Der DFB ist überall

Durch die 32 Stadionverbote, die der DFB jüngst wegen der Auseinandersetzungen einiger Mitglieder der Ultras im Frühjahr am Dortmunder Flughafen gegen diese Ultras ausgesprochen hat, wird eine neue Ebene in der unappetitlichen Geschichte der Stadionverbote erreicht. Daher mal ein kurzer Abriss über Stadionverbote im Allgemeinen und wegen dieses Falles im Besonderen.

Was sind überhaupt Stadionverbote?

Stadionverbote sind nichts anderes als Hausverbote. Jeder Eigentümer eines Grundstücks oder Mieter einer Wohnung darf grundsätzlich ein Hausverbot gegen jedermann aussprechen. Und zwar grundsätzlich wie es ihm passt.

Wenn ich zum Beispiel Anwälte nicht ausstehen kann oder Menschen, die Birnenshampoo benutzen, dann kann ich jedem Anwalt oder Birnen- shampoonutzer dieser Welt verbieten, meine Wohnung zu betreten. Tut derjenige es dann doch, macht er sich wegen Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB) strafbar. Zeige ich ihn daraufhin an, kommt es zu einem Ermittlungsverfahren. Und somit ist ein Stadionverbot zunächst ein Hausverbot eines Vereins. Jeder Verein, vertreten durch den Vorstand, ist wie jeder andere Private auch berechtigt, jedem ein Hausverbot für sein Gelände zu erteilen. Zumindest dem Grundsatz nach.

Die berüchtigte DFB-Richtlinie

Für Veranstalter von öffentlichen Ereignissen gibt es da allerdings Einschränkungen. Hier zeigen die Grundrechte auf die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Grundgesetz) sowie das Recht auf Gleichheit der Person (Art. 3 Grundgesetz) mittelbare Wirkung auf die Veranstalter. Wenn hier jemand von der Veranstaltung ausgeschlossen werden soll, bedarf es schon besonderer Gründe, die einer rechtlichen Überprüfung stand halten müssen. Vor allem darf ein Stadionverbot nicht willkürlich verhängt werden.

Eigentlich um Willkür auszuschließen, haben sich die Profi-Vereine unter dem Dach des DFB eine ,,Richtlinie zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten” gegeben. In dieser Richtlinie wird aufgezählt, was nach Ansicht der Funktionäre zu einem Stadionverbot führen soll, wie lange es andauern soll und für welche Stadien das Verbot auszusprechen ist. Auf den ersten Blick also eine prima Sache, um Willkür zu verhindern. Aber auch nur auf den ersten Blick. Danach wird einem bei einem zweiten, dritten und nullvierten Blick Angst und Bange, wenn einem etwas am Rechtsstaat liegt.

Bloßer Verdacht soll reichen

Wichtig zu wissen ist: Die DFB-Richtlinie ist kein Gesetz. Auch nicht im Ansatz. Es ist lediglich eine Vereinbarung auf Vereins- und Verbandsebene, ob und wie einzuschreiten ist, wenn ein Stadionverbot in Betracht kommt. Ob das jeweilige Vorgehen dann rechtlich in Ordnung ist, richtet sich nicht nach der Richtlinie, sondern nach den ,,wirklichen” Gesetzen dieses Landes, über das dann die ,,normalen” Gerichte – und nicht etwa der DFB entscheidet.

Das Kernproblem an dieser Richtlinie, nach der faktisch haufenweise Stadionverbote auferlegt werden, ist ein höchst rechtstaatsfernes: Bereits der Verdacht einer Straftat soll ausreichen, um ein Stadionverbot zu rechtfertigen. Bereits ein eingeleitetes Ermittlungsverfahren oder sogar nur ein Platzverweis oder eine Ingewahrsamnahme ohne ein nachfolgendes Strafverfahren kann zu einem Stadionverbot führen. Damit verstößt der DFB krass gegen ein zentrales Prinzip dessen, was einen Rechtsstaat ausmacht, nämlich gegen die Gewaltenteilung. Wenn also die Polizei nur einen Verdacht(!) hat, dass jemand etwas begangen haben könnte, woher der Verdacht auch immer stammt, dann hat dieser Jemand ein Problem. Man muss de facto nichts gemacht haben. Es muss nur gegen jemanden ermittelt werden und schon steht man in der Gefahr eines Stadionverbots. Und aus meiner Praxis kann ich sagen, dass man schneller unschuldig in Verdacht gerät als man sich das gemeinhin so vorstellt. Ob das Verfahren hinterher eingestellt oder die Person freigesprochen wird, weil die Polizei sich getäuscht hat? Egal. Das interessiert den DFB nicht. Ein Gottvertrauen in die Polizei wird dadurch deutlich.

Natürlich kann man sagen ,,die Polizei kennt ihre Pappenheimer, die wissen schon, was sie tun”. Ja, das kann man sagen. Stimmt aber nicht. Polizisten sind Menschen wie alle anderen auch. Sie machen genau so viele Fehler, sie haben genau so viele Boshaftigkeiten in sich wie andere Menschen auch und sie machen auch genau so viel richtig wie andere. Es bleibt insgesamt viel zu viel Spielraum für Irrtümer, weshalb es ja im Rechtsstaat die Gewaltenteilung gibt und über einen strafrechtlich relevanten Vorwurf noch ein Gericht endgültig und auch nach Anhörung der Argumente und Beweise des Betroffenen entscheiden muss. Nicht so beim DFB. Da heißt es: Die Polizei ruft, wir folgen blind.

In § 6 der Richtlinie heißt es zwar, dass bei Nachweis der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens das Verbot aufzuheben sei. Allerdings ist dies letztlich eine Gummivorschrift, denn die Vereine stützen ihre Verbotsanordnungen gerne auf das Vorliegen eines Platzverweises. Und ob ein Platzverweis rechtmäßig war oder nicht wird in nahezu jedem Fall nicht nachträglich überprüft. Somit ist es dann auch egal, ob ein Strafverfahren eingestellt wird oder nicht. Zumal der DFB noch nach der Art der Einstellung unterscheidet – erfolgt eine Einstellung ,,wegen möglicher geringer Schuld” (§ 153 StPO), dann liegt es im Ermessen des Vereins, ob eine Aufhebung des Verbots erfolgen kann. Im Klartext: Es erfolgt dann keine Aufhebung. Es ist lediglich ein rechtsstaatliches Feigenblättchen. Wobei man wissen muss, dass die Staatsanwaltschaft jedes Strafverfahren, auch wenn jemand noch so unschuldig ist, nach dieser Vorschrift einstellen kann und dies gerne auch tut, ohne dass der Betroffene sich hiergegen wehren kann.

BGH-Entscheidung zu Stadionverboten

Das Stadionverbot ist also schnell geschossen. Ist es einmal in der Welt, hat man ja samstags Zeit, um eine Klage vorzubereiten. So wie jener Bayernfan, der ein Grundsatzurteil vor dem Bundesgerichtshof (Aktenzeichen: V ZR 253/08 vom 30.10.2009) erstritten hat. Hier hat der BGH in einer nicht allzu langen Entscheidung festgelegt, welche Voraussetzungen für ein Stadionverbot gegeben sein müssen. Und leider setzt der BGH die Voraussetzungen nicht wirklich hoch an. Zielsetzung von Stadionverboten sei es danach, durch den Ausschluss von auch nur potentiell gefährlichen Personen die Sicherheit für die anderen Zuschauer zu gewährleisten. Deshalb, und weil es sich um privatrechtliche Veranstaltungen handele, müsse nicht jeder Verdachtsmoment wie im Strafprozess vollständig nachgewiesen werden. Es kommt nach dem BGH auch nicht auf die Strafbarkeit an, sondern es geht nur um das Verhalten der betroffenen Person. In dem konkret entschiedenen Fall wurde dem Bayernfan, obwohl ihm keine Tatbeteiligung an einer Auseinandersetzung nachgewiesen werden konnte, zum Verhängnis, dass er bewusst Teil einer Gruppe war, die Taten begangen hat, obwohl er selber vielleicht gar nichts gemacht hat. Sippenhaft sozusagen. Reicht aber nach der BGH-Entscheidung aus.

Fall der Ultras

Der aktuelle Fall der Ultras ist schon deshalb so besonders, weil er gar nichts mit dem Fußball zu tun hatte. Nach der Darstellung der Ultras hat man sich gemeinsam zum Lüdenscheider Flughafen begeben, um dort befreundete Kollegen, die aus Skopje landeten, abzuholen. Das rochen wohl auch einige Lüdenscheider und lauerten den Schalkern am Flughafengelände auf. Wohlgemerkt: Sowohl räumlich als auch zeitlich abseits eines Spiels. Und so kam es dann zu einer Auseinandersetzung, die wiederum zu Personalienfeststellungen (mutmaßlich nur auf Schalker Seite) und dann Monate später zu Stadionverboten führte.

Misst man den Fall dieser Stadionverbote am Regelwerk des DFB, der – und nicht etwa der Verein aus Lüdenscheid – selbst diese Verbote aussprach, dann können diese eigentlich damit nicht begründet werden. Mal ganz abgesehen von der Frage, wieso der DFB überhaupt an die Daten der beteiligten Personen gelangen konnte. Unter datenschutzrechtlichen Aspekten dürfte es der Polizei nicht ohne weiteres gestattet sein, ,,einfach mal so” die Datensätze der festgestellten Personalien an einen privatrechtlichen Verband rüberzuschieben. Mal abgesehen von der Frage, wer hier wen attackierte und wieso und weshalb hauptsächlich nur eine Gruppe belangt wurde: Der Bezug zu einem Fußballspiel fehlt hier völlig. § 4 der DFB-Richtlinie spricht von ,,Straftaten im Zusammenhang mit dem Fußballsport”. Der Lüdenscheider Flughafen ist unter der Woche eher kein Ort, um seiner Fußballliebe zu frönen. Allein das gemeinsame Hobby ,,Fußball” der beteiligten Personen könnte den Zusammenhang herstellen. Schon aus diesem Grund, abgesehen von allen weiteren Einzelheiten des Falls, dürfte ein deshalb ausgesprochenes Stadionverbot eigentlich wenig Chancen haben, vor Gericht zu bestehen. Dies hat wohl auch unser Verein erkannt, wenn er den betroffenen Ultras gestattet, zunächst weiter die Heimspiele besuchen zu dürfen – eine im Zusammenhang mit Stadionverboten durchaus bemerkenswert positive Entscheidung. Vor allem, weil der Verein dies erst mit dem DFB abstimmen musste.

Wie der weitere Verlauf in Sachen der neuen Stadionverbote weitergeht, bleibt trotzdem abzuwarten. Ob sich die reaktionäre Vorgehensweise des DFB durchsetzen wird oder man sich außergerichtlich einigen kann, wird sich zeigen. Es sprechen aber vor allem die veranstaltungsferne Ortschaft sowie der Umstand, dass die Gruppe an einem Ort angegriffen wurde, wo man nun wirklich nicht damit rechnen braucht (,,Veranstaltungsferne”) sicherlich stark gegen ein Stadionverbot. Man sieht an diesem Beispiel schön, wie wenig sinnvoll die bisherigen Regelungen sind. Denn es ist schon fast egal, ob man sich gegen einen unerwarteten Angriff an einem Flughafen zur Wehr setzt oder nicht. Dadurch, dass man in eine Schlägerei gerät, provoziert von Personen, die dort eigentlich außer einer zu provozierenden Auseinandersetzung nichts verloren haben, steht man schon in dem Generalverdacht, eine Gefahr für das übrige Stadionpublikum (Stadion! Nicht: Flughafen!) zu sein. Also Vorsicht in den Zeiten allumfassender Bespitzelung durch den NSA und Konsorten: Demnächst nicht zu sehr Kraftausdrücke im Facebook-Chat verwenden, sonst hagelt es vielleicht auch noch deshalb Stadionverbote.

Fazit

Zu fordern ist aus meiner Sicht generell eine individuelle Aufklärung des Einzelfalls, wenn Leute in Verdacht einer Tat geraten, die zu einem Stadionverbot führen kann. Wenn man berücksichtigt, welchen Stellenwert gerade für uns Schalker der Fußball und der Support vor Ort darstellen, dann wird leicht deutlich, dass es sich eben nicht ,,nur” um ein Hausverbot handelt, sondern einen massiven Eingriff in die individuelle Lebensgestaltung. Also sollte, um die Verhältnismäßigkeit zu wahren, jeder Einzelfall genau beleuchtet werden. Mit Recht auf Stellungnahmen, Beweisvorlage und Einflussnahme auf ein solches Verfahren vor einer neutralen, also von allen Seiten unabhängigen Instanz. Wo Stadionverbote wirklich sein müssen, da sollen sie zum Schutz der Allgemeinheit sein. Aber wenn jemand in ein Rad von Polizei, Justiz und DFB geraten kann, ohne sich wirksam rechtlich wehren zu können und deshalb ein für ihn wichtiger Lebensinhalt genommen werden kann, dann ist eine Grenze überschritten. Und auch weil so etwas nicht passieren soll, deshalb hat man den Rechtsstaat geschaffen. Wäre schön, wenn der DFB, der immer soviel Vorbildhaftigkeit von anderen einfordert, an dieser Stelle selber mal vorbildlich agieren würde.

Unser Autor Thomas Wings ist Schalker und Strafverteidiger aus Gladbeck. Seine Erlebnisse mit der Justiz schildert er im Höchststrafe-Blog (http://hoechststrafe.dorkawings.de).